CDU-Wahlkampf in Rheinland-Pfalz Über die Helmut-Kohl-Straße in den Bundestag

Bundeskanzlerin Angela Merkel und die rheinland-pfälzische CDU-Landesvorsitzende Julia Klöckner in Ludwigshafen. Quelle: dpa

Geht es nach der CDU, sollen Bürger trotz Lebensmittelskandalen und Hackerangriffen Sicherheit verspüren. Wahlkämpferin und CDU-Vizechefin Julia Klöckner verteilt auf ihrer Tour deshalb Wohlfühl-Botschaften.

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Die Spitzenkandidaten der Parteien zur Bundestagswahl 2017
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Das geht ja gut los. Der Busfahrer weiß, was Sicherheit bedeutet. „Auch im Bus muss sich jeder anschnallen“, tönt er vor Beginn der Rheinland-Pfalz-Tour der stellvertretenden Bundesvorsitzenden der CDU, Julia Klöckner, ins Mikrofon. „Und setzen Sie sich hin statt im Gang zu stehen.“ 

Klöckner, früher Staatssekretärin für Verbraucherschutz im Bund und heutige Oppositionsführerin in Mainz, wird an diesem Tag mit Politikern, Wirtschaftsleuten, Bürgern und Journalisten in der Pfalz herumtouren. Ihre Termine kreisen dabei um Wirtschaft und Sicherheit. So hat sie es angekündigt. Mit dem rheinland-pfälzischen CDU-Spitzenkandidaten für den Bundestag, Patrick Schnieder, hat Klöckner eine Botschaft: Angesichts von Terrorgefahr und wackliger Weltlage will sie kundtun, was alles gut läuft in diesem Land. Der Verunsicherung begegnen und Unternehmer loben - das ist klassisches Unions-Terrain, weiß sie.

Klöckner besucht Obst- und Gemüsebauern in Mutterstadt, die täglich ihre Ware umfangreich auf Schadstoffe und Grenzwerte testen müssen. Und sie geht zum IT-Sicherheitsunternehmen „8com“ in Neustadt an der Weinstraße, das Firmen gegen Hacker hilft.

Klöckner und Schnieder hören zu, versprechen aber wenig. Trotz des Wahlkampfes. Das scheint angesichts der komfortablen wirtschaftlichen Lage zu funktionieren, die Arbeit der Kanzlerin bekommt bei Umfragen gute Noten. Beide bleiben aber ungenau wie der Bundestags-Wahlslogan der CDU für „ein Land, in dem wir gut und gerne leben“.

Erste Station: Bei der Vermarktungsgenossenschaft Pfalzmarkt in Mutterstadt liefern gut 200 Bauern Radieschen, Karotten, Beeren oder Äpfel an. Ihnen gehört auch die Vermarktungsgenossenschaft, die 250.000 Tonnen Obst und Gemüse im Jahr in den Handel bringt – zu Supermärkten und Discountern. Jede Lieferung wird genau auf chemische Rückstände und Verunreinigungen getestet, es ist ein großer Aufwand.

Die Bauern fühlen sich gegenüber billigerer Konkurrenz aus Spanien benachteiligt. Die hätten weniger strenge Regeln.  Egal ob ein Supermarkt den Pfälzern viel oder wenig von einer Frucht abnimmt, jedes Mal kostet das die Erzeuger mindestens 220 Euro je Probe. Mancher große Discounter wie Aldi verlangt noch mehr – niedrigere Grenzwerte oder andere Stoffe als vom Gesetz vorgegeben etwa. Skandale wie die um Fibronil-versetzte Eier halten die Pfälzer Genossenschafter bei ihrem Prüfsystem für unmöglich. Gemüsebauer Hermann Reber legt Wert darauf, dass bei regionalen Erzeugern viel leichter nachprüfbar sei, was dann bei Verbrauchern auf dem Tisch lande. „Doch auch wenn alle sagen, sie wollen regionale Ware kaufen, entscheiden sie am Ende meist doch nur nach dem Preis“, sagt er. Lieber billige Importware als die pfälzische also.

