Bundesparteitag in Bremen Piraten kämpfen ums politische Überleben

Wer spricht noch von den Piraten? Nach dem steilen Aufstieg folgte der tiefe Fall. Doch die Partei gibt sich nicht auf. In Bremen soll am Wochenende der Neuanfang gelingen.

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Der scheidende Landeschef der bayerischen Piraten, Stefan Körner, will Bundesvorsitzender der Partei werden. Quelle: dpa

Berlin Die Piraten hatten hochfliegende Pläne, sie träumten vom Bundestag und manche schon von einem Stück Macht in Deutschland. Doch der Absturz war tief. Ein Wahlergebnis von 2,2 Prozent - der Rückfall in die Bedeutungslosigkeit. Konsequent haben danach Parteichef Bernd Schlömer und fast alle Vorstandsmitglieder ihren Abschied angekündigt. An diesem Wochenende in Bremen soll eine neue Führungsmannschaft gewählt werden. Aber um es besser zu machen, müssten die Neuen die chaotischen Strukturen der Piratenpartei umkrempeln. Ob da die Basis mitmacht, ist die große Frage.

Bisher haben etwa 40 Mitglieder im Internet ihre Kandidatur für einen Vorstandsposten angemeldet, darunter übrigens auch ein anonymer „Incognitas“. Der Ausgang der Wahl ist ungewiss, der Ablauf eines Piraten-Parteitags chronisch unvorhersehbar. Und die Stimmung ist schlecht. „Natürlich ist viel Frust dabei. Wir haben mit viel Dummheit wahnsinnig viel kaputt gemacht“, sagt der bisherige Vize-Parteichef Sebastian Nerz. Gemeint sind vor allem die parteiinternen Streitigkeiten.

Prominentester Bewerber um den Vorsitz in Bremen ist der bayerische Landeschef Stefan Körner (45), aber er steht sehr exponiert für den liberalen, manche sagen: rechten Flügel der Partei. „Ich bin jemand, der polarisiert“, sagt Körner. Bei linken und libertären Piraten gilt der freiberufliche Software-Entwickler als bürgerlich und konservativ.

Seine Hauptforderung: „Die Piraten müssen aufhören zu streiten.“ Körner besetzt durchaus klassische Positionen in der Partei: gegen den Überwachungsstaat, für Datenschutz, für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Dass Union und SPD in ihrer Koalitionsvereinbarung zur Innenpolitik vor allem auf einen starken Staat setzen und die umstrittene Vorratsdatenspeicherung umsetzen wollen, gibt den Piraten insgesamt Rückenwind.


Für einen hauptamtlichen Vorstand fehlt das Geld

Die Kandidatur Körners wird von bisherigen und ehemaligen Vorstandsmitgliedern unterstützt, etwa von Nerz und Matthias Schrade. Als einigermaßen aussichtsreiche Gegenkandidaten gelten die Berlinerin Christiane Schinkel und Thorsten Wirth aus Hessen. Und immer wieder fällt der Name Marina Weisband. Aber die frühere Geschäftsführerin, bis heute Star und Seele der Partei, hat eine Kandidatur bisher abgelehnt - sie könne sich das auch finanziell gar nicht leisten.

Vielleicht noch mehr als um Personen geht es auf dem Parteitag in Bremen darum, ob den Piraten eine Professionalisierung ihrer Arbeit gelingt. Einen hauptamtlichen Vorstand halten viele für notwendig, aber dafür fehlt das Geld. Von den noch 30 000 Mitgliedern zahlt nur etwa ein Drittel regelmäßig Beiträge.

Doch der Vorstand arbeitet bisher nicht nur ehrenamtlich, sondern auch ohne jede Entscheidungskompetenz. Nach den basisdemokratischen Prinzipien der Partei sollen die Mitglieder die Richtung vorgeben. Ihre Entscheidungen im Internet sind allerdings unverbindlich. Das Dilemma ist offensichtlich: Die Basis kann keine Entscheidungen treffen. Und der Vorstand darf es nicht, weil er nur verwalten soll.

Die Hoffnungen der Partei richten sich jetzt auf die Europawahl im kommenden Mai. Um in das EU-Parlament einzuziehen, brauchen die Piraten drei Prozent der Stimmen. Klingt machbar. Nach den Enttäuschungen in diesem Jahr sei dies „die erste Chance, ein Erfolgserlebnis zu kriegen“, sagt Klaus Peukert. Das bisherige Vorstandsmitglied will auch nicht wieder kandidieren. Er beschreibt seine Erfahrung so: „Es wird nie eine Entscheidung geben, mit der alle glücklich sind. Von irgendwem kriege ich immer auf die Fresse.“

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