Berlin Der hessische CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch hat mit scharfer Kritik auf die jüngsten Griechenland-Beschlüsse der Großen Koalition reagiert. Kritisch sieht Willsch vor allem, dass die Abgeordneten am Donnerstag eine anschließende vorsorgliche Kreditlinie billigten, die dem schuldengeplagten Land bei der geplanten Rückkehr an den Kapitalmarkt Rückendeckung geben soll.
Willsch weist in seinem Newsletter „Hauptstadtbrief“ auf die geltende „Leitlinie für eine vorsorgliche Finanzhilfe“ hin, wonach die Unterstützung durch den Euro-Stabilisierungsfonds ESM nur für Euro-Länder in Frage komme, „deren wirtschaftliche und finanzielle Situation insgesamt nach wie vor solide ist“.
Die wirtschaftliche und finanzielle Situation Griechenlands sie aber „nach wie vor alles andere als solide“, betont der CDU-Politiker. Der Schuldenstand betrage 175,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), die Arbeitslosenrate liege bei 26,8 Prozent, und seit 2008 sei das BIP des Landes um fast ein Viertel geschrumpft.
Der Bundestag hatte am Donnerstag mit den Stimmen von Union und SPD Pläne der internationalen Geldgeber gebilligt, das laufende Griechenland-Hilfsprogramm um zwei Monate bis Ende Februar 2015 zu verlängern. Damit hätte Athen mehr Zeit, alle Auflagen zu erfüllen zur Auszahlung der letzten Kreditrate von 1,8 Milliarden Euro.
Griechenlands Schwächen
Griechenlands Ruf hat in der Euro-Krise arg gelitten. Nur zwei der 60 getesteten Staaten haben ein schlechteres Image als der Pleitestaat. Die Folge: Investoren meiden das Land, die Kreditwürdigkeit ist mies.
Nur 5,7 Prozent der gefragten Experten bescheinigten Griechenland, eine kompetente Regierung zu haben. In der Tat hat es Athen nicht geschafft, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen (Rang 60), für Wachstum zu sorgen (Rang 60) und die öffentlichen Finanzen auf Vordermann zu bringen.
Auch bei der Bildung und Weiterbildung der Bürger hat Griechenland großen Nachholbedarf. Fortbildung von Angestellten gibt es quasi nicht (Platz 58), auch die Qualität der Universitäten ist schlecht (Rang 51). Demzufolge gibt es auch wenige Forscher und Wissenschaftler (Rang 49). Besser schneidet der Krisenstaat bei der Frühförderung ab: Es gibt eine Vielzahl von Lehrern, die Klassen sind sehr klein (Rang 2).
Grünes Licht gab es auch dafür, dass Deutschland über eine vorsorgliche Kreditlinie des Euro-Rettungsfonds ESM für Athen verhandeln kann. Dabei geht es um bis zu 10,9 Milliarden Euro für bis zu zwölf Monate - allerdings nicht um weitere Hilfskredite. Vielmehr soll mit den noch zur Verfügung stehenden Mitteln ein „Sicherheitsnetz“ gespannt werden, damit sich Griechenland allmählich wieder am Markt Geld leihen kann.
Die Hilfen sind an Bedingungen geknüpft - etwa eine Einigung Griechenlands mit der Geldgeber-Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds über noch ausstehende Auflagen. Mit dem Bundestagsvotum hat Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) beim ESM zunächst ein Verhandlungsmandat. Vor einem endgültigen Beschluss muss der Bundestag erneut abstimmen.
Griechenland sei in einer besseren Verfassung, als die meisten in den vergangenen Jahren für möglich gehalten hätten, sagte Schäuble im Parlament. „Die Anstrengungen (...) beginnen sich für die Menschen in Griechenland auszuzahlen.“ Athen müsse aber wie verabredet weitere Reformen umsetzen. Auch die Geldgeber-Troika hatten dies verlangt.
Demgegenüber kann der CDU-Politiker Willsch nicht nachvollziehen, dass Griechenland nach all den schlechten Erfahrungen nun erneut einen „Blanko-Scheck in zweistelliger Milliardenhöhe“ überreicht werde. Willsch hält es für angebracht, einen anderen Weg einzuschlagen. „Griechenland muss aus dem Euro-Währungsgebiet austreten.“ Das sei auch im Interesse der Griechen der einzige erfolgversprechende Weg.
Willsch untermauert seine Forderung damit, dass Griechenland seinen Finanzbedarf für 2015 selbst gar nicht genau beziffern könne. Die EU-Kommission gehe von einem Betrag zwischen sechs und zwölf Milliarden Euro aus. „Diese Aussage ist zugleich schockierend und alarmierend“, erklärt Willsch. Im fünften Jahr der Euro-Krise schaffe es Athen nicht, einen Haushalt aufzustellen und dabei seinen Finanzbedarf genau benennen zu können.
