Bundeskanzler Warum nicht mal ein Türke?

Einen Europaabgeordneten hat sie schon, jetzt stellt „Die Partei“ auch einen Kanzlerkandidaten auf. Den Kabarettisten Serdar Somuncu. Nur Gaga oder doch ernste Politik? Ein Ortstermin.

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Serdar Somuncu ist Kabarettist und Buchautor. Quelle: Laif

Der Titel passt ja. "H2-Universe - Die Machtergreifung" hat Serdar Somuncu den Film über seine vergangene Kabarett-Tour genannt, der an diesem Abend ein einem Kölner Kino vorgestellt wird. Und die Machtergreifung, die verkündet Somuncu an diesem Abend auch als seinen Plan für das kommende Jahr. Denn Somuncu hat sich mit dem Europaabgeordnete und Ex-Titanic-Chefredakteur Martin Sonneborn zusammengetan, der für „Die Partei“ schon seit einiger Zeit in Brüssel unterwegs ist, und gemeinsam hat man die Kanzlerkandidatur Somuncus bei der Bundestagswahl ausgeheckt. „Warum nicht mal ein Türke?“, fragt das dazugehörige Wahlplakat.

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Ja, warum nicht mal ein Türke? Somuncu jedenfalls wäre nicht Somuncu, wenn das Vorhaben nicht durch klare Ziele abgesteckt wäre. Er rechne mit „33 bis 45 Prozent der Stimmen“, sagte Somuncu, der mal mit einer Lesereise zu „Mein Kampf“ bekannt wurde, heute als Satiriker in der „heute show“ des ZDFs und einer eigenen ntv-Sendung ein Millionenpublikum erreicht und auch WirtschaftsWoche-Autor ist. Sein Parteivorsitzender Sonneborn freilich ist noch optimistischer: „100 Prozent plus x“, sieht er als Wahlziel – und gibt damit den Ton für diesen Wahlkampf vor. Guten Chancen gesteht er seinem Kandidaten besonders aufgrund seines Aussehens zu. „Er sieht besser aus als Merkel", sagte Sonneborn nach Ende der Filmvorstellung. Zudem freute er sich auf neue Akzente im Bundestag durch Somuncu.

Ist das noch Satire oder schon Politik? Daran scheiden sich schon seit Sonneborns Zugehörigkeit zum Europaparlament die Geister. Während vor allem Berufspolitiker in der Parlamentsmitgliedschaft des Satirikers eine Verballhornung der Politik sehen, klicken hunderttausende Sonneborns kleine Filmchen über die Absurditäten von Europas Politik – Menschen, die sich sonst nie für Europapolitik erwärmen. Auch Somuncu hatte in seiner „Antrittsrede“ in der WirtschaftsWoche nicht nur witziges zu verkünden: „Ich beschließe, es gibt kein Deutschland mehr, das so ist wie vor 100 Jahren. Es gibt nur ein Deutschland der Vielfalt und der Toleranz“, schreibt Somuncu da. „Deutschland gehört auch nicht den Idioten auf der Straße, die behaupten, sie seien das Volk. Mein Deutschland, das ist eine gemeinsame Auffassung von Solidarität und Zusammenhalt.“


Dass er dennoch eher nicht zu staatstragend daher kommt, darauf gab der Abend in Köln schon einen Vorgeschmack. Etwa wenn Somuncu erklärte, „zwei bis zwanzig Hitler-Zitate" aus "Mein Kampf" in den Wahlkampf einzubauen, dann überbietet die „Partei“ sicher noch das Krawallpotenial so manch anderer Formation.
Schon nächsten Montag kann der ambitionierte Spitzenkandidat seinen etwas anderen Wahlkampf in der ARD-Sendung "Hart aber fair" präsentieren. Unter den Gegenspielern befinden sich unter anderem Edmund Stoiber und Alice Schwarzer.

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