Bundeskanzlerin Ursula von der Leyen? Die Meisterin im Umarmen

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Von der Super-Mutti zu Waffen-Ursula

Doch die Inszenierung von Politik und Person, die als Familienministerin und dann als Arbeitsministerin erfolgreich ist, stößt nun im Verteidigungsministerium an ihre Grenzen. Wo es um Leben und Tod geht, wirken lockere Auftritte deplatziert. So reist von der Leyen zu Beginn ihrer Zeit im Bendlerblock mit Journalistinnen bunter Blätter ans Horn von Afrika, Geschichten über Soldatinnen sind erwünscht.

Zeitgleich werden in der Ostukraine vier deutsche Soldaten entführt. Während sie Nichtiges inszeniert, passiert andernorts Wichtiges. Vielleicht fällt es den Deutschen auch schwer, von der Super-Mutti zur Waffen-Ursula umzuschwenken.

Ihre Umfragewerte fallen in diesem Amt nach unten. Von der Leyen kann nicht mehr einfach vorpreschen, ihr Publikum zerfällt in drei Gruppen und was in den Ohren der einen gut ankommt, lässt andere aufjaulen: Das breite Publikum braucht einfache Botschaften und will trotz Krisen nicht mehr Geld für sein Militär aufwenden. Die Angehörigen der Bundeswehr wollen zeitgemäßeres Gerät und mehr Anerkennung – auch finanziell. Verbündete Regierungen erwarten, dass Deutschland international mehr Verantwortung trägt.

Fallschirmspringen bei der Bundeswehr

Doch von der Leyen hat umgesteuert. Sie geht nicht mehr in Unterhaltungsshows. Bei einem Bundeswehrbesuch springt sie zwar mit dem Fallschirm ab, doch nur noch die Information darüber, nicht mehr die Bilder, finden den Weg in die Medien. Sie erneuert den Kreis ihrer Vertrauten. Die wichtigste Personalentscheidung fürs Ministerium wie fürs eigene Fortkommen ist dabei Katrin Suder.

An der ehemaligen Unternehmensberaterin und promovierten Physikerin hängt nun ihr Schicksal als Politikerin. Die ehemalige McKinsey-Frau soll das Rüstungschaos und die übergroße Bürokratie bei der Bundeswehr in den Griff bekommen – einer Unternehmung, die 7000 Verträge im Jahr schließt, für Forschung und Entwicklung etwa soviel ausgibt wie ein mittlerer Pharmakonzern und doppelt soviel investiert wie die Deutsche Bahn. Weil die Bundeswehr streng hierarchisch tickt, herrscht oft „organisierte Verantwortungslosigkeit“ - jeder erledigt pflichtbewusst seine Aufgaben, den Überblick hält keiner.

Dausend und Niejahr nennen Staatssekretärin Suder die „ungenormte Frau“ und „eine Provokation“ im so hierarchischen Ministerium. Suder ist nicht nur homosexuell und hat zwei Kinder, was in der Führungsriege der Militärs so bisher nicht vorkam. Sie soll fast alles umkrempeln. Sie ist von der Leyens Botschaft: „Ich greife hier durch.“ Schafft die Staatssekretärin einigermaßen Ordnung, gilt von der Leyen als kanzlerinnentauglich. Klappt das nicht, reiht sich die Chefin im Bendlerblock in die Reihe der Bundesverteidigungsminister ein, die hoffnungsvoll starteten und geschrumpft endeten.

Wenn es von der Leyen ganz geschickt anstelle im Militärressort, ziehe sie einmal mehr das Prinzip Schulhof durch, so die Autoren. Dann präsentiere sie sich wie der kleine Schuljunge, der sich gezielt mit Größeren und Stärkeren anlege. Verliert er, bleibe immerhin die Anerkennung für solchen Mut, schlage er sich wider Erwarten erfolgreich, könne ihm keiner mehr was.

Nicht ganz so gut lief es für Vorgänger Thomas de Maizière, dem verworrene Rüstungsaufträge und sein Krisenmanagement fast zum Verhängnis wurden. De Maizière gilt zwar immer noch irgendwie als Kanzleranwärter in der CDU, sollte Angela Merkel unvorhergesehen ein Unheil treffen. Doch in einem Wahlkampf würde die Albrecht-Tochter aus Niedersachsen die bessere Figur machen. Dausend und Niejahr sind sicher, dass von der Leyen gerne Kanzlerin wäre, trotz aller Dementis. So schlecht scheint den beiden Autoren die Vorstellung nicht: „Von der Leyen ist nicht laut, aber sie wagt immer wieder etwas und sie eckt an.“ Das sei in einer sehr auf Konsens getrimmten Gesellschaft „kein schlechtes Gegengift“.

Vorgeprescht ist Ursula schon als Kind. Ihre Brüder beschreiben sie als robust – und auf die klassische Mädchenrolle hatte sie beim Spielen ohnehin keine Lust. Immer wollte sie den Indianerhelden Winnetou spielen, nie die Squaw Nscho-tschi.

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