BVB über den Bombenleger Motiv genauso krank wie bei Terroranschlag

Nach der Festnahme des mutmaßlichen Täters sind die Borussia-Dortmund-Profis erleichtert und spielen gut. Ein schnelles Geständnis von Sergej W. gibt es dagegen nicht.

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BVB: Motiv genauso krank wie bei Terroranschlag Quelle: dpa

Die Aufklärung des Sprengstoffanschlags auf den Teambus von Borussia Dortmund nimmt auch nach der Festnahme eines dringend Tatverdächtigen noch einige Zeit in Anspruch. Bei aller Empörung über die mutmaßlichen Habgier-Motive des Tatverdächtigen herrschte bei den BVB-Profis Erleichterung über dessen Festnahme am Freitag. Wie von Last befreit spielten sie nur einen Tag später im Bundesliga-Topspiel bei Borussia Mönchengladbach phasenweise groß auf. Mit dem 3:2-Sieg kam der Club seinem wichtigsten Saisonziel, der direkten Qualifikation für die Champions League, einen Schritt näher.

Die Ermittlungserfolge der Sicherheitsbehörden stärken den Glauben, das Trauma besser verarbeiten zu können. „Es ist ein Stück weit Erleichterung zu wissen, wer es war, dass er gefasst ist und hoffentlich auch bestraft wird“, sagte der BVB-Sportdirektor Michael Zorc dem TV-Sender Sky. Er brachte gleichwohl sein Befremden zum Ausdruck: „Die Motivlage ist genauso krank, wie sie bei einem terroristischen Anschlag gewesen wäre. Vielleicht hilft es aber bei der schnelleren Verarbeitung.“

Die Ermittler hatten den Verdächtigen schnell im Visier, Sergej W. (28) sei aber vor seiner Festnahme einige Tage beobachtet worden, um genug Beweise für einen Haftbefehl zu sammeln, sagte der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, am Freitagabend. Er widersprach im ZDF-„heute journal“ einem Bericht, der bei Tübingen Gefasste habe unmittelbar nach seiner Festnahme die Tat gestanden.

Laut BKA legte der Festgenommene zunächst eben kein Geständnis ab. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe äußerte sich auch am Sonntag nicht zu konkreten, offenen Fragen rund um den Verdächtigen. Nach den Explosionen sollen auch Herkunft und Art des Sprengstoffs geklärt werden, was „etwas komplexer und etwas aufwendiger“ sei. Die Kriminaltechniker untersuchen beispielsweise Bodenproben. In den vergangenen Tagen gab es Spekulationen, der Sprengstoff könnte aus Bundeswehrbeständen stammen. Nach dpa-Informationen hat Sergej W. von April bis Dezember 2008 seinen Grundwehrdienst geleistet.

Nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft handelte der Verdächtige aus Habgier: Demnach hat er an der Börse auf große Kursverluste der BVB-Aktie spekuliert. Anhaltspunkte für Mittäter gebe es nicht. Dem Verdächtigen wird versuchter Mord, Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion sowie gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Ihm droht damit eine lebenslange Haftstrafe. Der Mann hat die deutsche und die russische Staatsangehörigkeit und arbeitete seit Mitte 2016 als Elektriker in einem Tübinger Heizwerk.

Wie viel Geld der Verdächtige im Fall des Anschlags auf den BVB-Mannschaftsbus maximal an der Börse hätte gewinnen können, blieb zunächst unklar. Unklar ist auch, wie viel er investiert hat. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft nahm er für den Kauf der Derivate einen Verbraucherkredit in Höhe von mehreren Zehntausend Euro auf. Sicher ist: Je tiefer die Aktie des Fußballvereins gefallen wäre, desto höher wäre der Gewinn des Festgenommenen ausgefallen. Der BVB ging im Jahr 2000 als erster deutscher Sportverein an die Börse. Der Kauf der Derivate wurde den Angaben zufolge über einen Internetanschluss des Mannschaftshotels abgewickelt, in dem der Tatverdächtige bereits am 9. April, zwei Tage vor der Tat, ein Zimmer bezogen hatte - mit Blick auf den späteren Anschlagsort.

Am 11. April explodierten vor dem Champions-League-Spiel der Dortmunder gegen den AS Monaco drei Sprengsätze in der Nähe des Mannschaftsbusses. Die BVB-Spieler waren kurz zuvor mit ihrem Bus vom Mannschaftshotel zum Stadion abgefahren. Bei der Explosion wurde der Abwehrspieler Marc Bartra schwer verletzt. Der kapitalismuskritische Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel aus Bremen teilte am Sonntag mit: „Fußballvereinen innerhalb des DFB sollte der Gang zur Börse und damit die Abhängigkeit von manipulierbaren Kursen erspart werden.“ Ein Börsengang zeige wie andere verzweifelte Versuche, dass das Vorhaben, das Megaspektakel Fußball zu finanzieren, längst an Grenzen gestoßen sei. „Eine Entkommerzialisierung, die auch Fußball wieder erlebbar macht, und der Stopp der preistreibenden Verwertungsmaschine Fernsehmedien sollte angestrebt werden. Durch die Entkommerzialisierung könnte wieder neues Vertrauen - auch bei den Fans - gefördert werden.“

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