Trump und Co. Die ökonomischen Treiber des Populismus

In Deutschland ist Einwanderung das treibende Thema der AfD. Doch dort, wo Populisten viel stärker sind als hierzulande, ist ein ökonomisches Problem für ihren Erfolg entscheidend.

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Nährboden für Populismus: Ein seit Jahren aufgegebenes Fabrikgelände in der amerikanischen Stadt Detroit. Quelle: dpa

Der müde Bundestagswahlkampf wird fast nur dann wirklich munter, wenn es um die AfD geht. Angesichts der enormen medialen Aufmerksamkeit für die Unsäglichkeiten des Spitzenkandidaten Alexander Gauland und eine angebliche E-Mails der Spitzenkandidatin Alice Weidel, könnte man den Eindruck gewinnen, dass die AfD eine gefährliche Gegenspielerin der aktuellen Regierung sei. Tatsächlich aber stehen sie in den Umfragen bei kaum über zehn Prozent. Die deutschen Populisten haben im Gegensatz zu Trump nicht die geringste Chance, in die Regierung zu gelangen. Auch eine populistische EU-Austritts-Kampagne, die in Großbritannien erfolgreich war, hätte hierzulande sicher keinen Erfolg.

Der Rückenwind der AfD kommt vor allem durch eine in weiten Teilen der deutschen Gesellschaft verbreitete Ablehnung der Einwanderungspolitik der regierenden großen Koalition.  Für AfD-Wähler sind die Themen Einwanderung und Terror besonders wichtig. Allerdings schafft es die AfD ganz offensichtlich nicht, die Masse derjenigen Wähler abzuschöpfen, die durch die massenhafte Einwanderung der Jahre 2015 und 2016 und die Zunahme des islamistischen Terrors verunsichert sind. Ein sehr großer Teil dieser Wähler bleibt eben doch bei der Union und den anderen „etablierten“ Parteien.

In Deutschland fehlt der neuen rechtspopulistischen Bewegung offensichtlich eine entscheidende Wahlmotivation, die in den USA dagegen vorhanden ist – und Trump ins Weiße Haus brachte. Für Heinz-Werner Rapp ist die Erklärung klar: „Die wichtigste Ursache für populistische Strömungen ist ein ökonomischer Druck auf die Mittelschicht einer Gesellschaft. Negative Effekte aus Globalisierung und Digitalisierung, soziale Schieflagen und Elitenversagen sind dabei viel entscheidender als etwa das Thema Migration.“ Zu diesem Ergebnis kommt der Leiter des FERI Cognitive Finance Institute nach einer Studie, für die er mit Kollegen die Faktoren hinter der Entstehung populistischer Tendenzen und deren Auswirkungen auf Politik und Finanzmärkte analysiert hat.

Gerade Deutschland sei aufgrund der nach wie vor guten gesamtwirtschaftlichen  Situation deswegen derzeit relativ wenig anfällig für Populismus – trotz der besonders dramatisch gestiegenen Einwanderung. Beim nächsten Abschwung allerdings oder  bei der nächsten Eurokrise dürften dann auch hier die Populisten stärkeren Zulauf erhalten. Auch die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank gebe den Populisten mittelfristig neue Nahrung, fürchtet Rapp. „Reiche haben Sachwerte wie Aktien oder Immobilien und konnten so von dieser Politik deutlich profitieren. Angehörige der Mittelschicht, die nicht gerade einen Baukredit aufgenommen haben, sondern sich den Häuserkauf nicht leisten können, haben von dieser Politik gar nichts. Vermutlich wird man in ein paar Jahren, wenn es vielleicht einen Abschwung gibt und auch die Arbeitslosigkeit wieder steigt, feststellen: Draghis Politik hatte eine antisoziale Wirkung.“

