CDU-Abgeordneter Klaus-Peter Willsch "Deutsche werden Zeche für Griechenland zahlen"

Dass die Große Koalition neue Griechenland-Hilfen durchwinkt, ist für den CDU-Politiker Klaus-Peter Willsch nicht nachvollziehbar. Das Land sollte den Euro verlassen, fordert er. Auch die DZ Bank favorisiert ein solches Szenario.

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Zehn faszinierende Fakten über die EU
EU heißt nicht, dass auch mit Euro bezahlt wirdDie Europäische Union ist seit ihrer Entstehung ständig gewachsen. Aktuell besteht sie aus 28 Mitgliedsstaaten. Die EU ist jedoch nicht mit der Eurozone gleichzusetzen. Diese besteht derzeit aus 18 Euro-Staaten, die auch mit der Gemeinschaftswährung Euro bezahlen. Zuletzt stieg Lettland am 1. Januar 2014 als 18. EU-Land in den Euro ein. Von den zehn weiteren EU-Staaten sind acht verpflichtet, den Euro einzuführen, sobald sie die dafür vereinbarten Kriterien erfüllen. Großbritannien und Dänemark haben als einzige Länder eine Ausstiegsoption. Quelle: dpa
Eine Union, eine Sprache?Dies ist nicht so. Insgesamt gibt es derzeit 24 Amtssprachen von Bulgarisch bis Ungarisch. Als bislang letzte Sprache kam 2013 Kroatisch hinzu. Das bietet reichlich Arbeit für Dolmetscher: Da jede Sitzung des Europa-Parlaments in alle Sprachen übersetzt wird, bedeutet das 552 Kombinationsmöglichkeiten der Amtssprachen für die Dolmetscher. Im Jahr 2013 wurden 2,024 Millionen Seiten von Dokumenten übersetzt. Quelle: dpa
In der EU geht es nicht allen gutDie EU-Länder sind vor allem durch die Wirtschaftskrise weit davon entfernt, ihr „2020-Ziel“ zu erreichen. Es sieht vor, bis zum Jahr 2020 mindestens 20 Millionen Menschen aus Armut und sozialer Ausgrenzung zu holen. Statistiken von 2011 zeigen, dass 24 Prozent der EU-Bürger von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind. Das sind mehr als 120 Millionen Menschen. 9 Prozent leiden unter akuter materieller Armut, das heißt, sie können sich zum Beispiel keine Waschmaschine und kein Telefon leisten und haben auch kein Geld für Heizkosten oder unvorhergesehene Ausgaben. Dabei leben 12 Millionen mehr Frauen als Männer in Armut. Zehn Prozent der EU-Bürger leben in einem Haushalt, in dem niemand eine Arbeit hat. Quelle: dpa
EU hat weniger Angestellte als der Frankfurter Flughafen23.000 Beamte arbeiten für die EU. Mit externen Experten und zeitlich befristeten Angestellten kommt die EU auf 34.000 Mitarbeiter. Und das, obwohl sie für 500 Millionen Menschen zuständig ist. Zum Vergleich: Am Flughafen Frankfurt sind 60.000 Menschen tätig. Quelle: dpa
Die Zeit der alten Hasen ist vorbeiMit Hans-Gert Pöttering, der 2014 nicht mehr kandidiert, verlässt nach der Abstimmung der letzte EU-Abgeordnete der ersten Stunde das Parlament. Er saß seit der ersten direkten Wahl zum Europäischen Parlament im Jahr 1979 durchgehend in Straßburg. Quelle: REUTERS
Der „Trilog“ ist wichtigDieses kuriose Wort beschreibt ein informelles Treffen zwischen Vertretern der EU-Kommission, der Ratspräsidentschaft  und des Parlaments. Die drei Parteien treffen sich beim „Trilog“, um nach Kompromissen zu suchen, die bei beiden Gesetzgebern der EU (Rat und Parlament) durchsetzbar sind. Damit ist der „Trilog“ eines der wichtigsten Instrumente der EU-Gesetzgebung, obwohl er in keinem EU-Vertrag Erwähnung findet. Im Bild ist das Parlamentsgebäude der EU in Straßburg zu sehen. Quelle: dpa
Jeder dritte Abgeordnete ist weiblichDer Frauenanteil unter den Europaabgeordneten ist seit 1979 stetig gestiegen: von zunächst 18 auf heute 35 Prozent. Damit liegt die Quote über dem Durchschnitt der nationalen Parlamente in Europa. Vorreiter ist hier Finnland mit einem Frauenanteil von 62 Prozent. Zum Vergleich: Deutschland liegt im oberen Mittelfeld, hier sind von 99 Abgeordneten 37 weiblich. Quelle: dpa

Berlin Der hessische CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch hat mit scharfer Kritik auf die jüngsten Griechenland-Beschlüsse der Großen Koalition reagiert. Kritisch sieht Willsch vor allem, dass die Abgeordneten am Donnerstag eine anschließende vorsorgliche Kreditlinie billigten, die dem schuldengeplagten Land bei der geplanten Rückkehr an den Kapitalmarkt Rückendeckung geben soll.

