Digitalisierung „Wir werden Millionen Jobs verlieren“

Brauchen wir wirklich einen Digitalminister? Wie kommen wir ins Gigabit-Zeitalter? Und welche Risiken birgt die Digitalisierung? Darum ging es beim Netzpolitischen Forum von WirtschaftsWoche und Internetverband Eco.

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Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner wagt eine Prognose: „Wir werden Millionen Jobs verlieren“. Quelle: dpa

Ausgerechnet die Bundeswirtschaftsministerin wollte nicht mitspielen. Braucht Deutschland einen Digitalminister nach der Bundestagswahl? „Ich bin kein Fan der Idee“, antwortete Brigitte Zypries und stellte sich gegen die Mainstream-Meinung. Die SPD-Politikerin meint vielmehr, alle Minister sollten sich darum kümmern. Schließlich betreffe die Digitalisierung alle Gesellschaftsbereiche und somit alle Ressorts. Das Problem: In den vergangenen vier Jahren hatte die Bundesregierung genau diese Strategie verfolgt. Das Thema Digitalisierung ist derzeit auf mehrere Häuser verteilt. Allen voran sind die Minister für Wirtschaft, Verkehr und für die Digitalisierungspolitik zuständig.

Das Ergebnis: In einem Ranking der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung liegt Deutschland beim Breitbandausbau nur auf Platz 28 von 32. Für Miriam Meckel macht das die Bundesrepublik zu einem „digitalen Entwicklungsland“, wie die Herausgeberin der WirtschaftsWoche im Gespräch mit der Wirtschaftsministerin betonte. Meckel und Zypries hatten am Dienstagabend beim „Netzpolitischen Forum“ vom Verband der Internetwirtschaft „Eco“ darüber diskutiert, wie sich eine künftige Bundesregierung digitalpolitisch aufstellen sollte.

Zypries sieht den Infrastrukturausbau als wichtigste Aufgabe für die kommenden vier Jahre. „Die SPD würde am liebsten einen Teil des Haushaltsüberschusses dafür verwenden“, sagte Zypries. Immerhin geht es um sieben Milliarden Euro. FDP-Parteichef Christian Lindner hat eine noch radikalere Idee. „Der Bund sollte seine Anteile an Post und Telekom verkaufen und damit das Glasfasernetz flächendeckend in Deutschland ausbauen“, sagte Lindner. Rund 30 Milliarden Euro, schätzt der Liberale, würde das einbringen.

Auch Philipp Justus, Deutschland-Chef von Google, sieht großen Nachholbedarf bei der Infrastruktur. „Wir brauchen deutlich ambitionierte Ziele“, sagte Justus. Derzeit plant die Bundesregierung mit einer Geschwindigkeit von 50 Megabit in der Sekunde – pro Haushalt. Vor vier Jahren schien das noch ein solides Ziel. Angesichts von immer beliebter werdenden Streamingdiensten, dem Internet der Dinge und Industrie 4.0 werden 50 oder 100 Megabit pro Sekunde schon in wenigen Jahren kaum noch ausreichen. Schließlich müssen immer höhere Datenmengen in immer kürzeren Zeiträumen übertragen werden. Im Wahlkampf gibt es keine Partei, die nicht das Gigabit-Zeitalter verspricht. Wie schnell das kommt, ist eine Frage von Steuermilliarden, die für den Ausbau bereitgestellt werden.

Google-Mann Justus fordert aber nicht nur mehr Geld für Infrastruktur. „Wir brauchen digitale Bildung quer durch die Gesellschaft“, sagte Justus. Erst kürzlich hatten Google und Bertelsmann bekannt gegeben, 75.000 Stipendien für digitale Lern- und Weiterbildungskurse finanzieren zu wollen. Das Angebot soll Interessierten die notwendigen IT-Kompetenzen für den Arbeitsmarkt der Zukunft mitgeben. „Damit unterstützen wir kleine und mittlere Unternehmen. Aber das reicht nicht. Deutschland muss in die Breite gehen.“

FDP-Chef Lindner wagte eine Prognose, die manchen verschrecken dürfte. „Wir werden in Deutschland Millionen Arbeitsplätze im Zuge der Digitalisierung verlieren. Es können aber auch Millionen Neue entstehen.“ Lindner glaubt, das Bildungssystem brauche eine Grundrevision. „Das Digitalste an den Schulen darf nicht die Pause sein.“

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