Bundesrechungshof Deutsche Behörden verjubeln etliche Millionen

Unsinnige Luftkissenboote, eine eigene Nasenspray-Produktion der Bundeswehr oder zu lasche Steuerprüfung: Die Behörden verschleudern Millionensummen. Der Rechnungshof fordert von Schwarz-Gelb nun mehr Sparanstrengungen.

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Der Rechnungshof präsentierte unzählige Beispiele, wie staatliche Stellen Millionensummen verschwenden. Quelle: dpa

Berlin Deutschland könnte nach Einschätzung des Bundesrechnungshofs im Kampf gegen wachsende Schuldenberge viel weiter sein, wenn man konsequent gegen unsinnige und teure Behördenentscheidungen vorgehen würde. "Alles in allem bergen unsere Vorschläge ein beträchtliches Einsparpotenzial", sagte der Präsident des Bundesrechnungshofes, Dieter Engels, am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung des Jahresberichtes. Allein in der Steuerverwaltung könnten durch effektivere Kontrollen und Fehlerbeseitigung dreistellige Millionensummen gespart beziehungsweise zusätzlich eingenommen werden.

Durch den Verzicht auf unsinnige Projekte, strengere Steuerprüfungen und weniger nachlässige Kontrollen bei der Verwendung von Mitteln in den Ländern seien Einnahmen von bis zu 1,5 Milliarden Euro möglich. Insgesamt seien die Einsparmöglichkeiten unabhängig von den aktuellen Empfehlungen um das Sechs- bis Siebenfache höher.

Engels präsentierte etliche Beispiele, wie staatliche Stellen Millionensummen verschwendeten oder unnütz investierten. "Wir gehen dabei vom Begriff der Wirtschaftlichkeit aus", beschrieb Engels den Ansatz des Bundesrechnungshofes. Das heiße, es gehe nicht um die billigsten Lösungen, sondern um ein optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis. Prüfe man Behördenverhalten, sehe man, dass es damit nicht zum Besten bestellt sei.

Als eines dieser Beispiele führte Engels die Produktion von Sonnencreme, Lippenschutzstiften, Hustentropfen und Nasensprays durch die Bundeswehr an. Mit den Eigenprodukten, deren Produktion Millionensummen verschlingt, sollen Soldaten versorgt werden. Dabei könnten solche Medikamente auch im Handel gekauft werden. Allein für den Neubau einer Produktionsstätte bei der Bundeswehr wurden laut Rechnungshof 20 Millionen Euro investiert. Dabei wurde auch weit über den Eigenbedarf hinaus produziert: Nur zehn Prozent der Produkte wurden für Bundeswehreinsätze in Afghanistan und im Kosovo benötigt.

Der Rechnungshof kritisierte auch den Kauf eines Luftkissenfahrzeugs der Bundeswehr, der seit zwölf Jahren betrieben wird - Kostenpunkt: 20 Millionen Euro. Bis heute sei es nicht gelungen, solche funktionsfähigen Boote zu beschaffen.


Weniger Steuerprüfungen - weniger Einnahmen

Der Bau des Umweltbundesamtes in Dessau im Jahre 2005 führte laut Rechnungshof gleichfalls zu höheren Kosten. Die Betriebskosten des ökologischen Vorzeigeprojektes lagen um rund 50 Prozent höher als bei herkömmlichen Verwaltungsbauten.

Auch mahnen die Rechnungsprüfer eine konsequentere Steuerprüfung an. Hier seien zusammen mit einem besseren Umgang mit IT-Technik beim Fiskus Mehreinnahmen im „dreistelligen Millionenbereich“ möglich. Die Lohnsteuer-Außenprüfungen etwa seien rückläufig. Zwischen 2005 und 2010 seien die Einnahmen von 911 auf 787 Millionen Euro gesunken.

Auch gebe es zwischen den Ländern erhebliche Unterschiede, was den Anteil der geprüften Firmen und die Steuermehreinnahmen je Kontrolle betreffe. „Wir wissen ziemlich genau, wer seine Prüferzahlen gerne zurückdreht“, sagte Engels. Aber er wolle kein Land an den Pranger stellen. Dies gefährde die Erfolge. Hintergrund ist, dass gerade „reiche“ Länder wegen der Abführungen an den Länderfinanzausgleich kein Interesse an zusätzlichen Einnahmen und Prüfern haben.

Äußerst fehleranfällig sind dem Rechnungshof zufolge auch Behördenentscheidungen zu Wohngeld, Elterngeld, Bafög und anderen Unterhaltsleistungen. Dadurch gebe der Bund zu viel Geld aus. Bei mehr als einem Drittel der geprüften Bescheide stieß der Rechnungshof auf teils gravierende Mängel. 

Den von Schwarz-Gelb angestrebten schnelleren Schuldenabbau stützen die Rechnungsprüfer. „Für die Rückführung stehen die Chancen derzeit noch gut“, sagte Engels. Die derzeit noch günstigen Bedingungen sollten aber genutzt werden, um den Defizitabbau stärker voranzutreiben. Dafür gebe es vielfältige Ansätze. „Wir sind der Meinung, dass durchaus die Neuverschuldung hätte auch in diesem Jahr schon ein Stück mehr zurückgefahren werden können“, sagte Engels.


„Schwarze Null“ wäre 2014 möglich gewesen

Die für 2013 geplante Kreditaufnahme der Koalition von 17,1 Milliarden Euro wolle man nicht allzu sehr kritisieren: „Wir hätten es aber schöner gefunden angesichts (...) der Möglichkeiten, auch wirklich zu sparen, wenn die Neuverschuldung schon im nächsten Jahr deutlich reduziert worden wäre.“ So wäre mindestens eine „schwarze Null“ 2014 möglich gewesen.

Die aktuellen Pläne zur Rückführung der Neuverschuldung setzen laut Engels voraus, dass die Konjunktur stabil bleibt, die Steuereinnahmen weiter steigen, die Arbeitslosigkeit sinkt und die Zinsen nicht anziehen. Sollten sich diese Annahmen nicht erfüllen, wären die Pläne gefährdet. Weitere Risiken resultierten aus den Maßnahmen zur Stabilisierung des Euro. Zudem seien die Beschlüsse der Regierungskoalition noch nicht gänzlich finanziert. Den Inhalt der Koalitionsbeschlüsse wollte Engels nicht kommentieren.

Union und FDP wollen 2013 - drei Jahre früher - die Vorgaben der Schuldenbremse einhalten. 2014 soll zumindest ein strukturell ausgeglichener Bundesetat vorliegen. Das tatsächliche Budgetdefizit soll 2016 auf null reduziert werden. Dann will der Bund erstmals seit mehr als vier Jahrzehnten ohne neue Schulden auskommen. Beim Strukturdefizit werden Einmal- und Konjunktureffekte ausgeklammert. Neue Schulden fallen auch beim strukturell ausgeglichenen Etat an.

Die Koalition sollte das 2010 beschlossene Milliarden-Sparpaket umsetzen. Dies betreffe etwa Einnahmen aus einer Finanzsteuer sowie Einsparungen im Verteidigungsetat. Bei jedem Haushaltstitel sollte zudem untersucht werden, ob Zweck und Umfang einer kritischen Prüfung standhalten. Der Rechnungshof macht eine Reihe von Vorschlägen. So sollten unsinnige Projekte eingestellt oder überdacht werden. Dies betreffe etwa die erfolglose Suche nach einem Luftkissenboot oder die eigene Medikamenten- und Kosmetika-Produktion der Bundeswehr.


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