Bundespräsidentenwahl Joachim Gauck - der Anti-Wulff

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Der eitle Gauck

Die deutschen Bundespräsidenten
Joachim Gauck (seit 2012)Der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck wurde am 18. März 2012 mit einer überwältigenden Mehrheit von 80 Prozent zum Bundespräsidenten gewählt. Er übernahm das Amt von seinem Vorgänger Christian Wulff, der nach nur 20 Monaten im Amt zurücktrat. Gauck, Jahrgang 1940, gehört keiner Partei an. Der Theologe und frühere Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde gilt als integer und redlich. Er ist der erste Ostdeutsche, der das höchste Staatsamt der Bundesrepublik bekleidet. Als wichtigste Aufgabe seiner Amtszeit verkündete Gauck in seiner Rede nach der Wahl, Regierung und Bevölkerung wieder näher zueinander bringen zu wollen. Im Februar 2017 wird er im Amt abgelöst. Quelle: dpa
Christian Wulff Quelle: dapd
Host Köhler Quelle: dpa
Johannes Rau Quelle: AP
Roman Herzog Quelle: AP
Richard von Weizsäcker Quelle: BPA
Karls Carstens Quelle: BPA

Mit der gemeinsamen Auswahl haben die Bundestagsparteien – bis auf die ignorierte Linkspartei – ein positives Zeichen gesetzt. Für seine Unterstützer aus fast allen politischen Lagern wird Gauck dennoch ein Problem werden. Vielen wird bald die pastorale Art auf die Nerven gehen, zumal Gauck nicht uneitel ist (aber wer ist das schon). Vielleicht wird auch noch einmal genauer geschaut, ob wirklich so viele ehemalige Stasi-Leute in der damaligen "Gauck-Behörde" eingestellt werden mussten. Inhaltlich, das zeigten schon seine Debattenbeiträge während der letzten Kandidatur, steht er der FDP näher als SPD und Grünen, weil er „Freiheit“ viel grundlegender versteht als sie gemeinhin von allen Politikern dahergesagt wird. Zwar nahm der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel Gaucks „pathetisch anmutende Reden zur Freiheit“ in Schutz, aber viele seiner Parteifreunde werden die jetzige Begeisterung noch bereuen. Zumal schon 2010 nie ganz geklärt wurde, ob der Name Gauck im Büro des SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier ausgeknobelt wurde, oder ob die Grünen den ostdeutschen Bewerber ihren Verbündeten in der Opposition untergejubelt haben.

Dass die Linke auch diesmal nicht im Konzert der übrigen Parteien mitspielen durfte, mögen manche für undemokratisch halten. Für den Konsenskandidaten Gauck wäre die Ex-PDS-Ex-SED wohl ohnehin nicht zu gewinnen gewesen. Beim vorigen Anlauf schlugen dem Bürgerrechtler und ersten Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde jedenfalls Ablehnung und teilweise Hass vom Flügel der ewiggestrigen DDR-Verklärer in der Linkspartei entgegen.

Merkel hätte es eleganter haben können

Vor allem für CDU/CSU und FDP ist die Sache noch mal gut gegangen. Übers Wochenende sah es so aus, als würde die schwarz-gelbe Koalition den angestrebten überparteilichen Konsens bei der Suche nach dem nächsten Bundespräsidenten verspielen. Denn statt sich offen und zügig mit SPD und Grünen zu verständigen, feilschte sie erstmal intern über die richtige Wahl. Am Sonntagnachmittag wurde es dann turbulent, und bei den ersten Beratungen in voller Besetzung genügten dann 30 Minuten, bis sich die Parteivorsitzenden einig waren. Der Grund war einfach: Die Koalition akzeptierte den früheren DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck, der vor 21 Monaten dem eigenen Kandidaten Christian Wulff unterlegen war.

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