Martin Schulz Das Gerechtigkeitsproblem

Setzt der SPD-Kanzlerkandidat auf das richtige Wahlkampf-Thema? Große Zweifel sind angebracht.

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Der SPD-Kanzlerkandidat und Parteivorsitzende Martin Schulz. Quelle: dpa

Kein Zögern, kein Zaudern, dafür Kraft und Leidenschaft: Wer Martin Schulz' Auftritt am Montagabend in Bremen gesehen hat, der weiß, dass der SPD-Kanzlerkandidat jetzt im typischen Wahlkampfmodus für die letzten Wochen angekommen ist: dem Modus der Autosuggestion.

Ich! Werde! Kanzler! In den verbleibenden fünf Wochen bis zur Wahl wird Schulz diesen Satz immer wieder sagen, überall im Land, zu tausenden Zuschauern. Damit sie ihm glauben und ihn wählen, natürlich, vor allem aber, damit Schulz ihn selbst glaubt. Denn in dieser Schlussphase einer Kampagne sind Schwächen etwas, das man sich nicht mehr leisten darf. Alles am Herausforderer muss dieselbe dreifaltige Botschaft transportieren: Ich will. Ich kann. Und ich werde.

Anderweitige Probleme hat die SPD-Kampagne schließlich schon genügend. Gerade erst belastete Gerhard Schröder mit seiner russischen Altersversorgung namens Rosneft die Partei.

Martin Schulz' Zukunftsplan für den deutschen Arbeitsmarkt

Umso besorgter muss Schulz und seine Strategen machen, dass selbst das Kernthema ihres Wahlkampfes nicht die Stärke, nicht die Ausstrahlung hat, dies es bräuchte. "Zeit für mehr Gerechtigkeit" ist der Slogan. Doch eine Umfrage des Instituts YouGov legt nun nahe, dass dies nur eine Minderheit mobilisiert: gerade einmal jeder vierte Wähler hält soziale Gerechtigkeit für das bestimmende Thema. Selbst unter Sozialdemokraten hat sie nur für 29 Prozent höchste Relevanz.

Ein ziemlicher magerer Wert. Wenn selbst Genossen dem Status Quo nichts recht empörendes abtrotzen können, keinen Aufbruch in ein besseres Morgen herbeisehnen - wer dann? Wenn diese Erhebungen Bestand haben, dann führen sie die SPD nicht ins Kanzleramt. Sondern auf die Oppositionsbank.

Zwar befinden 80 Prozent der Befragten, in der Bundesrepublik mangele es an sozialer Gerechtigkeit - doch gleichzeitig finden 60 Prozent auch: es insgesamt eher gerecht zu. Was zunächst wie ein Widerspruch wirkt, lässt sich wahrscheinlich dadurch erklären, dass viele persönlich mit ihrer Lage zufrieden sind, aber dennoch die zahlreichen gesellschaftlichen Probleme anerkennen.

"Es ist nichts Halbes und nichts Ganzes"
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Das bedeutet: Martin Schulz' Plädoyer für Reform und Fortschritt adressiert durchaus ein diffuses Unbehagen mit den herrschenden Verhältnissen, geht aber gleichzeitig an der konkreten Lebenserfahrung vieler Wähler vorbei. Ob er unter diesen Voraussetzungen bis zum 24. September noch Luft unter die Flügel bekommen kann?

Tiefgreifende Zweifel an seinem Programm kann sich der Merkel-Herausforderer selbst nicht mehr leisten. Und doch erklärt diese aktuelle Umfrage eine Kampagne, die bisher nicht recht vom demoskopischen Fleck kommt. Man kann eben einiges richtig machen - und doch vieles falsch. 

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