Wirtschaft im Weitwinkel

Niemand will die Rente mit 70 - aber sie kommt

Alle sind sich einig: Der Wahlkampf 2017 war wenig spannend. Selbst das "TV-Kanzlerduell" verlief weitgehend harmonisch. Dabei hätte es Themen für eine harte Auseinandersetzung gegeben. Zum Beispiel: Die Rente mit 70.

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Wovor sich die Deutschen im Alter fürchten
Rentner Quelle: dpa
Rentner am Laptop Quelle: dpa
Gesundheit im Rentenalter Quelle: dpa
Einsamer Rentner Quelle: dpa
Rentner mit Geldscheinen Quelle: dpa
Rentner im Urlaub Quelle: dpa
Senioren gehen Arm in Arm spazieren Quelle: dpa

Stattdessen haben alle Parteien so getan, als ob es das Thema gar nicht gäbe. SPD-Kandidat Schulz hatte während des Kanzlerduells im fast schon verzweifelten Versuch, die SPD-Linie gegenüber dem größeren Koalitionspartner abzugrenzen, der „Rente mit 70“ eine klare Absage erteilt – wohl in der leisen Hoffnung, die Kanzlerin könnte entsprechend der bisherigen CDU-Linie eine Festlegung in dieser Frage vermeiden wollen. Diese erkannte jedoch die taktische Falle sofort und legte sich ebenfalls fest: gegen eine „Rente mit 70“. Auch die kleineren Parteien sahen in der Folge gezwungen, klarzustellen: Niemand ist für die „Rente mit 70“!

Und dennoch wird sie kommen…

Sie wird kommen, weil sie unausweichlich ist. Vielleicht nicht als Erhöhung der Regelaltersgrenze von (bald) 67 Jahren auf 70 Jahre, aber doch für einen großen Teil der arbeitenden Bevölkerung. Und sie wird nicht in der nächsten Legislaturperiode kommen und auch nicht vor dem Jahr 2030, aber im darauf folgenden Jahrzehnt.

Bis zum Jahr 2030 scheint die Finanzierung des Rentensystems weitgehend im Griff: Mit der schrittweisen Einführung der „Rente mit 67“ im Jahr 2010 durch die damalige große Koalition wurde den absehbaren Problemen der Rentenversicherung bis dahin weitgehend Rechnung getragen. Wichtigster Grund für den Handlungsbedarf: Die Deutschen leben länger und bekommen länger Rente – heute im Schnitt 17 Jahre. 1960 waren es nicht einmal zehn Jahre. Und die längere Rentenzeit muss eben finanziert werden.

Die demografischen Verschiebungen zwingen zum Handeln

Doch die größten demografischen Verschiebungen, bedingt durch die gesunkene Kinderzahl und die steigende Lebenserwartung, werden in ihren Auswirkungen auf das Rentensystem erst in den Jahren zwischen 2030 und etwa 2040 eintreten. Denn in diesen Jahren gehen die „Baby-Boomer“ in Rente, also die geburtenstarken Jahrgänge von Ende der 50er bis Anfang der 70er Jahre.

Dann verändert sich das Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentenbeziehern dramatisch. Deutlich mehr Rentnern stehen dann deutlich weniger Beitragszahler gegenüber. Bleibt in dieser Phase das Renteneintrittsalter unverändert, sind diese Verschiebungen nur durch höhere Beiträge oder ein sinkendes Rentenniveau aufzufangen.

An diesen Fakten wird keine zukünftige Bundesregierung vorbeikommen. Dennoch ist das Thema „Renteneintrittsalter“ natürlich im Wahlkampf ein sehr undankbares. Für eine ehrliche Bestandsaufnahme wird es kaum Anerkennung geben, umso mehr Beifall dagegen für populistische Aussagen „zugunsten“ der Rentner. Die Wählergruppe der Rentner wird immer größer, und irgendwann möchten auch die jüngeren Wähler den Ruhestand genießen – und zwar möglichst früh. Die kommenden Generationen sind dagegen an der Wahlurne unterrepräsentiert.

Das neue Rentenkonzept der SPD

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