Fast 25 Jahre nach der Wiedervereinigung gibt es nach Ansicht des Berliner Politologen Oskar Niedermayer noch immer Unterschiede im Wahlverhalten zwischen Ost- und Westdeutschland. Die Linkspartei verkaufe sich weiter gut als Anwalt des Ostens, sagte er im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa. Das ziehe nicht nur nostalgische Senioren an.
Gibt es noch Unterschiede im Wahlverhalten zwischen Ost- und Westdeutschland?
Oskar Niedermayer: Ja, die gibt es eindeutig. Und zwar sowohl in der Wahlbeteiligung als auch in der Frage, welche Parteien gewählt werden. Das Wesentliche ist, dass die Linkspartei sehr viel stärker ist in Ostdeutschland als in Westdeutschland. In Westdeutschland ist sie in den Umfragen ja jetzt so um die fünf Prozent, in Ostdeutschland geht das zuweilen an die 20 Prozent ran. Das bedeutet dann auch, dass SPD, CDU und Grüne weniger Stimmen bekommen im Osten als im Westen.
Ist der Unterschied noch genauso groß wie direkt nach der Wiedervereinigung 1990?
Das hat sich schon ein wenig angeglichen. Nach der Wende war die Enttäuschung zum Beispiel über die CDU mit dem Versprechen von Kanzler Helmut Kohl der blühenden Landschaften doch sehr stark. Die CDU hat sehr stark verloren. Aber der große Unterschied besteht nach wie vor darin, dass die Linkspartei im Osten doch noch ein sehr starkes Wählerpotenzial hat.
Warum gleicht sich das nicht aus nach so vielen Jahren?
Weil die Linkspartei es trotz ihrer gesamtdeutschen Ausdehnung immer noch versteht, sich als Anwalt der Interessen der ostdeutschen Bürger sichtbar zu machen.