Zweiter Zahlungsausfall dürfte Euro-Austritt beschleunigen
„Ganz vereinfacht auf Deutschland umgerechnet würde dies bedeuten, dass der Deutsche Bundestag bei der Verabschiedung seines Haushalts nicht wüsste, ob er hundert oder zweihundert Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen muss, um über die Runden zu kommen“, erläutert der CDU-Politiker. „So etwas kann nur der machen, der weiß, dass in der Not ein anderer die Zeche zahlt. Und das sind am Ende vor allem wir Deutsche.“
Der Chefvolkswirt der DZ Bank, Stefan Bielmeier, hält einen Euro-Austritt Griechenlands ohne große Verwerfungen für den Euroraum für möglich. Ein solches Szenario könnte aus seiner Sicht angesichts der politisch turbulenten Zeiten in Athen schnell Realität werden.
Dahinter steht der Umstand, dass die Diskussion um künftige Finanzhilfen auch die Wahl eines neuen griechischen Präsidenten bestimmt, die am Mittwoch im ersten Durchgang gescheitert war. Sollte der Kandidat der Regierung, Ex-EU-Kommissar Stavros Dimas, auch im zweiten und dritten Wahlgang im Parlament durchfallen, sind vorgezogene Parlamentswahlen vorgeschrieben. Umfragen sehen seit Monaten das Linksbündnis Syriza als Sieger, das die harte Spar- und Kürzungspolitik der EU ablehnt.
Der derzeitige Ministerpräsident Samaras kämpft zwar um einen Verbleib im Amt, doch Syriza und ihr Vorsitzender Tsipras haben gute Chancen, ihn zu beerben. „Gelingt dies, dürften sich die ohnehin schwierigen Verhandlungen zwischen Griechenland und der Troika nochmals zäher gestalten“, schreibt Bielmeier in seinem Blog. Bislang herrsche zwar die Meinung vor, dass der wirtschaftliche Zwang oder die Sorge um die Folgewirkungen eines Scheiterns der Verhandlungen beide Seiten zur Einsicht zwinge. Doch was in den Vorjahren „sicherlich noch zutraf, muss aber nicht zwangsläufig 2015 noch Gültigkeit haben“, gibt der DZ-Bank-Ökonom zu bedenken.
Nach Einschätzung Bielmeiers ist die Troika „offenkundig nicht bereit, sich von einer neuen, forsch agierenden Regierung in Athen politisch erpressen zu lassen“. Platzen die Verhandlungen, müsse sich daher Syriza entscheiden, ob sie die laufenden Ausgaben zugunsten von Zins- und Kapitalzahlungen an Investoren kürzt. „Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass sie, um ihre Glaubwürdigkeit nicht mit einem Schlag einzubüßen, eher einen Zahlungsausfall riskierte, als sich den Zorn des Volkes zuzuziehen“, ist Bielmeier überzeugt.
Die Auswirkungen eines möglichen Zahlungsausfalles für die Kapitalmärkte wären wohl „relativ gering“, glaubt der Ökonom. „Der in den letzten Jahren aufgebaute institutionelle Rahmen im Euroraum, bestehend aus ESM und EZB-Hilfen, sollte etwaige Schockwellen stark dämpfen und Ansteckungseffekte auf andere Länder des Euroraumes weitestgehend verhindern“, begründet Bielmeier seine Einschätzung. Zudem sei das anstehende Ankaufprogramm von Staatsanleihen durch die EZB in der Lage, mögliche Verunsicherungen von Investoren relativ gering zu halten. „Die EU hat also gute Gründe zu glauben, dass Griechenland inzwischen allgemein als isolierter Fall wahrgenommen wird.“
Ein harte Haltung der Geldgeber hätte aus Sicht Bielmeiers auch den Vorteil, dass die Glaubwürdigkeit der Institutionen des Euroraumes und auch des Maastricht-Vertrages deutlich gestärkt würde. Zudem würde man auch ein „starkes Signal an andere Länder senden, die die notwendige und von der EU-Kommission angemahnte Haushaltskonsolidierung nicht mit der notwendigen Ernsthaftigkeit vorantreiben“. Insgesamt könne daher der langfristige Gesamteffekt eines möglichen Zahlungsausfalles Griechenlandes für den Euroraum sogar positiv sein.
Erleidet Griechenland den zweiten Zahlungsausfall innerhalb von drei Jahren und ist der Refinanzierungszugang des Landes im Euroraum kaum oder gar nicht mehr gegeben, dürfte der Schritt zum Austritt aus dem Währungsraum nach Bielmeiers Einschätzung kein großer mehr sein. „Es wäre das Ende einer Liaison, die von Anfang an unter keinem guten Stern stand“, schreibt er in seinem Blog. „Die Appelle aus Brüssel und Berlin, am Euro festzuhalten, dürften ob der fehlenden Bereitschaft zu größeren Zugeständnissen nach kurzer Zeit wieder verstummen.“