Anfälliger als Deutschland und die meisten europäischen Länder sind schon jetzt ganz offensichtlich die USA und mit Abstrichen auch Großbritannien – wie das populistisch unterlegte Brexit-Votum zeigt. Denn dort sind sozio-ökonomische Fehlentwicklungen besonders gravierend, die die Mittelschicht geschwächt haben. „In beiden Ländern wurde die vielzitierte Globalisierungsdividende extrem ungleich verteilt, und Politik und Eliten haben die seit 15 Jahren zunehmende soziale Schieflage ignoriert“, sagt Rapp. „Viele Mittelschichtamerikaner mussten jahrelang zusehen, wie sich die Globalisierungs- und Outsourcing-Gewinner relativ ungeniert bereichern konnten. Gleichzeitig merkten die Leute, dass es ihnen und ihrem Umfeld immer schlechter ging. Und die Amerikaner sind ohne tragfähiges Sozialsystem relativ schnell sich selbst überlassen.“

"Fremd in ihrem Land"

Das Ergebnis ist eine Mittelschicht, die ökonomisch unter Druck gerät, sofern sie in der sich globalisierenden und digitalisierenden Wirtschaft nicht mithalten kann und durch die Ignoranz der politischen und wirtschaftlichen Eliten zusätzlich frustriert wird.

Diese Analyse stammt wohlgemerkt nicht von einem Wirtschaftssoziologen oder gewerkschaftsnahen Ökonomen. FERI ist ein Unternehmen für Vermögensverwaltung , das sich mit dem Cognitive Finance Institute eine kleine Denkfabrik leistet. Offensichtlich wird auch Finanzfachleuten allmählich deutlich, was linke Sozialwissenschaftler schon seit einiger Zeit feststellen: Dass gerade im Kernland des Liberalismus und Kapitalismus tiefgreifende gesellschaftliche Fehlentwicklungen stattfanden und noch stattfinden, die unmittelbar mit den Megatrends Globalisierung, Digitalisierung, Migration zu tun haben. Und dass diese Fehlentwicklung nach politischen Gegenmaßnahmen ruft – ohne von den etablierten Eliten bislang eine befriedigende Antwort zu erhalten.

Die amerikanische Soziologin Arlie Russell Hochschild hat dieses Empfinden der Entfremdung einer abgehängten (ehemaligen) Mittelschicht in ihrem Buch „Fremd in ihrem Land“ eindrucksvoll beschrieben. Sie lebte mehrere Jahre im Bundesstaat  Louisiana, einer Hochburg Trumps, und führte zahlreiche Gespräche mit seinen Wählern.  Diese Leute, so Hochschilds These, fühlen sich aufgegeben von den etablierten politischen Kräften und daher als Fremde im eigenen Land. Ein Gefühl, das durch zunehmende Einwanderung nur noch verstärkt werde. Dieses Gefühl war der Nährboden für Trumps Erfolg. „Es ist nicht so, dass sie ihn [Trump] lieben. Es kam einfach niemand anders zu ihnen”, sagt Hochschild.

Was bedeutet der Erfolg populistischer Bewegungen für die Wirtschaftspolitik? „Selbst wenn Trump als Person eher politisch rechts steht, tendiert seine Wirtschaftspolitik eher nach links“, sagt Rapp. Auch in Großbritannien gehe die Entwicklung nach links. Das heißt Isolationismus und expansive Staatsausgaben, damit auch höhere Inflationstoleranz. „Wenn Politik populistisch geprägt ist, explizit wie in den USA oder eher implizit wie nach dem Brexit in Großbritannien, wird das ökonomische Koordinatensystem ein anderes: Die Wirtschaftspolitik wird expansionistischer.  Man gibt leichter Geld aus, das man nicht hat.“ Für Investoren, die auf den amerikanischen Markt blicken, hat Rapp daher einen Rat:  auf schwache Währungen und sinkende Bonitäten einstellen, entsprechendes Risiko absichern.

Investoren, die in Kontinentaleuropa aktiv sind, müssten, so Rapp,  auf andere ökonomische Risiken populistischer Politik gefasst sein. „In Europa ist eher zu erwarten, dass unter dem Druck von Populisten die Staatsausgaben restriktiver gehandhabt werden, etwa bei Sozialleistungen für Migranten.“ Für einen Investor sei das linksdrehende populistische Modell, das in den USA und GB droht, eher gefährlicher als die europäische Variante.

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