Bundespräsident Gauck zu Besuch in Kolumbien und Brasilien

Bundespräsident Gauck reist am Mittwoch nach Kolumbien und Brasilien. Bestimmendes Thema seiner ersten Station ist der Friedensprozess. In Brasilien steht dann Wirtschaft im Vordergrund.

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Bundespräsident Joachim Gauck: Zu Besuch in Kolumbien und Brasilien. Quelle: dpa

Berlin/Rio de Janeiro Bundespräsident Joachim Gauck kann seinen kolumbianischen Gesprächspartnern bei seinem Besuch sicherlich den einen oder anderen Rat geben für die Aussöhnung zwischen Staat und Farc-Rebellen. Kolumbien hat die historische Chance, einen nachhaltigen Friedensprozess erfolgreich abzuschließen. Nach 50 Jahren blutigen Konflikts sind mehr oder weniger alle Seiten kriegsmüde. Die Bilanz: 200.000 Opfer der Gewalt zwischen Regierungseinheiten, Farc-Guerilla und auch Drogenbossen sowie vier Millionen Binnenflüchtlinge.

Der frühere Chef der Stasi-Unterlagenbehörde hat Erfahrung mit gesellschaftlichen Integrationsprozessen und will das Thema während seines Besuchs bei mehreren Gelegenheiten ansprechen. Deutschland sieht sich in dem Prozess grundsätzlich als Ansprechpartner für Kolumbien als Ganzes. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit dem südamerikanischen Land ist entsprechend auf den Friedensprozess ausgerichtet. Gauck will mit einem Abstecher in die Drogenhochburg Medellin wohl auch in dieser Hinsicht ein Zeichen setzen.

Die Menschenrechtslage in dem Land kann keineswegs als entspannt bezeichnet werden. Doch die Regierung von Juan Manuel Santos sei auf dem richtigen Weg, hieß es im Präsidialamt. Die Aussöhnung der kolumbianischen Gesellschaft ist Voraussetzung für wirtschaftliche Prosperität. Die Bundesregierung hat Kolumbien in die Reihe neuer Zielmärkte aufgenommen. Deutschland ist in Europa wichtigster Handelspartner und kommt weltweit hinter den USA, China und Mexiko an vierter Stelle. Doch es ist auch hier noch viel zu tun.

In Brasilien steht dann von Sonntag an die Wirtschaft im Mittelpunkt. In São Paulo markiert Gaucks Besuch den Start fürs Deutschland-Jahr in Brasilien, für das im Mai 2011 noch Vorgänger Christian Wulff mit Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff die Schirmherrschaft übernahm.

Bundeskanzlerin Angela Merkel war in ihrer Amtszeit nur einmal - 2008 - in Brasilien. Eine Teilnahme am Rio+20-Gipfel hatte sie 2012 abgesagt, was die Brasilianer damals etwas verschnupft zur Kenntnis nahmen. Die deutsche Wirtschaft würde sich einen weiteren Besuch der Kanzlerin wünschen, denn Brasilien ist Deutschlands stärkster Wirtschaftspartner in Lateinamerika.


Gauck als Türöffner

Bis dahin muss Gauck als Türöffner dienen. Er hat nun erstmals eine große Wirtschaftsdelegation mit an Bord, darunter Spezialisten für Umwelt- und Medizintechnik, für Maschinenbau, Luftfahrt und Logistik sowie aus der Bauindustrie und aus der Architektenbranche. Geschäfte verspricht sich die deutsche Wirtschaft zur Zeit vor allem bei den noch ausstehenden Infrastrukturprojekten zur Fußball-WM 2014 und den Olympischen Spielen 2016 in Rio sowie beim Ausbau der Container-Häfen des Landes.

Allein im Großraum São Paulo sind etwa 800 deutsche Firmen aktiv. Die Mega-City gilt als größte deutsche Industrieansammlung außerhalb Deutschlands. Allerdings ist der „Grüne Gigant“ etwas ins Schwächeln geraten. Das Wirtschaftswachstum verlangsamte sich 2012 deutlich auf 0,9 Prozent, die Inflationsrate war mit über 5,8 Prozent dagegen hoch und dürfte wohl auch 2013 etwa in dieser Größenordnung liegen.

In Rio de Janeiro beendet Gauck seine erste Südamerika-Reise, in der „Cidade Maravilhosa“, der „Wunderbaren Stadt“. Am Zuckerhut besucht er die „Vorzeige-Favela“ Dona Marta. Dona Marta war die erste Armensiedlung, die 2008 eine feste Wache der „Friedensschaffenden Polizeieinheit“ (UPP) erhielt. Für den evangelischen Pfarrer Gauck gibt es in Rio eine weitere Pflichtstation: Ein Besuch des monumentalen Cristo Redentor auf dem Corcovado-Berg.

Zudem trifft er Vertreter der seit einem Jahr tätigen Nationalen Wahrheitskommission, die Verbrechen während der Militärdiktatur des Landes (1964-1985) durchleuchtet. Auch in dieser Kommission dürfte sein Rat als ehemaliger Beauftragter für die Stasi-Unterlagen gefragt sein.

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