Willsch weist in seinem Newsletter „Hauptstadtbrief“ auf die geltende „Leitlinie für eine vorsorgliche Finanzhilfe“ hin, wonach die Unterstützung durch den Euro-Stabilisierungsfonds ESM nur für Euro-Länder in Frage komme, „deren wirtschaftliche und finanzielle Situation insgesamt nach wie vor solide ist“.

Die wirtschaftliche und finanzielle Situation Griechenlands sie aber „nach wie vor alles andere als solide“, betont der CDU-Politiker. Der Schuldenstand betrage 175,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), die Arbeitslosenrate liege bei 26,8 Prozent, und seit 2008 sei das BIP des Landes um fast ein Viertel geschrumpft.

Der Bundestag hatte am Donnerstag mit den Stimmen von Union und SPD Pläne der internationalen Geldgeber gebilligt, das laufende Griechenland-Hilfsprogramm um zwei Monate bis Ende Februar 2015 zu verlängern. Damit hätte Athen mehr Zeit, alle Auflagen zu erfüllen zur Auszahlung der letzten Kreditrate von 1,8 Milliarden Euro.

Griechenlands Schwächen

Grünes Licht gab es auch dafür, dass Deutschland über eine vorsorgliche Kreditlinie des Euro-Rettungsfonds ESM für Athen verhandeln kann. Dabei geht es um bis zu 10,9 Milliarden Euro für bis zu zwölf Monate - allerdings nicht um weitere Hilfskredite. Vielmehr soll mit den noch zur Verfügung stehenden Mitteln ein „Sicherheitsnetz“ gespannt werden, damit sich Griechenland allmählich wieder am Markt Geld leihen kann.

Die Hilfen sind an Bedingungen geknüpft - etwa eine Einigung Griechenlands mit der Geldgeber-Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds über noch ausstehende Auflagen. Mit dem Bundestagsvotum hat Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) beim ESM zunächst ein Verhandlungsmandat. Vor einem endgültigen Beschluss muss der Bundestag erneut abstimmen.

Griechenland sei in einer besseren Verfassung, als die meisten in den vergangenen Jahren für möglich gehalten hätten, sagte Schäuble im Parlament. „Die Anstrengungen (...) beginnen sich für die Menschen in Griechenland auszuzahlen.“ Athen müsse aber wie verabredet weitere Reformen umsetzen. Auch die Geldgeber-Troika hatten dies verlangt.


Demgegenüber kann der CDU-Politiker Willsch nicht nachvollziehen, dass Griechenland nach all den schlechten Erfahrungen nun erneut einen „Blanko-Scheck in zweistelliger Milliardenhöhe“ überreicht werde. Willsch hält es für angebracht, einen anderen Weg einzuschlagen. „Griechenland muss aus dem Euro-Währungsgebiet austreten.“ Das sei auch im Interesse der Griechen der einzige erfolgversprechende Weg.

Willsch untermauert seine Forderung damit, dass Griechenland seinen Finanzbedarf für 2015 selbst gar nicht genau beziffern könne. Die EU-Kommission gehe von einem Betrag zwischen sechs und zwölf Milliarden Euro aus. „Diese Aussage ist zugleich schockierend und alarmierend“, erklärt Willsch. Im fünften Jahr der Euro-Krise schaffe es Athen nicht, einen Haushalt aufzustellen und dabei seinen Finanzbedarf genau benennen zu können.

Zweiter Zahlungsausfall dürfte Euro-Austritt beschleunigen

„Ganz vereinfacht auf Deutschland umgerechnet würde dies bedeuten, dass der Deutsche Bundestag bei der Verabschiedung seines Haushalts nicht wüsste, ob er hundert oder zweihundert Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen muss, um über die Runden zu kommen“, erläutert der CDU-Politiker. „So etwas kann nur der machen, der weiß, dass in der Not ein anderer die Zeche zahlt. Und das sind am Ende vor allem wir Deutsche.“

Der Chefvolkswirt der DZ Bank, Stefan Bielmeier, hält einen Euro-Austritt Griechenlands ohne große Verwerfungen für den Euroraum für möglich. Ein solches Szenario könnte aus seiner Sicht angesichts der politisch turbulenten Zeiten in Athen schnell Realität werden.

