Bundestagswahl AfD-Anhänger wittern Wahl-Betrug

Aus dem Stand erzielte die AfD das beste Ergebnis einer neuen Partei. Viele Anhänger ärgern sich trotzdem und vermuten nun Manipulation und Wahlfälschung.

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Anhänger der afD sind überzeugt, dass ihre Partei nicht in den Bundestag einziehen sollte. Quelle: dpa

Es war ein historischer Wahltag. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ist die FDP nicht im Bundestag vertreten, genauso sensationell ist aber das Ergebnis der Alternative für Deutschland (AfD). Aus dem Stand holte sie 4,7 Prozent, das beste Ergebnis das je eine neue Partei erzielte. Bei vielen AfD-Anhängern überwogen jedoch Frust und Enttäuschung darüber, dass sie den Einzug in den Bundestag knapp verfehlt hat. „Wir sind natürlich schon enttäuscht, dass es nicht gereicht hat“, erklärte auch Parteisprecher Bernd Lucke.

Eine ganze Reihe von AfD-Wählern vermutet gar eine Manipulation. Vor allem auf der offiziellen Facebook-Seite der Partei wird intensiv über vermeintliche Unstimmigkeiten diskutiert. „Diese Wahl stinkt bis hoch in den Himmel!“, heißt es dort. „DAS war ein eindeutiger Wahlbetrug!! DAS kann nicht mit rechten Dingen zugegangen sein!!“, schreibt ein anderer Nutzer. Zwischen 18 Uhr am gestrigen Wahltag und heute früh um 10 Uhr wurden auf der Parteiseite mehr als 300 Kommentare verfasst, die über eine Wahlfälschung spekulieren. Ein großer Teil davon wurde in den zwei Stunden nach Bekanntgabe der ersten Hochrechnung geschrieben.

Impressionen aus den Wahllokalen
Umringt von Kameraleuten und Sicherheitskräften kommt Kanzlerin Angela Merkel mit ihrem Ehemann ins Wahllokal. Sie kamen gegen 13.30 Uhr zu Fuß. Quelle: REUTERS
Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ist frohen Mutes: Er habe gut geschlafen, sagte der SPD-Politiker. Der Wahlkampf habe ihm Spaß gemacht. Die SPD sei in der letzten Zeit in der Lage gewesen, sich deutlich zu profilieren. Das habe ihn gefreut. „Ich hoffe, dass sich das auch im Wahlergebnis widerspiegelt.“ Quelle: dpa
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) und sein Lebenspartner Michael Mronz wählten in einem Wahllokal in Bonn. Er warb auf der Abschlusskundgebung der FDP um die Zweitstimme. Die Freidemokraten müssen um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen. Quelle: dpa
Gregor Gysi, Spitzenkandidat und Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke im deutschen Bundestag wählte in Berlin-Pankow. Seine Partei muss nicht um den Wiedereinzug bangen, allerdings wird sie es wohl auch nicht in die Regierungsverantwortung schaffen: Eine Rot-Rot-Grüne-Koalition scheidet aus, weil SPD und Grüne eine Koalition mit der Linkspartei ausgeschlossen haben. Quelle: dpa
Einer der ersten an der Wahlurne war Bundespräsident Joachim Gauck, der gegen 9.30 Uhr gemeinsam mit Bundeswahlleiter Roderich Egeler und seiner Lebensgefährtin Daniela Schad seine Stimme abgab. Quelle: dpa
Tradition wird groß geschrieben: In niedersorbisch-wendischer Festtagstracht gibt diese Frau im Wahllokal im Spreewalddorf Leipe (Brandenburg) ihre Stimme für die Bundestagswahl 2013 ab. Quelle: dpa
Diese Trachten kommen traditionell aus dem Schwarzwald - und dort trägt man sie sicher nicht nur am Wahltag. Quelle: REUTERS

Viele Kommentatoren wundern sich, dass der Wert der AfD lange Zeit konstant bei 4,9 Prozent lag, während es bei den anderen Parteien Schwankungen gab. Das bezieht sich allerdings nur auf die von Infratest Dimap für die ARD erhobenen Werte. Bei RTL und n-tv lag die Partei um 18 Uhr bei 4,5 Prozent. In der ersten Prognose des ZDF lag die AfD bei 4,8 Prozent, und veränderte sich im Verlauf von drei Stunden zwei mal.
Die geringere Bewegung dürfte zudem daran gelegen haben, dass den Wahlforschern Vergangenheitswerte zum Anteil der Briefwähler und anderen Faktoren gefehlt haben, die in die Prognosemodelle mit eingehen.