Das ist das eigentlich drängende Thema für die Landwirte: Die Verbraucher als Schnäppchenjäger an der Supermarkttheke und knallharte Einkäufer der großen Handelsketten, die den Bauern Preise diktieren. „Wer kann denn einen Kohlrabi für 20 Cent kostendeckend anbieten?“, ruft einer dazwischen. Mehr gebe es oft nicht und vernichten könne er seine Ware doch nicht. Die Bauern geben Klöckner mit, die solle die Verbraucher einmal „maßregeln“, weil die nur noch billiger wollten. Die CDU-Frau lacht: Sie könne höchstens „sensibilisieren“ für die wichtige Arbeit der Bauern.

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Lächeln für die Kamera

Zweiter Halt: In Neustadt an der Weinstraße kehrt Klöckner beim IT-Dienstleiter  „8com“ ein. Firmenchef Götz Schartner  führt vor, wie er über gefälschte Kurzmitteilungen oder viren-verseuchte Mail-Anhänge die Mobiltelefone und Computer der Zuschauer mühelos knacken kann. Spionieren leichtgemacht. Cyber-Sicherheit? Hacker seien fast überall, sagt Schartner. „Datenschutz gibt es nicht so, wie viele das immer denken.“ Die Sorglosigkeit der Nutzer sei  leichter zu bekämpfen als die Datendiebe selbst. Die stammten immer wieder aus Russland oder China. „Darauf weist die Vorgehensweise hin.“ Gefahr bestehe auch im Bundestagwahlkampf, in dem noch Falschmeldungen oder gar Verleumdungen aus dem Internet zu erwarten seien.

Zwei Bitten hat IT-Fachmann Schartner an die Vertraute von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), und an den Bundestagskandidaten Schnieder. „Wir brauchen einheitliche Standards, welche Sicherheit Software bieten muss.“ Da gebe es unter Herstellern noch himmelweite Unterschiede, die Unternehmen und Privatleute gar nicht erkennen könnten. Das sei umso schlimmer, weil auch nicht geregelt sei, wer hafte, wenn Hacker erfolgreich Krankenhaus-Software oder Abrechnungssysteme geknackt hätten.

Klöckner schaut noch einmal beeindruckt zur SMS auf ihrem Handy, die angeblich von einem Parteifreund kommt, aber vom Hacker Schartner stammt. Sie antwortet: „Es ist ein ungutes Gefühl, wenn einige Wenige so wichtige Systeme lahmlegen können.“ Einheitliche Standards seien ja leider nur in der EU zu schaffen. Aber: „Wir müssen schon den Jugendlichen klarmachen, was alles mit ihren Geräten passieren kann.“

Am Nachmittag bricht sie nach Speyer auf. Dort trifft sie den ehemaligen Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, den heute 84-jährigen Bernhard Vogel (CDU), der in der Stadt wohnt. In Speyer ist auch Helmut Kohl begraben. Klöckner weiß, dass der im Juni verstorbene Altkanzler für ihre Partei und für einige  Bürger immer noch wichtig ist. Dass er für Sicherheit und Stabilität steht. Schließlich stehen Vogel, Klöckner und der Bundestagsabgeordnete Schnieder mitsamt ihrem Tross und Fotografen vor dem Grab Kohls am Rande des Adenauer-Parks in Speyer. Der Kohl-Weggefährte Bernhard Vogel wünscht sich, so lässt er wissen, dass die Straße vor dem Park, in Helmut-Kohl-Straße umbenannt werde. „Da wohnen kaum Menschen, das würde nur wenige betreffen“, argumentiert er.

Klöckner unterstützt die Idee einer Helmut-Kohl-Straße. Es kann auch nicht schaden, wenn sie hier öffentlich ihre Reverenz erweist. Bald schauen andere Besucher im Park zur prominenten Gruppe vor dem inzwischen umzäunten Grab. Klöckner weiß, was die drei nun gerne fragen würden und spricht es selbst aus: „Lassen Sie uns doch alle noch ein Foto machen.“ So stehen drei CDU-Politiker, ein ehemaliger Ministerpräsident und drei potenzielle Wähler vor der Grabstätte und lächeln für die Kamera.

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