Merkel, Schulz und Co. Die Spitzenkandidaten der Parteien zur Bundestagswahl 2017
Von Angela Merkel bis Martin Schulz: Die Spitzenkandidaten der Parteien für die Bundestagswahl 2017 im Überblick, was sie antreibt, wofür sie stehen.
Angela Merkel (CDU) – Langzeitkanzlerin vor der vierten Amtszeit
CDU-Chefin ist Merkel seit dem Jahr 2000, Bundeskanzlerin seit 2005. Die 63-jährige Merkel hat im Bund bereits zweimal mit der SPD und einmal mit der FDP koaliert. Unter der Langzeitkanzlerin scheinen viele Verbindungen, außer mit AfD und Linkspartei, möglich. Auch eine schwarz-grüne Regierung könnte diesmal gebildet werden, allerdings scheint wegen der schwächelnden Grünen ein schwarz-gelb-grünes Bündnis zusätzlich mit den Liberalen wahrscheinlicher.
Die promovierte Physikerin wuchs in der DDR, in Templin, auf und wurde in der Wendezeit politisch aktiv. Sie war unter anderem Bundesfamilien- und Bundesumweltministerin, außerdem unter Helmut Kohl CDU-Generalsekretärin. Bis zu ihrer Entscheidung im Sommer 2015, die Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen und ihnen eine Perspektive in Deutschland zu bieten, galt sie als Kanzlerin ohne große Ecken und Kanten. Diesen Schritt hat sie seither immer wieder moralisch begründet und gegen heftige Anfeindungen, etwa von Anhängern der rechtsgerichteten AfD, verteidigt.
Als Parteichefin hat Merkel, deren Wahlkreis die Insel Rügen ist, der CDU eine schrittweise Modernisierung verordnet. Zuletzt ermöglichte sie im Bundestag eine Abstimmung darüber, ob die Ehe für Homosexuelle geöffnet werden soll. Sie selbst stimmte dagegen. Grundsatzpositionen wie die Wehrpflicht und das Ja zur Atomkraft hat sie aufgegeben, zum Leid des konservativen Flügels.
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Martin Schulz (SPD) – Herausforderer und Kümmerer
Martin Schulz, 61, will schaffen, was weder Peer Steinbrück noch Frank-Walter Steinmeier gelang: endlich Angela Merkel zu schlagen und das Kanzleramt für die SPD zurückzuerobern. „Nur auf Sicht zu fahren und Herausforderungen durch Abwarten lösen zu wollen, reicht nicht mehr“, schreibt der SPD-Chef in seinem Wahlkampf-Buch „Was mir wichtig ist“. Natürlich ist das gegen Merkel und ihren präsidierenden Politikstil gerichtet.
Schulz will sich als Macher profilieren, als Anpacker und Klartextredner, der die Sorgen und Nöte normaler Bürger kennt. Der geerdete Ex-Bürgermeister von Würselen gegen die abgehobene Weltkanzlerin – so sähe Schulz die Konstellation gerne. Doch abgesehen von seinem Vorwurf, dass Merkels Debattenverweigerung ein „Anschlag auf die Demokratie“ sei, ist wenig Kontroverses vom Herausforderer zu hören.
Mehr Gerechtigkeit und mehr Geld für Bildung und Innovation hat Schulz – für einen Sozialdemokraten wenig überraschend - zu den Leitmotiven seiner Kampagne gemacht. Europa hingegen, das Lebensthema des ehemaligen EU-Parlamentspräsidenten, spielt eher eine untergeordnete Rolle.
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Joachim Herrmann (CSU) – Der Bayer mit der tiefen Bassstimme
Joachim Herrmann, 60, ist Innenminister des Freistaates und steht für Recht und Ordnung. Nach dem Bundestagswahlkampf würde er am liebsten Bundesinnenminister werden. Hermann hat sich in den vergangenen zehn Jahren als konservativer Minister profiliert; in der Flüchtlingskrise führte er Kontrollen zur Grenze nach Österreich ein, er ist für eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen – ohne zuletzt das Wort von der Obergrenze zu nennen -, er spricht sich für eine weitreichende Überwachung im öffentlichen Raum aus.
