Bundestagswahlkampf Die FDP ist nur bedingt regierungsbereit

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Ein-Mann-Partei FDP

Würden die Liberalen ab Herbst wieder mitregieren, hätten sie wohl Schwierigkeiten, eine schlagkräftige Truppe zusammenzustellen. Denn in Wirklichkeit ist die FDP vor allem die Partei des einen Mannes: Christian Lindner.

Der weiß darum, auch das erklärt seine Zurückhaltung. Ihm ist zudem durchaus bewusst, wie viele in der Partei ebenfalls von dieser Schwäche wissen – Frank Schäffler etwa, Finanz- und Wirtschaftspolitiker sowie lautstarker Kritiker der Euro-Rettungspolitik. Schäffler hält seine Partei ganz offen nur für bedingt regierungsfähig. „Wir haben keine Bundestagsfraktion und keine Mitarbeiter“, warnt er. „Wir könnten Koalitionsverhandlungen gar nicht stemmen.“

Euro-Rebell Schäffler ist eher ein Außenseiter in seiner Partei. Doch sein Urteil teilen einige. Und man muss nur nach Nordrhein-Westfalen schauen, um zu verstehen, wie dünn die Luft hinter Lindner wird.

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Dort tritt der Parteichef im Mai zwar als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl an. Danach will er auch die Regierungsbildung in Düsseldorf kritisch begleiten. Aber taugen die Wahlergebnisse, könnte es durchaus zu einer sozialliberalen Koalition kommen. Dann dürften die Liberalen den Vize-Ministerpräsidenten stellen. Lindner selbst stünde für das hohe Amt nicht zur Verfügung, Düsseldorf ist für ihn nur Sprungbrett nach Berlin, in der Landespolitik sieht er keineswegs seine Zukunft.

Seinen Nachfolger im Land kennt er längst, er hat ihn ausgeguckt: Joachim Stamp, unter anderem Stadtrat seiner Heimatstadt Bonn.

Dumm nur, dass sonst so gut wie niemand Stamp kennt – einen sympathischen Mann, der seinem lokalen Karnevalsverein sehr verbunden ist. „Aus meiner kommunalpolitischen Erfahrung weiß ich, dass man manchmal Konsens organisieren muss, um essenzielle Dinge durchzusetzen“, sagt Stamp.

Das klingt nett und bodenständig, etwa so, als wenn SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz über seine Heimatstadt Würselen spricht. Nur ist der irgendwann nach Brüssel gegangen. Stamp hingegen ist immer noch in der Provinz. Und neben dem politischen Durchstarter Lindner sieht er auch nach Provinz aus.

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Zu viel Lindner

Die FPD-Fixierung auf Lindner birgt also Risiken – auch der Überbeanspruchung. Während der Parteichef in NRW womöglich über eine Regierung verhandeln könnte, der er nicht angehören würde, müsste er zugleich im Rest der Republik darum kämpfen, dass es seine Partei wieder in den Bundestag schafft. Ziemlich viele Baustellen.

Lindner in NRW, Lindner im Bund – die Fokussierung auf einen Frontmann stößt intern deshalb auf Missmut. „Wer sich einst über Guido Westerwelle geärgert hat, weil der die Partei als Ein-Mann-Schau begriff, kann heute sehen, dass das noch viel extremer geht“, sagt ein ehemals führender Liberaler.

Außerdem erhebt gerade die alte liberale Garde gerne den Vorwurf, Lindner habe die Partei in die programmatische Beliebigkeit geführt. „Geschäftsführer von Industriekammern fragen mich, welche wirtschaftspolitischen Schwerpunkte wir eigentlich setzen wollen“, sagt einer von ihnen. „Es fehlt uns ein Kopf, der für Wirtschaftspolitik steht.“

Lindner weist derlei Kritik lässig ab, dann wieder ganz wortgewandt. Ans Scheitern, betont er, denke er schon aus Prinzip nicht.

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Was aber, wenn sich das nach der Wahl nicht mehr vermeiden lässt? Sollte die FDP im September wieder nicht in den Bundestag einziehen, würde die Partei weiter gerupft. Der parteinahen Friedrich-Naumann-Stiftung drohte dann sogar die Abwicklung, einfach weil die finanziellen Mittel fehlten.

Was er im Falle einer Niederlage bei der Bundestagswahl machen würde, dazu traut sich Lindner eine klare Aussage: seine politische Karriere beenden.

Dann könnte er ja auch seine Freiheit behalten.

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