CDU/CSU Kein Aufbruch, keine Begeisterung

Nach Monaten des Streits verkünden CDU und CSU, sie wollten tatsächlich zusammen eine Wiederwahl Kanzlerin Merkels erreichen. Doch die Union bleibt ideenlos, wie sie die Wähler noch einmal von sich überzeugen will.

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Angela Merkel (l), Horst Seehofer (r). Quelle: AP

Moment mal. Was haben die Unionsparteien bei ihrem Treffen gestern und heute in München vorangebracht? Was haben CDU und CSU an neuer Gemeinsamkeit und Schwung für die Bundestagswahl in gut sieben Monaten gefunden? Sie haben Angela Merkel als gemeinsame Kanzlerkandidatin ausgerufen, nachdem die CDU-Chefin auf das OK aus München Monat um Monat warten musste. CSU-Chef Horst Seehofer hatte diese Unterstützung mit Hinweis auf Meinungsverschiedenheiten in der Flüchtlingspolitik verzögert. Jetzt wurde die Zeit knapp für die Vorbereitungen zu einem gemeinsamen Wahlkampf.

Doch jenseits der Personalie Merkel ist alles weiter offen – und die Union in schlechter Verfassung. Die Obergrenze für Flüchtlinge, die Deutschland im Jahr aufnimmt: Das verlangt die CSU nach wie vor, sie macht immer noch davon abhängig, ob sie in eine mögliche neue Koalition im Bund eintritt. Die CDU weigert sich ebenso stetig, das sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Ein gemeinsames Wahlprogramm: Das wollen beide. Nur was drin steht, was sich die Bürger unter einer Unions-Regierung vorstellen sollen, das vertagen die Unionsparteien erst mal bis in den Sommer. Ein gemeinsamer Gegner: Nicht mal den machen die Schwesterparteien aus. Für die CDU geht es vor allem gegen die SPD und um die Wähler der Mitte.

Die Grünen werden geschont, schließlich könnten die ein Koalitionspartner sein. Die CSU dagegen feuert gegen die Ökopartei und wirbt vor allem auch um die abspenstigen Wähler, die nach rechts driften und bei der AfD landen könnten.

Beide Parteichefs haben durch ihren zähen Zank nichts gewonnen. Beide wirken müde und nur dem gemeinsamen Ziel verbunden, erneut die Mehrheit und die Macht in Berlin zu erringen. Unterdessen schickt sich der SPD-Herausforderer Martin Schulz an, die eben noch uneinholbare Kanzlerin bei der Beliebtheit einzuholen. Da kann zwar schnell wieder die Luft entweichen. Allerdings ist so ein unvorhersehbarer Schulz-Höhenflug sehr ungemütlich für Merkel, weil praktisch kaum ein Wähler Genaueres weiß von diesem Politiker oder seinen Zielen. Zischt Schulz nach oben, heißt das im Umkehrschluss auch, dass die Leute mit Merkel nicht mehr recht zufrieden sind.  

Hinter den beiden Chefs der Unionsparteien liegen 17 Monate Streit. Damals im Sommer 2015 entschied Angela Merkel, hunderttausende Flüchtlinge zeitweise ohne Beachtung von EU-Regeln und sonstigen Regularien nach Deutschland einreisen zu lassen. CSU-Chef Seehofer sprach von einer „Herrschaft des Unrechts“, die so entstanden sei und legte sich bei Merkel quer, wo es nur ging. Eins kann man ihm allerdings nicht vorwerfen: In Bayern, wo die allermeisten Flüchtlinge in Deutschland ankamen, laufen Aufnahme und Integration der Neuen besser als in den meisten anderen Bundesländern.

Jetzt ziehen sie also los, Angela Merkel und Horst Seehofer. In einen Wahlkampf, der schmutziger und schwieriger werden wird als die vorigen. Mehr Parteien und mehr Populisten treten an als früher, soziale Medien mit all ihrer Aufgeregtheit und Manipulationsmacht werden wichtiger.

So schlecht das Bild der Union grade ist, so ist doch eine Folge davon positiv. Wenn Wähler denken, dass nicht nur die unausweichliche Kanzlerin Merkel zur Wahl steht, sondern auch ein Herausforderer eine Chance hat, wird es wieder spannend. Nur jenseits der schwarz-roten, „großen“ Koalition hat die Demokratie langfristig Bestand. Die Parteien müssen dann kämpfen und sich unterscheiden vom Angebot der politischen Konkurrenz.  Das dürfte dann helfen, dass die Verletzungen bei Merkel und Seehofer schneller vernarben und Wähler demnächst möglichst genau erfahren, was sie von Merkel und Co. noch zu erwarten haben.

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