These 1 Einfacher und gerechter besteuern

Das deutsche Steuerrecht ist ungerecht. Das muss sich ändern.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Illustration zum Thema Steuerlast Quelle: Nishant Choksi

Was für ein Mut, was für eine Begeisterung! Der Schattenfinanzminister der Union fordert eine radikal vereinfachte Einkommensteuer, mit drei Stufen und ohne die vielen Werbungskosten- und Abschreibungsmöglichkeiten. Die FDP will da nicht nachstehen und bietet ebenfalls ein dreistufiges Modell an, natürlich noch ein bisschen niedriger. Doch halt! Das geschah im Jahr 2005, damals hieß der CDU-Kandidat für den Posten des Bundesfinanzministers Paul Kirchhof, der „Professor aus Heidelberg“ (wie ihn Gerhard Schröder abschätzig nannte), der dann am Wahlabend des 18. September 2005 leider ebenso schnell wie sein Steuerkonzept verschwand.

Seither trägt die Steuerpolitik wieder Pepita-Karo. Die Regierung, ob nun schwarz-rot oder zwischenzeitlich schwarz-gelb, beschränkt sich aufs Steuereinnehmen, komplizierte Gesetze werden mit zusätzlichen Paragrafen noch aufgebläht. Leidenschaft entflammt lediglich beim Verfolgen von Steuersündern. Das Bundesfinanzministerium produziert derweil Dutzende von sogenannten BMF-Schreiben, um sogar der Finanzverwaltung und den knapp 100 000 Steuerberatern die oft unverständliche Rechtslage zu erläutern. Selbst die Steuerberaterzunft wäre inzwischen heilfroh, wenn die Zahl der Paragrafen sänke – je mehr Regeln, umso größer das Risiko einer Falschberatung.

Dankbar wären auch Millionen Bürger, die jedes Jahr Blut und Wasser schwitzen, um ihre Steuererklärung fristgerecht abzugeben.

Steuervereinfachung müsste ein Megathema sein. Leider nicht in diesem Wahlkampf. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will lediglich am Steuertarif herumnesteln. Seine Partei, die CDU, kann sich im gemeinsamen Wahlprogramm mit der bayrischen Schwesterpartei gerade einmal für elektronische Formulare bei der Einkommensteuererklärung erwärmen. Ein Witz. Die CSU erklärt in ihrem additiven „Bayernplan“ wenigstens, „das Steuerrecht einfacher und unbürokratischer machen“ zu wollen, in einem ersten Schritt den Arbeitnehmerpauschbetrag zu erhöhen und ein Limit einzuführen, um für jeden neuen Paragrafen einen alten zu streichen.

Und die SPD? Ihr Kanzlerkandidat Martin Schulz fabuliert von gerechteren Steuern – sprich: höheren Belastungen für Besserverdiener zugunsten von Geringverdienern. Ein einfacheres, verständlicheres Recht spielt bei Sozialdemokraten keine Rolle.

Kompliziertes Steuerrecht

Ein Fehler! „Der Bürger nimmt das geltende Steuersystem nicht mehr als Garant der Gleichheit wahr, weil er es nicht mehr versteht“, sagt Paul Kirchhof heute. Sein Plädoyer von 2005 hat an Aktualität nichts verloren: „Wir benötigen dringend einfache und verlässliche Maßstäbe, sonst gerät der Rechtsstaat als solcher in eine Krise.“

Im Namen einer umverteilenden Gerechtigkeit wollen die amtierenden Politiker stattdessen das Steuerrecht weiter verkomplizieren. Bestes Beispiel ist die Abgeltungsteuer. Sie ist quasi das einzige Vereinfachungsversprechen von 2005, das die Union (zusammen mit der SPD) eingelöst hat. Sie vereinfacht die Besteuerung von Zinsen, Dividenden und Veräußerungsgewinnen, weil die Banken die Abgabe sofort einbehalten und ans Finanzamt abführen. Der Gewinn für Bürger und Finanzämter: keine Steuererklärung, kein Verrechnen mit Werbungskosten, kein Nachhaken beim Fiskus – eine Erleichterung für alle Beteiligten.

Und doch wollen heute alle Parteien die Abgeltungsteuer wieder abschaffen – weil sie angeblich Erträge aus Kapital niedriger als die von Arbeit besteuert. Ein Irrtum, wie die Berechnung auf Seite 11 zeigt. Es bleibt zu hoffen, dass die Wahlsieger nach dem 24. September 2017 den Mumm aufbringen, ihre Anti-Abgeltungsteuer-Forderung auf den bekannten Müllhaufen alter Wahlversprechen zu werfen.

Mut braucht es, das Steuerrecht insgesamt zu entschlacken, und sich dabei mit den vielen Einzelfallfanatikern anzulegen, die für das hoch ausdifferenzierte, nur vermeintlich gerechte Steuerrecht die Hauptverantwortung tragen. Die nächste Regierung könnte ja zunächst damit anfangen, den Arbeitnehmerpauschbetrag großzügig zu erhöhen. Dann bräuchten Millionen Beschäftigte nicht mehr verzweifelt nach ihren Belegen für die Steuererklärung suchen.

Die Steuerausfälle, die jeder Finanzminister dabei fürchtet, könnte sich Deutschland mehr denn je leisten. In diesem Jahr nimmt der Staat schätzungsweise 165 Milliarden Euro mehr ein als 2013, Bund und Länder erwirtschaften hohe Überschüsse.

Mehr Mut bräuchte es, den wohl kompliziertesten Bereich zu vereinfachen, die Erbschaftsteuer, die seit Jahrzehnten Gerichte, Politiker und Heerscharen an Unternehmensberatern beschäftigt. Daran ändert auch die jüngste Novelle nichts mit ihren Behaltensfristen, Verschonungen, begünstigtem und unproduktivem Vermögen, Abschmelzmodellen und Bedürfnisprüfungen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%