Der 60-jährige gilt als loyaler, aber dennoch weitgehend unabhängiger Minister unter Horst Seehofer, der den Franken mit der tiefen Bassstimme schon deshalb fördert, um seinen drängelnden Intimfeind Markus Söder auf Distanz zu halten. Bewährt sich Hermann in Berlin, hat er gute Aussichten, Seehofer in ein, zwei, drei Jahren als CSU-Parteichef und/oder als Ministerpräsident in Bayern zu beerben.
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Christian Lindner (FDP) – Der Alleinunterhalter und Bildungsliberale
Christian Lindner, 38, ist seit vier Jahren Vorsitzender der Freien Demokraten. Er übernahm die FDP in ihrer bittersten Stunde, nachdem sie unter dem früheren Spitzenkandidaten Rainer Brüderle aus dem Bundestag geflogen war. Danach drohte die FDP in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Lindner, der bereits von 2009 bis 2011 Generalsekretär der Liberalen war, arbeitete zwei Jahre mit der Basis an Antworten, wofür die Liberalen weiterhin gebraucht werden. Seit zwei Jahren feiert die Partei wieder Wahlsiege – zuletzt in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. In NRW war Lindner als Spitzenkandidat angetreten und holte dort mit 12,6 Prozent das bislang beste Ergebnis der Landespartei.
Lindner setzt vor allem auf die Themen Digitalisierung und Bildung. In der Flüchtlingskrise kritisierte er die Bundesregierung scharf. Flüchtlinge sollten an der Grenze zurückgewiesen und der „rechtsfreie Zustand beendet werden“. Zugleich widerstand Lindner der Versuchung, die FDP als islam- oder eurokritische Partei zu positionieren, was manche in der Partei gefordert hatten.
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Katrin Göring-Eckardt (Grüne) – Kandidatin im zweiten Anlauf
Die Spitzenkandidatin stammt aus Thüringen und begann ihre politische Karriere wie Angela Merkel zur Wendezeit. Damals studierte sie Theologie. Die 51-Jährige arbeitete dann für Joschka Fischer und zog selbst als Abgeordnete in den Bundestag ein. Seither war unter der rot-grünen Bundesregierung Fraktionschefin und wurde danach für einige Jahre Vizepräsidentin des Bundestages. 2013 setzte sie sich unerwartet als weibliche Kandidatin im Spitzenduo der Alternativpartei zur Bundestagswahl durch – zusammen mit Jürgen Trittin. Die Partei schnitt schlecht ab und landete als vierte Kraft im Bundestag. Göring-Eckardt wurde Co-Fraktionschefin. Dennoch schaffte sie es erneut, Spitzenkandidatin zu werden, diesmal gemeinsam mit Parteichef Cem Özdemir. Die Kandidatin setzte sich unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) einst für die Agenda 2010 ein. Heute hält sie den Großteil der Sozialreformen für falsch. Auch bei den Grünen wissen manche nicht, wofür die abwägende Rednerin steht.
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Cem Özdemir (Grüne) - Wirtschaftsversteher mit Hang zur Außenpolitik
Özdemir ist ungewöhnlich lange bereits Parteichef der Sonnenblumenpartei – seit 2008. Der studierte Sozialpädagoge ist Kind türkischstämmiger „Gastarbeiter“ und bezeichnet sich als anatolischer Schwabe. Anders als viele Grüne stammt er nicht aus einem bürgerlichen Haushalt und musste sich Bildung erkämpfen. Seit 1994 war er mit Unterbrechung im Bundestag, 2004 bis 2009 im Europaparlament. Bei der Urwahl zum Grünen-Spitzenkandidaten für den Bundestag setzte sich der 51-Jährige äußerst knapp gegen den Kieler Umweltminister Robert Habeck durch. Der Vertreter des Realo-Flügels hat sich über Jahre vielfältige Kontakte zu Wirtschaftsverbänden und Unternehmern erschlossen. Neben der Wirtschaftspolitik ist inzwischen auch die Außenpolitik sein Thema. Gegenüber der türkischen Regierung äußert er sich sehr kritisch, was ihm Anfeindungen von türkischer Seite einbringt.
