Bundestagswahl 2017 Was denn nun, liebe SPD?

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„Natürlich traut sich Scholz die Kanzlerschaft zu“

Schulz hat in Brüssel ohnehin selten deutsche Interessen vertreten, was zwar durchaus seiner neutral angelegten Rolle als Parlamentspräsident entspricht. Doch zugleich setzte er sich offen für italienische und französische Anliegen ein. „Die Regierungen in Rom und Paris hatten maßgeblich dazu beigetragen, dass er Spitzenkandidat wurde“, sagt der CDU-Abgeordnete Balz.

Vor allem, wenn es darum ging, den Euro-Stabilitätspakt zu schwächen, war auf Schulz Verlass. Er suchte etwa demonstrativ die Nähe zum griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. So forderte er den Griechen öffentlichkeitswirksam auf, sich mit seiner Partei Syriza der sozialdemokratischen Fraktion anzuschließen.

Auch in Sachen Handel gab sich Schulz selten betont unternehmerfreundlich. Zum Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (Ceta) gerierte sich der Sozialdemokrat zwar erst als Vorkämpfer, der darüber länger verhandelte als die Staats- und Regierungschefs. Aber dann folgte er der Vorgabe von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Ceta als gemischtes Abkommen einzustufen – obwohl das EU-Parlament mehrheitlich der Auffassung war, es unterläge allein EU-Kompetenz.

Als gemischtes Abkommen musste der Handelsvertrag aber von den Parlamenten aller Mitgliedstaaten sowie manchen Regionen ratifiziert werden. Der daraus folgende Abstimmungszoff blamierte die EU in aller Welt.

Schulz’ bisherige Ferne von jeder Bundespolitik zeigt sich auch darin, dass selbst Genossen rätseln, welchem Flügel der SPD er sich eigentlich zurechnet. Der Parlamentarischen Linken? Den Netzwerkern der Mitte? Oder dem konservativen Seeheimer Kreis? Letzteres, ist bei den Seeheimern zu hören. Zwar kann Schulz formal gar nicht Mitglied sein, weil er dazu erst Abgeordneter des Bundestages werden müsste. Aber als Genosse im Geiste sieht man ihn dort dennoch. Nur was daraus konkret politisch folgen könnte – bislang völlig unklar.

Ist das bei Olaf Scholz, dem Dritten im Bunde, klarer? Er ist der unwahrscheinlichste SPD-Kanzlerkandidat – was nicht hieße, dass er der Schlechteste wäre. Aber der Hanseat Scholz hat den Charme und Tonfall eines promovierten Krabbenkutterkapitäns. Eine Kombination, die südlich der Elbe nicht jeden anspricht. Zumal Scholz auch noch einen ausgeprägten Sinn für Ironie pflegt, der sich auf offener Bühne selten zu seinem Vorteil auszahlt.

In Hamburg regiert er aber wie ein selbstbewusster Vorstandschef. OWD – „Olaf will das“ – ist im dortigen Senat ein geflügeltes Wort für seinen klaren Führungsanspruch. Und nicht nur da. Beim jahrelangen Ringen um den Bund-Länder-Finanzausgleich organisierte er souverän und wendig die Interessen der Sozialdemokraten.

„Natürlich traut sich Scholz die Kanzlerschaft zu“, sagt ein führender Genosse. Doch könnte er auch Kandidat? Scholz ist ein Verfechter des starken Sozialstaats, aber er steht entschlossen zur Agenda 2010 und den Hartz-Reformen. Rot-Rot-Grün wäre mit ihm deshalb keine Machtoption. Das sozialpolitische Wolkenkuckucksheim vieler Linken ist ihm ein Graus.

Vergangene Woche hielt Scholz in Berlin die Festrede zum 25-jährigen Bestehen des SPD-Managerkreises. Es war ein Loblied auf eine vernunftbegabte, wirtschaftsnahe Sozialdemokratie der Mitte, die sich weder die Globalisierung noch Markt oder Sozialstaat kleinreden und kaputt machen lässt. „Wir können“, sagte Scholz, „die Welt nicht mit Sprüchen verbessern.“ Wer wollte, konnte dies als Bewerbung in eigener Sache verstehen.

Doch wohl eher nicht fürs Kanzleramt. In Hamburg ist Scholz unangefochten, dort könnte er sich 2020 zur Wiederwahl stellen und dann immer noch SPD-Chef oder Kanzlerkandidat werden. Er empfehle seiner Partei angesichts der miesen Umfragewerte „strategische Geduld“, hat er im Mai der WirtschaftsWoche gesagt. Auch das kann man als Memo an sich selbst lesen.

Fragt sich nur: Wie lange sollen die Wähler noch warten, bis sich die SPD entscheidet?

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