Das Kreuz mit dem Bleistift

Manipulation vermuten AfDler auch darin, dass in einigen Wahllokalen nur Bleistifte auslagen. Laut Bundeswahlordnung ist das zulässig: „Als Schreibstifte gelten im Sinne des Wahlrechts Bleistifte (die nicht dokumentenecht sein müssen), Farbstifte, Kopierstifte, Tintenstifte, Kugelschreiber, Faserstifte, Filzstifte und dergleichen“, erklärt der Bundeswahlleiter. Es spräche jedoch nichts gegen die Benutzung eines eigenen, mitgebrachten Schreibstiftes, etwa eines Kugelschreibers.

Zudem wird unterstellt, die Wahlhelfer seinen nicht unparteiisch oder links. „Man muss davon auch ausgehen ,das da wo keine Wahlbeobachter da sind auch die Wahlen gefälscht werden und zwar massiv. (…) Ich habe erstmals unsere Auszählung beobachtet und schon hat sich zum Beispiel der Anteil der NPD Stimmen verdoppelt“, schreibt ein Kommentator.

AfD selbst glaubt an Wahlergebnisse

Reaktionen aus der Wirtschaft auf das Wahlergebnis
Wolfgang Grupp, alleiniger Inhaber und geschäftsführender Gesellschafter der Textilfirma Trigema Quelle: dpa
Otto Kentzler, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks ZDH: "Auf die kommende Bundesregierung warten große Herausforderungen: Die Bewältigung des demografischen Wandels; die Sicherung der wirtschaftlichen und finanziellen Grundlagen; die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands; entschlossenes Handeln hinsichtlich der energiepolitischen Baustellen sowie eine engagierte Bildungspolitik zur Sicherung des Fachkräftebedarfs. Mit Tatkraft muss die Zukunftsfähigkeit Deutschlands abgesichert und weiterentwickelt werden. In diesem Sinne setzen wir auf eine zügige Regierungsbildung." Quelle: Presse
Patrick Engels, Geschäftsführender Gesellschafter der Pöschl Tobacco Group "Die Wahlberechtigten haben sich eindeutig gegen eine Politik der Steuererhöhungen und der Verbote bzw. der Einmischung vermeintlicher Gutmenschen in die Lebensgestaltung mündiger Bürger ausgesprochen. Nun geht es darum, diese Wünsche des Souveräns auf sowohl nationaler wie internationaler Ebene - und hier insbesondere in Brüssel - umzusetzen."
Stephan Koziol, Geschäftsführer Koziol Designprodukte:"Mein Resümee dieser Wahl: Die FDP hat ihren Markenkern komplett verloren, die Grünen haben ihren stark verschliffen. Die Kommunikation des Kundennutzens war bei beiden Parteien im Vorfeld katastrophal. Den restlichen Parteien ist es deutlich besser gelungen, ihre Botschaften an die Wähler zu bringen. Mein Wunsch an die künftige Regierung ist, dass sie so wenig neue Gesetze wie nur irgend möglich erlässt und das Erneuerbare-Energien-Gesetz schnellstens mit Augenmaß und gesundem Menschenverstand für Deutschland erträglich korrigiert." Quelle: Presse
Friedrich von Metzler, Privatbankier Quelle: dpa
Verband der deutschen Unternehmerinnen (VdU), Präsidentin Stephanie Bschorr „Von der neuen Bundesregierung unter CDU-Führung erwarte ich vor allem einen deutlichen Schub für mehr Präsenz von Frauen in den Führungsfunktionen der deutschen Wirtschaft. Die Mitglieder des VdU fordern von der neuen Regierung vor allem eine starke Berücksichtigung der Interessen kleiner und mittelständischer Unternehmen, insbesondere angesichts der Tatsache, dass mit dem Ausscheiden der FDP eine wirtschaftsnahe Partei im Deutschen Bundestag nicht mehr vertreten sein wird." Quelle: Presse
Dieter Kempf, Präsident Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom)„Wir gratulieren Union und SPD zu ihren Wahlerfolgen. Aus Perspektive der Hightech-Wirtschaft muss möglichst schnell eine handlungsfähige Regierung gebildet werden, auch damit in der digitalen Wirtschaftspolitik die notwendigen Akzente gesetzt werden können. Hier sehen wir in erster Linie die beiden großen Volksparteien gefordert. Netzpolitik gehört mit ins Zentrum des nächsten Regierungsprogramms. Sicherheit und Datenschutz, der Aufbau intelligenter Netze u.a. in den Bereichen Energie, Verkehr und Gesundheit, die Modernisierung unseres Bildungswesens oder die Förderung von Start-ups sind Aufgaben, die schnellstmöglich und mit Nachdruck angegangen werden müssen. Netzpolitik muss sowohl im Parlament und als auch auf Seiten der Bundesregierung fest verankert werden. Dazu zählt an erster Stelle die Einrichtung eines ständigen Bundestagsausschusses ‚Internet und digitale Gesellschaft‘.“ Quelle: Presse

