Bundestagswahl 2017 Was denn nun, liebe SPD?

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In Wirtschaftsfragen fiel Schulz bislang kaum auf

In der Tat, Schulz hat viele Meriten. Er kann einen Saal begeistern, die sozialdemokratische Seele wärmen. Als Präsident hat er das EU-Parlament auf Weltniveau gehoben und sich gleich mit. Wer in diesen Tagen mit Christdemokraten spricht, welcher SPD-Kandidat ihnen – und der Kanzlerin – am gefährlichsten werden könnte, hört meist einen Namen: Schulz. Dieser sei jemand, der „mit Menschen kann“, heißt es. Seine ungewöhnliche Lebensgeschichte, vom Alkoholiker zum hochdekorierten Mr. Europa, spreche viele an. Und selbst Schulz’ wenig glamouröse Erscheinung, Typ Erdkundelehrer, vermittele eine Bodenhaftung, die der deutsche Wähler schätze.

Aber ökonomische Themen haben den gelernten Buchhändler aus Würselen bislang kaum interessiert. „Schulz versteht nicht viel von Wirtschaft“, sagt Sven Giegold, Koordinator der Grünen im Wirtschaftsausschuss des Europaparlaments. Der christdemokratische Kollege im Ausschuss, Burkhard Balz, teilt den Eindruck: „Akzente bei wirtschaftspolitischen Themen zu setzen war nicht sein Hauptansatz.“

In relevanten Debatten, etwa zur Regulierung von Autoabgasen oder zur Gentechnik, fiel Schulz noch als Fraktionsvorsitzender kaum auf. Als er 2012 als Präsident des Parlaments übernahm, steckte er immens viel Energie darein, dem Abgeordnetenhaus zu mehr Außenwirkung zu verhelfen. Vertreter aller Fraktionen würdigen dies als sein großes Verdienst. Aber Wirtschaftspolitik blieb Schulz weiter fremd.

Wichtiger war ihm stets etwas anderes: dabei zu sein, wenn die wirklich Mächtigen zusammenkamen, etwa bei den Gipfeln der 28 Staats- und Regierungschefs. Oder als der Präsident des Europäischen Rats mit den Präsidenten von Eurogruppe, der Europäischen Zentralbank und der Kommission einen Bericht zur Zukunft der Euro-Zone vorlegte. Der Parlamentarier-Chef Schulz stand selbst dort als Autor darunter, wenn auch an letzter Stelle.

Der Bericht enthält einiges, was in Berlin bis heute als inakzeptable Brüsseler Vision angesehen wird. Eine gemeinsame Einlagensicherung für die Euro-Zone etwa, die deutschen Sparern kaum zu verkaufen sein wird. Oder einen Stabilisierungsmechanismus für die Euro-Zone, der Schocks abfedern soll. Dies ist ein Beispiel für Fiskalföderalismus, der bei vielen Bundesbürgern – und Wählern – Alarmglocken schrillen lässt. In der eigenen SPD-Fraktion hat Schulz wegen des Berichts großen Ärger bekommen.

Deren Mitglieder wissen genau, wie unbeliebt derlei Themen zu Hause in Deutschland sind. Auch von deutschen Sparkassenchefs hat sich Schulz damals jede Menge wütende Kommentare anhören müssen. Das Papier war ganz und gar nicht in ihrem Sinne.

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