Wo also bleibt da noch Platz für liberales Denken, für marktwirtschaftliche Überzeugungen? Meinungsforscher Schöppner ist ganz optimistisch. "Die Union macht doch den wirtschaftsliberalen Flügel jetzt frei", fasst er Wahlprogramm und anstehende Koalitionsverhandlungen zusammen. Da könne es schnell wieder eine Gegenbewegung geben, auch weil die FDP "jetzt so kleingemacht worden ist". Dazu müsse sie aber eine klare Position beziehen und diese stilvoll, konsequent und positiv-sympathisch überbringen. In der Vergangenheit habe sie dagegen mit "dem falschen Auftreten der falschen Leute" bürgerliche Wähler verschreckt: zu laut, zu triumphierend, und nach der Hotelsteuer-Entscheidung mit "dem Nepotismus-Image: Die Reichen helfen den Reichen."
Allerdings müsste die bisherige Partei des politischen Liberalismus erst einmal wissen, welche Haltung sie nun einnehmen soll. Was muss sich ändern (jenseits eines personellen Neuanfangs)? Wie viel konsequente Marktwirtschaft soll es sein? Der Streit darüber begann noch in der gemeinsamen Sitzung von Bundesvorstand und aufzulösender Fraktion. Der in der FDP nach wie vor stark umstrittene Euro-Kritiker Frank Schäffler, nun Ex-MdB, der den parteiinternen Mitgliederentscheid angezettelt hatte, mahnte – mal wieder – eine Abkehr vom Euro-Rettungskurs an: "Wir haben der Partei ein Angebot gemacht, dem sie nun sukzessive folgen sollte." Doch wie immer erntete er Widerspruch und den Vorschlag, die Redezeit zu begrenzen.
Zu einer entschieden marktwirtschaftlich, gar radikal ordnungspolitischen Position wird sich die FDP auf der Suche nach medialer und allgemeiner Zuneigung kaum durchringen. Zwar organisieren sich die Anhänger der libertären Strömungen inzwischen stärker, nachdem die Gründung einer "Libertären Plattform" in der FDP, bei der sich auch Schäffler engagierte, eher vor sich hindümpelte. Aber es ist mehr eine ordoliberale Graswurzel-Revolution, wenn sich die Mitglieder und Anhänger der Hayek- oder der Mises-Gesellschaft vermehrt zu Ökonomen-Stammtischen treffen.
Klar ist aber auch: Libertäre Strömungen hatten bisher schon in der FDP keine Chance und werden auch künftig ein Randprogramm bleiben. Schon weil ihre Haltungen der breiten Wählerschaft noch weniger näherzubringen wären als das sozialverträglich abgeschliffene Programm eines mitfühlenden Christian-Lindner-Liberalismus.
Eine moderatere, aber gleichwohl konsequent marktwirtschaftliche Position vertreten die sächsischen Liberalen um den Bundesvize Holger Zastrow und Jan Mücke, bislang Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. Die blau-gelben Sachsen wettern seit Langem gegen den ungezügelten Ausbau der erneuerbaren Energien und den Subventionswahn. Die zaudernde Haltung des Wirtschaftsministers und Parteivorsitzenden Philipp Rösler ärgerte sie kolossal. Mücke sagt: "Wir müssen uns klar an Wettbewerb und Marktwirtschaft orientieren." Und weist auf die Widersprüche der Vergangenheit hin: "Wie kann man zu Recht gegen die Opel-Rettung sein, aber dann für die Griechenland-Rettung?"