Der Vergleich mit der NPD und anderen rechten Parteien taucht in diesem Zusammenhang mehrfach auf. „Die NPD ist ja in Thüringen auch mit 4,9 Prozent nicht eingezogen. Wer soll sowas glauben, dass immer genau die 1000 Stimmen fehlen?“, heißt es beispielsweise. Ein anderer Kommentator erklärt: „Die NPD ist 1969 mit demselben Ergebnis gescheitert. Wer allen ernstes glaubt, dass hier alles mit rechten Dingen zugeht hat jeglichen Bezug zur Realität verloren. Wahlmanipulation im ganz großen Stil. Aber es heißt ja nicht umsonst: Wenn Wahlen etwas verändern würden wären sie verboten!“

Einige der AfD-Anhänger waren nach eigenen Angaben auch als Wahlhelfer tätig und beschreiben, dass dort alles „absolut korrekt“ abgelaufen sei. „Aber danach, in irgendeinem Computer wo die Zahlen zusammenlaufen, da kontrolliert kein Mensch mehr was wirklich passiert.“

Lucke befeuert Verschwörungstheorien

Diese Neigung zu Verschwörungstheorien zeigt sich im AfD-Umfeld immer wieder, die berüchtigte Bilderberg-Konferenz wird da gerne genannt, deren Mitglieder den Einzug der AfD verhindert hätten. „Wer von uns weiß schon was die da hinter den Kulissen treiben“, ist ein Beitrag, der ein Weltbild beschreibt, das sich in den Kommentaren vieler AfD-Anhänger spiegelt. Auch Bernd Lucke hat solchen Theorien Vorschub geboten, nachdem er im Vorfeld dem Meinungsforschungsinstitut Forsa eine Manipulation der Daten unterstellt hatte. Und wenn schon die Umfragen frisiert werden, was mag da erst mit den entscheidenden Stimmen sein, denkt sich dann mancher Lucke-Wähler.