Dahinter steht der Umstand, dass die Diskussion um künftige Finanzhilfen auch die Wahl eines neuen griechischen Präsidenten bestimmt, die am Mittwoch im ersten Durchgang gescheitert war. Sollte der Kandidat der Regierung, Ex-EU-Kommissar Stavros Dimas, auch im zweiten und dritten Wahlgang im Parlament durchfallen, sind vorgezogene Parlamentswahlen vorgeschrieben. Umfragen sehen seit Monaten das Linksbündnis Syriza als Sieger, das die harte Spar- und Kürzungspolitik der EU ablehnt.

Der derzeitige Ministerpräsident Samaras kämpft zwar um einen Verbleib im Amt, doch Syriza und ihr Vorsitzender Tsipras haben gute Chancen, ihn zu beerben. „Gelingt dies, dürften sich die ohnehin schwierigen Verhandlungen zwischen Griechenland und der Troika nochmals zäher gestalten“, schreibt Bielmeier in seinem Blog. Bislang herrsche zwar die Meinung vor, dass der wirtschaftliche Zwang oder die Sorge um die Folgewirkungen eines Scheiterns der Verhandlungen beide Seiten zur Einsicht zwinge. Doch was in den Vorjahren „sicherlich noch zutraf, muss aber nicht zwangsläufig 2015 noch Gültigkeit haben“, gibt der DZ-Bank-Ökonom zu bedenken.

Nach Einschätzung Bielmeiers ist die Troika „offenkundig nicht bereit, sich von einer neuen, forsch agierenden Regierung in Athen politisch erpressen zu lassen“. Platzen die Verhandlungen, müsse sich daher Syriza entscheiden, ob sie die laufenden Ausgaben zugunsten von Zins- und Kapitalzahlungen an Investoren kürzt. „Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass sie, um ihre Glaubwürdigkeit nicht mit einem Schlag einzubüßen, eher einen Zahlungsausfall riskierte, als sich den Zorn des Volkes zuzuziehen“, ist Bielmeier überzeugt.

Die Auswirkungen eines möglichen Zahlungsausfalles für die Kapitalmärkte wären wohl „relativ gering“, glaubt der Ökonom. „Der in den letzten Jahren aufgebaute institutionelle Rahmen im Euroraum, bestehend aus ESM und EZB-Hilfen, sollte etwaige Schockwellen stark dämpfen und Ansteckungseffekte auf andere Länder des Euroraumes weitestgehend verhindern“, begründet Bielmeier seine Einschätzung. Zudem sei das anstehende Ankaufprogramm von Staatsanleihen durch die EZB in der Lage, mögliche Verunsicherungen von Investoren relativ gering zu halten. „Die EU hat also gute Gründe zu glauben, dass Griechenland inzwischen allgemein als isolierter Fall wahrgenommen wird.“

Ein harte Haltung der Geldgeber hätte aus Sicht Bielmeiers auch den Vorteil, dass die Glaubwürdigkeit der Institutionen des Euroraumes und auch des Maastricht-Vertrages deutlich gestärkt würde. Zudem würde man auch ein „starkes Signal an andere Länder senden, die die notwendige und von der EU-Kommission angemahnte Haushaltskonsolidierung nicht mit der notwendigen Ernsthaftigkeit vorantreiben“. Insgesamt könne daher der langfristige Gesamteffekt eines möglichen Zahlungsausfalles Griechenlandes für den Euroraum sogar positiv sein.

Erleidet Griechenland den zweiten Zahlungsausfall innerhalb von drei Jahren und ist der Refinanzierungszugang des Landes im Euroraum kaum oder gar nicht mehr gegeben, dürfte der Schritt zum Austritt aus dem Währungsraum nach Bielmeiers Einschätzung kein großer mehr sein. „Es wäre das Ende einer Liaison, die von Anfang an unter keinem guten Stern stand“, schreibt er in seinem Blog. „Die Appelle aus Brüssel und Berlin, am Euro festzuhalten, dürften ob der fehlenden Bereitschaft zu größeren Zugeständnissen nach kurzer Zeit wieder verstummen.“

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