Es gab diesen einen Satz, der spät aber noch rechtzeitig in den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP hinein redigiert wurde. Eigentlich drängten die Liberalen auf eine klare Trennung von Schienennetz und Transportgesellschaften. Im Entwurf des schwarz-gelben Koalitionsvertrages von 2009 war davon die Rede. Doch der damalige Bahnchef Rüdiger Grube intervenierte bei der Politik. Am 26. Oktober 2009 hieß es dann schwarz auf weiß im finalen Koalitionsvertrag: Für die Finanzierung der Bahn werde „folgendes Modell geprüft“.
Heute weiß man: Aus der Prüfung wurde nie eine faktische Trennung des Schienenkonzerns. Doch das könnte sich sehr bald ändern. Denn im Falle einer Jamaika-Koalition hätte die FDP einen gleichgesinnten Partner an ihrer Seite, der seit Jahren die Aufspaltung der Deutschen Bahn fordert. Angesichts einer historisch geschwächten Unionsfraktion könnten sich die beiden kleinen Koalitionspartner einer Jamaika-Koalition mit ihrem Ziel durchsetzen.
Der Ausgang der Bundestagswahl ist daher ein Albtraum für die Deutsche Bahn. Ausgerechnet die SPD, die traditionell wegen der starken Eisenbahngewerkschaften ein Faible für den integrierten Konzern hat, geht geschwächt in die Opposition. Auf der Regierungsbank könnten in Zukunft zwei Parteien sitzen, die das Schienennetz für mehr Wettbewerb öffnen wollen.
So heißt es etwa in dem Wahlprogramm der Grünen: „Wir wollen eine Bahnreform in Angriff nehmen, die die Interessen der Fahrgäste in den Mittelpunkt stellt.“ Bahnfahren solle billiger werden, dafür wolle man die Trassengebühren senken. „Diese Reform muss das Netz von den Transportgesellschaften der Deutschen Bahn AG sauber trennen und in neutrale staatliche Verantwortung überführen. So schaffen wir die Voraussetzung für mehr Verkehr auf der Schiene.“
Bei der FDP klingt das ähnlich: „Wir Freie Demokraten wollen die Netzsparte der Deutsche Bahn AG unabhängig machen und somit Netz und Betrieb trennen.“ Denn nur echter Wettbewerb auf dem Schienennetz führe dazu, dass es effizient genutzt werde und die Kunden die besten Angebote erhielten. „Momentan kann die Deutsche Bahn aber andere Wettbewerber benachteiligen. Denn sie betreibt fast das gesamte deutsche Schienennetz.“ Außerdem gehen die Liberalen noch einen Schritt weiter: Im Anschluss an eine Trennung „sollen die Betreibergesellschaften an die Börse gebracht werden“.
Hoffnung der Verkehrspolitiker
Ob die Grünen einem Börsengang der Sparten wie DB Regio und DB Fernverkehr offen gegenüber stehen würden, steht nicht in dem Wahlprogramm. Fakt ist jedenfalls, dass sowohl Grüne als auch FDP die Infrastruktur- und Netzgesellschaften im Eigentum des Bundes belassen wollen. „Gewinne der Infrastruktur- und Netzgesellschaften dienen der Reinvestition und nicht dem Ausgleich des Bundeshaushaltes“, heißt es etwa bei der FDP.
Die Hoffnung der Verkehrspolitiker: Ein unabhängiges Schienennetz hätte ein natürliches Interesse an mehr Wettbewerb auf der Schiene. Derzeit gibt es im Fernverkehr ein Monopol der Deutschen Bahn. DB Fernverkehr hält einen Marktanteil von 99 Prozent. Führungskräfte eines staatlichen und unabhängiges Schienennetzes könnten etwa in Boni-Verträgen dafür vergütet werden, wenn sie zusätzliche Wettbewerber auf die Schiene holen.
Auf Bahnchef Richard Lutz kommen schwierige Zeiten hinzu. Er hat sich bislang zwar erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Deutsche Bahn finanziell von der Bundesregierung unterstützt wurde. So erhielt der Konzern Ende 2016 eine überraschende Finanzspritze in Höhe von mehr als zwei Milliarden Euro für die kommenden Jahre, um so etwa die Verschuldung des Konzerns in Schach zu halten. Doch das gelang ihm, als Alexander Dobrindt Bundesverkehrsminister war. Der CSU-Politiker ist bekannt dafür, sich gerne auf die Seite großer deutscher Konzerne zu schlagen. Außerdem sind Koalitionsverhandlungen ein neues Terrain für Lutz.
Sicher wird es auch auf die Rolle von Bahnvorstand Ronald Pofalla ankommen. Er verantwortet im Führungsgremium den Infrastrukturbereich Schienennetz und Personenbahnhöfe, also genau den Bereich, den FDP und Grüne vom Rest des Konzerns abtrennen wollen. Allerdings hat Pofalla in den vergangenen Monaten zahlreiche Kritiker auf seine Seite gezogen. Ihm ist es mitunter zu verdanken, dass der Nahverkehr mehr Geld für den regionalen Schienenverkehr erhalten hat und die Trassenpreise für den Güterverkehr sinken werden. Sollte er noch mehr für die gesamte Branche herausholen können, wären die Grünen, denen Eisenbahn in Deutschland eine Herzensangelegenheit ist, sich vielleicht mit einer „Trennung light“ zufrieden geben.
Oder mit einer „Prüfung“ im Koalitionsvertrag. Dann würde die FDP vielleicht doch wieder alleine da stehen.