"Die bitterste Stunde für die Liberalen seit vielen Jahrzehnten"
Der nordrhein-westfälische FDP-Vorsitzende Christian Lindner sprach nach dem Ausgang der Bundestagswahl am Sonntagabend von der „bittersten Stunde für die Liberalen seit vielen Jahrzehnten“. Man habe in der Öffentlichkeit nicht überzeugt. „Da kann es ja überhaupt keinen Zweifel daran geben.“ Die FDP schafft es nach der ersten Hochrechnung nicht mehr in den Bundestag. Auf die Frage, ob die Partei jetzt auseinanderbricht, sagte Lindner, es gebe ausreichend liberales Wählerpotenzial. Das gelte es jetzt abzurufen. Quelle: dpa
Der Kieler FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki kritisierte die Wahlkampfstrategie seiner Partei. „Ich finde das eine beachtliche Leistung, dass man mit fünf Ministern der größten Bundestagsfraktion aller Zeiten innerhalb von vier Jahren die FDP von 14,6 auf 5 Prozent oder darunter bringt“, sagte Kubicki am Sonntag der Nachrichtenagentur dpa. „Eine ordentliche Wahlkampfstrategie mit einem souveränen Auftreten sieht anders aus.“ Quelle: dpa
Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hat sich hocherfreut über das Ergebnis der Union bei der Bundestagswahl gezeigt. „Das ist ein Superergebnis“, sagte die strahlende CDU-Chefin unter dem Jubel ihrer Anhänger. „Wir werden damit verantwortungsvoll und sorgsam umgehen.“ Neben den CDU-Mitgliedern bedankte sich Merkel besonders bei der CSU und ihrem Vorsitzenden Horst Seehofer vor die Unterstützung. Quelle: dpa
Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte in der ARD: „Wir haben einen klaren Auftrag der Wähler, die Regierung zu bilden.“ Das Ergebnis zeige, dass die Wähler wollten, dass Angela Merkel Kanzlerin bleibe. Die Union freue sich riesig. Ein Ergebnis von weit mehr als 40 Prozent habe man für eine Volkspartei schon gar nicht mehr für erreichbar gehalten. Quelle: dapd
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat sich begeistert vom Wahlerfolg der Union gezeigt. „Das ist fantastisch. So deutlich über 40 Prozent, das haben wir seit über 20 Jahren nicht geschafft“, sagte die stellvertretende CDU-Vorsitzende in der ARD. „Wir hoffen sehr für die FDP, dass die Zahlen im Laufe des Abends noch steigen.“ Zu einer möglichen großen Koalition mit der SPD wollte sich von der Leyen nicht äußern. „Deutschland muss stark bleiben in Europa, das ist das Motto des Abends“, sagte sie. Quelle: dpa
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles wollte nach dem Ausgang der Bundestagswahl am Sonntagabend in einer ersten Reaktion keine Koalitionsaussage treffen. Dies werde zuerst in den Gremien besprochen. Man habe sich sicherlich einen höheren Zuwachs gewünscht, sagte sie im ZDF. Nun sei die Gewinnerin der Wahl gefragt, CDU-Vorsitzende Kanzlerin Angela Merkel. Quelle: dpa
CDU-Vize Armin Laschet wertete das Ergebnis als Regierungsauftrag für Kanzlerin Angela Merkel. „Die Deutschen wollen, dass sie vier Jahre weiter regiert“, sagte Laschet, der auch CDU-Chef in Nordrhein-Westfalen ist. Das Ergebnis sei „in erster Linie Anerkennung für die Arbeit von Angela Merkel“. Laschet lobte den zurückhaltenden Kurs der Parteivorsitzenden in den vergangenen Wochen ohne starke Angriffe auf den politischen Gegner: „Der Wahlkampf war richtig, die Themen waren richtig, und die Zukunftsidee war richtig.“ Quelle: dpa

Zumal einige schon Schwierigkeiten zu haben scheinen, dass Wahlsystem zu verstehen. So werden sogar die mancherorts nicht aufgestellten Direktkandidaten als Manipulationsindiz angeführt. „Von Wahlbetrug will ich nicht reden, doch auch hier in Meck/Pomm. konnten wir Euch nur die Zweitstimme geben. Sonst wäre sicher ein anderes Ergebnis herausgekommen“, heißt es beispielsweise.

Allerdings sieht die AfD selber keinerlei Anlass an den Wahlergebnissen zu zweifeln. „Die Leute waren einfach frustriert“, sagt AfD-Sprecherin Dagmar Metzger zu den Kommentaren. „Das sollte man nicht zu ernst nehmen." Auch auf Facebook widersprechen mindestens genauso viele Kommentatoren den Verschwörungstheoretikern. Sie weisen zu Recht darauf hin, dass die AfD relativ unbekannt sei und gratulieren. „Für eine so junge Partei ist das eine tolle Leistung!“, schreibt ein Kommentator.

Ein anderer bringt auf den Punkt, was zum Betrugsverdacht wohl zu sagen ist – auch wenn seine Prognose doch arg optimistisch anmutet: „Wahlmanipulation??? Schwachsinn!!! Sorry!!! Ich finde das Ergebnis super toll. 4,7 Prozent in sechs Monaten, wenn das so anhält sind das in 48 Monaten 37,6 Prozent.“

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