Bundestag-Untersuchungsausschuss "Milliardenschwerer Raubzug der Cum-Ex-Mafia"

Ein Jahr hat sich der Untersuchungsausschuss des Bundestags mit der Aufklärung der umstrittenen Cum-Ex-Aktien-Geschäfte auseinandergesetzt. Doch auf einen abschließenden Bericht konnten sich die Parteien nicht einigen.

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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) musste im Februar als Zeuge im Bundestags-Untersuchungsausschuss zu den Aktiengeschäften

Bei der Aufarbeitung umstrittener „Cum-Ex“-Aktiengeschäfte zulasten der Staatskassen haben sich Koalition und Opposition nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verständigen können. Nach etwa einjähriger Arbeit des Bundestags-Untersuchungsausschusses sind sich Union, SPD sowie Grüne und Linke zumindest in dem Punkt einig, dass es sich bei den „Cum-Ex“-Geschäften um illegale Transaktionen gehandelt habe. Bei den Schlussfolgerungen gehen die Meinungen jedoch auseinander, so dass sich die Parteien auf keinen gemeinsamen Bericht verständigen konnten. So sieht die Koalition - im Gegensatz zu Linken und Grünen - kein Versagen der Finanzverwaltung.

Der Grünen-Politiker Gerhard Schick warf Union und SPD am Dienstag vor, „alles klein zu kochen und den Schaden so niedrig wie möglich zu halten“. Aus Sicht des Linken-Experten Richard Pitterle redet die Koalition das Versagen der Finanzverwaltung schön. Die umstrittenen Geschäfte fallen auch in die Amtszeit von Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und seines Nachfolgers Wolfgang Schäuble (CDU).

Der Untersuchungsausschuss hat beleuchtet, wie es zu den 2012 gestoppten „Cum-Ex“-Aktiengeschäften kam. Bei solchen Transaktionen hatte der Fiskus über Jahre hinweg Anlegern die nur einmal abgeführte Kapitalertragsteuer mehrfach erstattet. Geklärt werden sollte, ob und wenn ja, rechtzeitig - geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen wurden, und ob diese ausreichten. Schätzungen über den möglichen Gesamtschaden reichen von etwa zehn und zwölf Milliarden bis zu 32 Milliarden Euro.

Schneller schlau: Cum-ex-Geschäfte

Das Bundesfinanzministerium stufte die Transaktionen als rechtswidrig ein. Auch Koalition und Opposition sprechen von illegalen Geschäften, einige Experten hatten dies in der Vergangenheit bezweifelt. Ein höchstrichterliches Urteil steht aus, etliche Verfahren und Ermittlungen dauern noch an.

Nach Darstellung der Koalition sieht der Ausschuss seine Auffassung bestätigt, dass die Geschäfte rechtswidrig gewesen seien: „Das deutsche Steuerrecht bot in den Jahren 1999 bis 2012 zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit, eine einmal einbehaltene Kapitalertragsteuer in rechtmäßiger Weise mehrfach anrechnen bzw. erstatten zu lassen“, heißt es: „Eine Gesetzeslücke hat insoweit nicht bestanden.“

Aus Sicht von SPD-Experte Andreas Schwarz war der „objektive Straftatbestand der Steuerhinterziehung“ erfüllt. Der Ausschuss habe vor allem das kriminelle Netzwerk von Banken, Investoren und Beratern offengelegt. Diese hätten bewusst darauf verzichtet, die Zulässigkeit vorab mit den Finanzbehörden zu klären: „Stattdessen ließen sie sich die vermeintliche Rechtmäßigkeit der Geschäfte intern von Beratern oder Wissenschaftlern gutachterlich bestätigen.“ Schwarz betonte: „Größeren politischen Handlungsbedarf im Bund haben wir (...) nicht erkennen können.“

Pitterle sagte, die Ermittlungen hätten eindeutig ergeben, dass der Finanzverwaltung katastrophale Fehler unterlaufen seien, „die den milliardenschweren Raubzug der Cum-Ex-Mafia überhaupt erst ermöglicht haben“. Die Behauptung von CDU/CSU und SPD, die Finanzverwaltung habe keine Fehler gemacht, sei „fast schon bemitleidenswerter Versuch, die verantwortlichen Finanzminister Steinbrück und Schäuble aus der Schusslinie zu bringen“. 

Schick sprach vom größten Steuerskandal, den es je gegeben hat. Der Gesamtschaden werde auf 10 Milliarden Euro aus der Zeit von 2005 bis 2011 geschätzt. Dieser Betrag sei eine „fundierte Schätzung“ und basiere auch auf Handelszahlen des Börsendienstleisters Clearstream. Hinzu kämen Ausfälle durch ähnlich gelagerte „Cum-Cum“-Geschäfte, die erst 2016 gestoppt wurden. Ein möglicher Gesamtschaden von 32 Milliarden ist aus Sicht von Schick daher eine durchaus realistische Zahl. Aus Sicht der SPD ist der Schaden schwer zu ermitteln. Berücksichtigt werden müssten auch Rückzahlungen sowie Strafgelder.

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