Damit positionieren sich die Grünen in der Steuerpolitik links von der SPD. Und setzen den größeren Partner unter Druck. Anfang September zum Beispiel ließen sie einen Kompromiss des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat platzen, den der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) zusammen mit dem CDU/CSU-Fraktionsvize im Bundestag, Michael Meister, ausgehandelt hatte. Beim kaum der Öffentlichkeit bekannten AIFM-Steueranpassungsgesetz ging es vor allem darum, den Unternehmen milliardenschwere Steuervorteile beim Verkauf von Pensionsverpflichtungen zu streichen. Ein nebensächlicher Teil des Vermittlungspakets missfiel indes Trittin und seinem finanzpolitischem Sprecher Gerhard Schick. Als die beiden ihre Daumen senkten, machten die SPD-Abgeordneten im Bundestag prompt einen Rückzieher und blamierten ihren Verhandlungsführer Walter-Borjans.
Große Skepsis aus der Wirtschaft
Die Episode hinterlässt den Eindruck, SPD und Grüne hätten ihre Rollen von Koch und Kellner getauscht. Und einem möglichen Bundesfinanzminister Trittin, der einst als Umweltminister das ungeliebte Dosenpfand gegen alle Widerstände durchdrückte, wird zugetraut, ebenso seine Steuerpläne ins Gesetzblatt zu bringen.
Die vergessenen Wählergruppen
35,55 Millionen arbeitende Menschen zahlen die Rente. Sie müssen länger im Beruf bleiben und brauchen flexiblere Wege zum Ruhestand.
2,3 Millionen Menschen sind Unternehmer und schaffen Wachstum. Viele Arbeitsplätze hängen an ihrem Erfolg.
8,98 Millionen Menschen sind privat krankenversichert. Viele klagen über stark steigende Prämien.
1,5 Millionen junge Menschen zwischen 25 und 34 Jahren haben keinen Berufsabschluss.
1,3 Millionen sind altersverwirrt. Die Pflegekasse berücksichtigt sie kaum. Betreuungsideen sind gefragt.
Auch Unternehmer Hettich hat die Antwort seines örtlichen SPD-Kandidaten nicht beruhigt. Die Aussage, für Unternehmen würde alles beim Alten bleiben, findet Hettich "vage und nicht überzeugend". In der gesamten Wirtschaft stoßen Beteuerungen von SPD und Grünen, für sie würde die Steuerlast nicht höher, auf allergrößte Skepsis. Wie denn auch sonst? Mehr als 90 Prozent aller Unternehmen unterliegen der Einkommensteuer. Viele wären von der Anhebung des Spitzensatzes unmittelbar betroffen. Und die Vermögensteuer droht nahezu jedem Unternehmen mit mehr als 10 oder 20 Mitarbeitern – ein Großteil des Vermögens ist schließlich in Unternehmen gebunden.
Steuerexperte Ralph Wiechers vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), in dem rund 3000 Mittelständler vertreten sind, viele davon Weltmarktführer in ihrer Branche, rechnet vor: Ein "typischer mittlerer" Maschinenbauer mit 150 Mitarbeitern, 30 Millionen Euro Umsatz und einer Steuerlast von derzeit 1,270 Millionen Euro würde nach den Einkommen- und Vermögensteuerplänen der SPD zusätzlich 378 000 Euro (Grüne: 454 000 Euro) zahlen.