Bundesetat Erster ausgeglichener Haushalt seit 45 Jahren in Sichtweite

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Verstöße gegen den Koalitionsvertrag

Bundesländer müssen Gürtel enger schnallen
Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse schreibt vor, dass die Bundesländer ab 2020 ohne neue Schulden auskommen müssen. Bis dahin sollte der Haushalt strukturell ausgeglichen sein. "Der Vergleich der sehr unterschiedlichen finanziellen Rahmenbedingungen der Bundesländer zeigt, wo die Konsolidierung der Länder- und Kommunalfinanzen ansetzen kann", kommentiert PwC-Vorstandssprecher Norbert Winkeljohann. In der Studie wurde auf Basis der Finanzsalden 2011 berechnet, in welchem Maß Länder-und Kommunalausgaben bis 2020 sinken beziehungsweise steigen sollten. Dabei wurden Steuereinnahmen, Mittel aus dem Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen berücksichtigt und die Ausgabenseite um Zins-und Pensionsverpflichtungen bereinigt. Quelle: dpa
Saarland & BremenDie beiden kleinsten Bundesländer, Bremen und das Saarland stehen vor den größten Herausforderungen. Ihre Ausgaben liegen heute über dem Durchschnitt der westdeutschen Flächenländer. Diese müssen bis 2020 real gesenkt werden, um die Schuldenbremse noch zu erreichen. "Wichtig für beide Länder ist, dass sie sich in ihrem Ausgabeverhalten an den jeweils für den Aufgabenbereich effizientesten Ländern orientieren und nicht am Durchschnitt der Flächenländer West", erklärt Alfred Höhn, PwC-Partner und Leiter des Bereiches öffentlicher Sektor. Vor allem aufgrund von Zins-und Pensionsverpflichtungen werden sie 2020 deutlich weniger finanzielle Mittel zur Verfügung haben als andere Bundesländer. Der Stadtstaat Bremen musste beispielsweise im Jahr 2011 knapp ein Drittel seiner Finanzmittel für Zinsen und Versorgung verwenden. Anders wäre es, wenn Schulden und Versorgungslasten nicht berücksichtigt werden: Da hätte Bremen 2020 ein Drittel mehr an Kopfmasse pro Jahr zur Verfügung als das durchschnittliche Land. Quelle: dpa
Bayern und Baden-WürttembergGemeinsam mit Hamburg und Hessen gehören die beiden südlichsten Bundesländer zu den Geberländern im Länderfinanzausgleich. Die Länder sind in der günstigen Situation, die Vorgaben der Schuldenbremse zu erfüllen. So könnte Baden-Württemberg dann rund sechs Prozent, Bayern elf Prozent mehr pro Einwohner ausgeben als der Durchschnitt der westdeutschen Flächenländer. Schulden würden sie dann trotzdem nicht machen. Bayern gibt pro Einwohner 219 Euro in der Kernverwaltung aus. Das sind mehr als 100 Euro mehr als in Hessen. Quelle: dpa
Sachsen-Anhalt & OstdeutschlandDas ostdeutsche Bundesland wird in den kommenden Jahren mit einem erheblichen Bevölkerungsrückgang rechnen müssen. Ein Zehntel seiner Einwohner wird Sachsen-Anhalt bis 2020 verlieren; die Bevölkerung in Bayern hingegen wird wachsen. Insgesamt hast Ostdeutschland - mit Ausnahme von Sachsen - vor erheblichen Herausforderungen stehen, die vor allem aus dem Bevölkerungsrückgang und dem hohen Ausgabenniveau resultieren, wie PWC in einem Interview auf seinem Internetauftritt mitteilt. Quelle: dpa
HessenDas westdeutsche Bundesland steht zum Beispiel mit Bayern auf der "Geberseite" im Länderfinanzausgleich und hat überdurchschnittlich hohe Einnahmen. Anders als Bayern muss Hessen seinen Haushalt bis 2020 deutlich stärker konsolidieren. Der Grund dafür liegt darin, dass Land und die hessischen Kommunen für die Kernverwaltung 352 Euro aufwenden. Außerdem sind in den meisten Aufgabenbereichen die Ausgaben höher als im Bundesdurchschnitt. Quelle: dpa
BerlinDie Bundeshauptstadt weist vor allem im Bereich der Personalausstattung erhebliche Unterschiede zu anderen Bundesländern auf. Nur 3,2 Vollzeitkräfte werden hier pro 1000 Einwohner beschäftigt. Eine deutliche Personalanpassung in den Behörden wie auch in den Verwaltungen sei durch massiven Bevölkerungsrückgang möglich. Berlin verwendet für Zinsen und Versorgung knapp ein Viertel seiner Finanzmittel. Quelle: dpa
Die Föderalismusreform hat Anfang 2009 beschlossen die Staatsverschuldung der Bundesrepublik Deutschland zu begrenzen. Deshalb haben Bund und Länder die Schuldenbremse im Grundgesetz verankert und damit eine verbindliche Vorgabe geschaffen. Deshalb müssen die Haushalte in Zukunft ohne zusätzliche Kredite auskommen. Für die Bundesländer gilt eine Übergangsfrist bis 2020. Danach dürfen sie absolut keine neuen Schulden mehr machen. Sollte sich die wirtschaftliche Entwicklung schlechter werden, so dürfen allerdings neue Schulden aufgenommen werden. Diese müssen dann ausgeglichen werden, wenn sich die Wirtschaft wieder erholt hat. Quelle: obs

Bei den prioritären Maßnahmen trickst Schäuble ebenfalls, indem er einige davon so weit wie möglich in die Zukunft schiebt. Bei der Eingliederungshilfe von Behinderten zum Beispiel verabredete die große Koalition, die Gemeinden um fünf Milliarden Euro jährlich zu entlasten. Bis das entsprechende Bundesteilhabegesetz in Kraft tritt, soll zumindest eine Milliarde Euro pro Jahr fließen.

Nun versuchen seine Beamten, die verabredete Mittelaufstockung so lange wie möglich zu verzögern. Erst „ab 2018 werden Länder/Kommunen durch ein Bundesteilhabegesetz jährlich um fünf Milliarden Euro bei den Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderung entlastet“, steht in einem internen Vermerk, der der WirtschaftsWoche vorliegt. Das aber wäre nach der laufenden Legislaturperiode – und damit eigentlich ein Verstoß gegen den Koalitionsvertrag.

In diesem Jahr – der Haushalt musste wegen des Regierungswechsels noch einmal auf den Weg gebracht werden – will die Bundesregierung noch 6,5 Milliarden Euro neue Schulden machen. Immerhin wäre dies der niedrigste Wert seit 40 Jahren. Und ohne die Einlage von 4,3 Milliarden Euro für den Euro-Rettungsfonds ESM wären es sogar nur 2,2 Milliarden Euro.

Die Euro-Krise überschattet also nach wie vor den Staatshaushalt, und zwar über die ESM-Einlage hinaus. Denn noch immer ist ein weiterer Schuldenschnitt für Griechenland nicht auszuschließen, und ein solcher würde diesmal die öffentlichen Gläubiger treffen.

Dann aber würde Schäuble das gleiche Schicksal wie seine Amtsvorgänger erleiden, die allesamt kurz vor der Null-Schulden-Linie strauchelten, zuletzt Peer Steinbrück 2009 wegen der Weltfinanzkrise. Aber vielleicht hat Schäuble das letzte Quentchen Fortüne, das auch ein Finanzminister braucht.

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