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Alice Weidel (AfD) – Die geheimnisvolle Wirtschaftsfrau
Alice Weidel, 38, ist die neue Powerfrau der AfD. Am Kölner Parteitag im April wurde sie zusammen mit Alexander Gauland zur Spitzenkandidatin gekürt – und löste damit Frauke Petry als wichtigstes weibliches Gesicht der Partei ab. Weidel hat in Bayreuth Wirtschaft studiert, in China ihre Doktorarbeit über das chinesische Rentensystem geschrieben. Nach der Universität legte sie eine Karriere bei zahlreichen großen Unternehmen hin, wechselte aber auffällig oft ihren Job. Seit 2015 sitzt sie im Bundesvorstand der AfD. In Interviews und Talkrunden gibt sich Weidel, die zusammen mit ihrer Lebenspartnerin aus Sri Lanka in der Schweiz lebt, oft betont liberal und wirtschaftsnah. Auf der Bühne wütet sie gegen Flüchtlinge und Migranten. Weidel weiß: damit sichert sie sich stets den lautesten Applaus.
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Alexander Gauland (AfD) – Konservativer Routinier der Politik
Alexander Gauland, 76, ist der Strippenzieher der AfD. Nach jahrzehntelanger Parteikarriere in der CDU weiß der studierte Jurist und ehemalige Herausgeber, wie Politik funktioniert. Ohne seine Zustimmung fallen in der Partei kaum Entscheidungen – vor allem nachdem Gauland seine Gegenspielerin Frauke Petry am Kölner Parteitag entmachtet hat. Weil Gauland mit seinen konservativen Ideen in der CDU zuletzt immer weniger Gehör fand, trieb es ihn 2013 zur AfD. Dort vertritt er einen stramm nationalkonservativen Kurs und protegiert auch Rechtsaußen-Mitglieder wie Björn Höcke oder André Poggenburg. Gauland ist überzeugt, dass die AfD ohne die nationalkonservative Strömung nicht überleben könnte. In der Wirtschaftspolitik fordert er Erleichterungen für Geringverdiener, um diese Wählerschicht für seine Partei zu gewinnen.
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Sahra Wagenknecht (Die Linke) – Die Ludwig-Erhard-Versteherin
Sahra Wagenknecht, 48, ist der eigentliche Start der Linken, auch wenn die Politikerin mit Dietmar Bartsch als Doppelspitze in den Wahlkampf geht. Die Linke Fraktionschefin sitzt in Talkshows, gibt Interviews und poltert mit Vorliebe gegen den Kapitalismus. Sie gibt der Linken ein intellektuelles Image. Die Volkswirtin Wagenknecht, die in ihrer Freizeit am liebsten Bücher liest, glaubt, dass Ludwig Erhard heute die Linken wählen müsste.
Der These dürften wohl einige widersprechen. Denn die Linke fordert eine Abgrenzung der deutschen Politik von den USA und mehr Zuwendung zu Russland. Sie will die Vermögenden in Deutschland höher besteuern, damit der Staat mehr Geld in die Infrastruktur investieren und Armut bekämpfen kann.
Ihr Verhältnis zu der SPD gilt als angespannt. Rot-rot-grün sei möglich, aber dafür müssten sich die Sozialdemokraten verändern, sagt Wagenknecht. Als Voraussetzung für eine Regierungsbeteiligung nennt sie „mehr soziale Sicherheit, Abrüstung und eine friedensorientierte Außenpolitik“.
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Dietmar Bartsch (Die Linke) – Der gemäßigte Ökonom
Dietmar Bartsch, 59, würde wohl auch einen guten Sozialdemokraten abgegeben. Doch Bartsch ist Linker und als solcher verkörpert er den gemäßigten Flügel der Partei. Der 59-Jährige ist zusammen mit Sahra Wagenknecht Fraktionsvorsitzender der Linken im Deutschen Bundestag und Teil des Spitzen-Duos für den Bundestagwahlkampf.
Für eine rot-rot-grüne Bundesregierung wäre der studierte Ökonom zu haben, wenngleich er selbst von einer „Mitte-links-Regierung“ spricht. Rot-rot-grün klinge zu bedrohlich, sagt Bartsch. Bartsch will Wählern und Unternehmen die Angst vor einer linken Politik nehmen. „Schaut auf die Länder, in denen wir Regierungsverantwortung tragen“, sagt Bartsch der WirtschaftsWoche. In Berlin habe ein linker Wirtschaftssenator zehn Jahre lang erfolgreiche Politik gemacht. Ähnlich sehe das in Thüringen aus, wo sein Parteikollege Bodo Ramelow seit Jahren als Ministerpräsident eine rot-rot-grüne Regierung anführt. „Es gibt keine Beschwerden der Wirtschaft, sondern kluge Standortpolitik.“
Bild: REUTERS
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