Das ist eine andere Ursula von der Leyen als die, die vor zwei Jahren als Bundesverteidigungsministerin antrat. Damals robbte sie sich als Neuling und selbsternannte Reformerin in ihr Ressort hinein. Sie geißelte hin und wieder, dass vieles nicht effizient, sondern schwerfällig und manchmal auch überflüssig organisiert sei bei der Bundeswehr. Heute hat die Ministerin im Verteidigungsausschuss des Bundestages vor den Abgeordneten andere Töne angeschlagen. Ihre Botschaft: Die friedlichen Zeiten, in denen die Bundeswehr Stück für Stück klein gespart wurde, sind vorbei. Die Bundeswehr kann ohne stetig mehr Geld ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen. Die Soldaten haben von vielem zu wenig und von anderem nicht mehr das Zeitgemäße. So spricht sonst der Wehrbeauftragte, der als „Anwalt der Soldaten“ den Bundestag informiert. Von der Leyen klingt nun ähnlich und vergisst nicht, auch die Extra-Schichten der Bundeswehr zu loben, die etwa bei der Unterbringung von Flüchtlingen mitgeholfen hat.
Die Verteidigungsministerin will die Bundeswehr mit einem Milliardenprogramm aufrüsten, vor allem mit Panzern. Das hat sie für die Fachpolitiker im Ausschuss aufgelistet. Im Vergleich zu den bisherigen Plänen von 2011 zur Ausstattung mit großen Waffensystemen soll die Bundeswehr statt 225 Kampfpanzern vom Typ „Leopard 2“ nun 320 haben und die Zahl der Transportpanzer von 1170 auf 1300 steigen. Von den Spähpanzern „Fennek“ soll die Armee 248 statt 217 erhalten. Zudem sollen der Truppe 101 statt 89 Panzerhaubitzen 2000 zur Verfügung gestellt werden.
Insgesamt will das Ministerium in den anstehenden Verhandlungen mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erreichen, dass in den nächsten 15 Jahren etwa 130 Milliarden Euro für die Ausrüstung der Bundeswehr bereit stehen. Das ist ein großer Batzen Geld. Rein rechnerisch wären das etwa 50 bis 60 Milliarden Euro oder knapp die Hälfte mehr als das, was bisher durchschnittlich ausgegeben wird. Die 2011 festgelegten Obergrenzen für die Anschaffung von Großwaffensystemen sollen zudem wegfallen. Künftig soll lageabhängig entschieden werden, was die Bundeswehr braucht. Das dreht die bisherige Kalkulation um - nicht mehr finanzielle Vorgaben sollen die Möglichkeiten der Truppe bestimmen, sondern zunächst sollen die Aufgaben definiert und dann organisiert werden, wie das geht.
Einiges spricht für die Argumentation der Ministerin. Die Bundeswehr ist seit mehr als zwanzig Jahren eine Einsatzarmee, Soldaten sind in Krisengebieten stationiert, ohne dass sich das in ihrer Ausstattung niedergeschlagen hätte. Von der Leyen sieht solche Einsatze und Pflichten noch häufiger werden. Es gibt keine „Friedensdividende“ mehr, sagt sie. Wenn es Lehren aus vergangenen Jahren gibt, dann die: Militäreinsätze sind selten vorherzusehen und Bedrohungen entstehen auch dort, wo sie niemand erwartet. Die Bundeswehr werde eher häufiger in Regionen wie dem Mittelmeer, Nahost oder Afrika gefordert sein als bisher.
Zahlreich sind dagegen die Berichte über Soldaten, die den Mangel verwalten. Überall fehlt es an Gerät, Einheiten müssen sich Ausrüstung aus der ganzen Bundeswehr zusammensuchen und ausleihen, um etwa bei der NATO-Eingreiftruppe mitmachen zu können. So stellt es etwa der Wehrbeauftragte, der SPD-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Bartels, dar. Von der Leyen gibt sich trotz ihrer Forderungen im Detail bescheidener als Bartels, der eine 100-Prozent-Ausstattung für die Truppe will. Nicht jeder brauche alles, es reiche etwa, wenn Tropenuniformen und Spezialgerät für einzelne Auslandseinsätze da seien, sagt sie. Das alles habe nichts mit Aufrüstung zu tun, versichern die Bundeswehroberen, endlich müssten aber große Lücken bei der Einsatzfähigkeit geschlossen werden.
Es sind also neue Töne der Bundesverteidigungsministerin. Sie selbst sagt am Mittwochmorgen, Kabinettskollege und Finanzminister Schäuble sei ihren teuren Forderungen gegenüber aufgeschlossen: „Ich habe große Offenheit gespürt und gehe jetzt in die Detailverhandlungen für den Haushalt, aber bin guten Mutes.“
Bei diesen Verhandlungen könnte helfen, wenn von der Leyen in der nächsten Zeit von Beschaffungsskandalen bei der Bundeswehr verschont bliebe, wenn nicht neue Probleme bei der Lieferung von Drohnen, Gewehren oder Hubschraubern auftauchen würden. Immer wieder zeigte sich dann, dass sich das Ministerium bei Verträgen hatte über den Tisch ziehen lassen und die Rüstungsfirmen auch bei Nichterfüllung der Aufträge besser wegkamen als der Bund. Bei diesen Etatverhandlungen dürfte von der Leyens Rüstungsstaatssekretärin Katrin Suder eine wichtige Rolle spielen. Je mehr sie beweisen kann, dass sie die Beschaffung bei der Bundeswehr nun professioneller organisiert hat als ihre Vorgänger, desto eher bleibt bei Schäuble und den Haushaltspolitikern im Bundestag der Eindruck, dass das viele Geld tatsächlich der Truppe zu Gute kommen würde.