Wahlkampf Die SPD übersieht die Unternehmer

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Martin Schulz tut sich schwer mit einem klaren Wirtschaftsprofil

Mit einem klaren Wirtschaftsprofil jedenfalls tut sich Schulz schwer. Bei seiner programmatischen Rede gestern zitierte er einmal mehr Bill Clintons Wort von den hart arbeitenden Menschen, die sich an die Regeln halten. Er forderte mehr Gründergeist, skizzierte seinen Willen, aus Digitalisierung und technologischem Wandel sozialen Fortschritt zu gewinnen, lobte gar das Silicon Valley.

Was Schulz (noch?) nicht gelang: die vielen Fäden zu einem belastbaren Ganzen zu verknüpfen. Wer einerseits die Agenda 2010 zurückbauen will und gleichzeitig eine Innovationswundertüte für die Jahre 2020 ff. verspricht, bleibt schwammig. Irgendwo zwischen Vergangenheitsbewältigung und Aufbruch ins Morgenland ist dem Merkel-Herausforderer die Gegenwart abhandengekommen.

Der übersehene Mittelstand

Warum das so ist, kann vielleicht ein Mann besonders gut beantworten, der kein Sozialdemokrat mehr ist. Wolfgang Clement, einst Superminister für Wirtschaft und Arbeit unter Gerhard Schröder, will eigentlich nichts sagen, zu viele Scherben liegen zwischen ihm und der Partei, die ihn ausschließen wollte. Außerdem kennt er Schulz lange und schätzt ihn sehr. Aber dann redet er doch.

„Die Sozialdemokratie denkt bei Wirtschaft zu oft an Großkonzerne – und übersieht dabei die Interessen und Nöte des Mittelstandes“, meint Clement. Zudem habe noch jeder SPD-Chef, der Mehrheiten erringen wollte, mit den Innenrummeleien der Partei zu kämpfen gehabt: „Ein konsequenter Kurs der Mitte wird im Funktionärs-Mittelbau immer misstrauisch beäugt.“

Man könnte das als Gemäkel eines Ausgestoßenen mit liberalen Präferenzen abtun, doch auch andere Sozialdemokraten argumentieren so – und formulieren deutlicher. „Das Feindbild Wirtschaft muss raus aus den Köpfen vieler Genossen“, sagt Harald Christ, Präsidiumsmitglied des SPD-Wirtschaftsforums und Vorstand der Ergo-Versicherung. Helmut Schmidt, Schröder, auch Willy Brandt mit Karl Schiller – sie alle hätten ohne die Aura ökonomischer Vernunft nicht gewonnen. „Die SPD muss die Schwachen stärken“, sagt Christ, „aber das geht nur, wenn die Starken stark bleiben.“

Hubertus Heil muss man all das nicht sagen, der kommissarische Generalsekretär hat zuletzt als Bundestags-Fraktionsvize für Wirtschaft gute Drähte zu Unternehmern gehalten. Aber findet er die zwingende Botschaft, die die SPD braucht, um zu gewinnen? „Für alle Fleißigen und Tüchtigen, die das Land besser machen wollen, ist die SPD die richtige Heimat“, sagt Heil. Und zielt dann, schon ganz Wahlkämpfer, ebenfalls auf die Kanzlerin: „Alternativlos heißt: ambitionslos. Genau das kann Deutschland gar nicht gebrauchen, wenn es wirtschaftlich dynamisch bleiben will.“

Heil selbst machte am Ende des Parteitages auch noch einmal Stimmung. Er peitschte die Delegierten ein letztes Mal an, bevor sie zurück in ihre Wahlkreise zogen. Auch er gab sich laut. leidenschaftlich und zuversichtlich, aber natürlich wusste auch er: Keine 100 Tage bleiben mehr, um die Wähler von diesen Botschaften zu überzeugen.



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