Bundesfinanzhof kassiert Sanierungserlass Firmenrettungen werden schwieriger

Zu Krisenfirmen ist der Fiskus bislang gnädig – doch der Gnade fehlt die gesetzliche Grundlage, moniert der Bundesfinanzhof. Für insolvenzbedrohte Firmen wird das Überleben dadurch noch schwieriger.

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Durch das Kippen des „Sanierungserlass“ könnten zukünftig statt der Sanierung des gesamten Unternehmens dessen Zerschlagung gewählt werden, um die negativen steuerlichen Folgen zu umgehen. Quelle: Swen Pfödpa

München Die Rettung pleitebedrohter Firmen wird durch höchstrichterlichen Beschluss erschwert. Der Bundesfinanzhof in München hat in einer Grundsatzentscheidung den seit 2003 geltenden „Sanierungserlass“ des Bundesfinanzministeriums gekippt. Dieser besagt, dass Sanierungsgewinne von der Ertragsteuer befreit werden können. Wenn Gläubiger einer Firma Schulden erlassen, erhöht sich damit automatisch deren Betriebsvermögen – und das sei grundsätzlich besteuerbar, urteilte das oberste deutsche Finanzgericht in dem am Dienstag in München veröffentlichten Beschluss.

Die Insolvenzverwalter warnten vor dramatischen Folgen: „Es ist zu befürchten, dass zukünftig statt der Sanierung des gesamten Unternehmens dessen Zerschlagung gewählt werden muss, um die negativen steuerlichen Folgen zu umgehen“, sagte Christoph Niering, Vorsitzender des Berufsverbandes der Deutschen Insolvenzverwalter (VDI). Niering forderte eine schnellstmögliche gesetzliche Regelung: „Ansonsten ist zu befürchten, dass gerade die Sanierung größerer Handelsunternehmen wie aktuell Wöhrl oder Butlers in Frage steht.“

Dem Bundesfinanzhof geht es nicht um den Inhalt der Regelung, wie Präsident Rudolf Mellinghoff klarstellte. Laut Beschluss des Großen Senats hat das Finanzministerium schlicht die Machtbefugnis der Verwaltung überschritten.

Denn der Erlass durch das Finanzministerium war nach Einschätzung des BFH ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Dieser besagt, dass die Finanzämter Gesetze umzusetzen haben – nicht aber selbst die Besteuerung ohne Gesetz selber stricken dürfen. „Das ist ein fundamentaler Grundsatz der Besteuerung“, sagte BFH-Präsident Mellinghoff.

Das Bundesfinanzministerium habe eine „strukturelle Gesetzeskorrektur“ vorgenommen und damit das Legalitätsprinzip verletzt. Der Hintergrund: 1997 hatte der Bundestag im Zuge der damaligen Unternehmenssteuerreform die bis dahin geltende Steuerbefreiung abgeschafft, 2003 führte das Ministerium diese dann per Erlass wieder ein.

Der Bundesfinanzhof hat aber keine prinzipiellen Einwände, dass kriselnden Firmen die Ertragsteuern auf Sanierungsgewinne erlassen werden – nur eben nicht pauschal, sondern auf Basis einer Einzelfallprüfung. „Härten in der Besteuerung, die der Gesetzgeber sehenden Auges im Blick hatte, führen nicht dazu, dass eine Steuer aus Billigkeitsgründen erlassen werden kann“, sagte Mellinghoff.

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