Mit der FDP aber hat es nicht nur den Wunsch-Koalitionspartner erwischt, sondern auch eine der traditionsreichsten, ältesten Parteien Deutschlands. Ihre Wurzeln gehen bis auf das erste deutsche Parlament zurück, das sich 1948 in der Frankfurter Paulskirche versammelte. Schon seit damals gibt es innerhalb des liberalen Flügels drei Strömungen: Den Marktliberalismus, der sich gegen Eingriffe des Staates in die Wirtschaft wendet. Den Bürgerrechtsliberalismus, der für die Einhaltung der Grundrechte kämpft. Und der Nationalliberalismus, der nach individueller Freiheit, vor allem aber nach nationaler Souveränität strebt. Die FDP allerdings verkörpert heute nur noch eine dieser Strömungen, sagt Parteiforscher Ulrich von Alemann: den Marktliberalismus. Wer sich um seine Bürgerrechte sorgt, fühlt sich von den Piraten oder den Grünen besser vertreten.
In den Abhörskandalen des US-Geheimdienstes NSA wirkte die FDP wie versteinert. Und die nationale Selbstbestimmung, eine Kraft gegen das sich immer mehr Rechte einverleibende Konstrukt Europa, verkörperte in diesem Wahlkampf alleine die Alternative für Deutschland (AfD). Sie greift das Unbehagen an der Euro-Politik auf, das innerhalb der FDP kaum mehr eine Stimme fand, in der Kritiker wie der unermüdliche Frank Schaeffler ausgegrenzt wurden. So betrachtet ist die Alternative für Deutschland eine legitime Schwester der FDP, Fleisch von ihrem Fleisch und gleichzeitig fleddert sie am liberalen Kadaver.
Politisch betrachtet ist sie ab sofort ihr Erzfeind, auch wenn es für die AfD am Ende nicht ganz gereicht hat. Denn einen ganzen Abend lang ging es im liberalen Lager doch vor vor allem um eine Frage: Zieht die AfD in den Bundestag ein, dann haben wir es nicht nur mit einer bitteren Stunde für die FDP zu tun, sondern mit einer existenzbedrohenden Krise der FDP in den nächsten vier Jahren. Die AfD hätte die Plattform Bundestag nutzen können, um den Liberalen als eine Art bessere FDP vollends den Rang abzulaufen: als ordnungspolitische Instanz und Stimme der ökonomischen Austeritätsvernunft.
Bernd Lucke, Alexander Gauland und Joachim Starbatty hätten dann bei Jauch, Will und Illner gesessen und ihre Popularitätswerte erhöht – und nicht mehr Guido Westerwelle, Philipp Rösler oder Rainer Brüderle. Hätte die AfD sich gegen die FDP durchgesetzt, ihr Profil als liberale Kraft gegen die FDP geschärft – hätte das das Ende der FDP bedeuten können. Jetzt allerdings, nachdem FDP und AfD es nicht geschafft haben, darf man gespannt auf die Entwicklung in beiden Parteien sein: Schafft die FDP mit Christian Lindner an der Spitze einen Neuanfang? Und: Kann die AfD ihren Anfangserfolg verstetigen – nicht nur bei der Europawahl, sondern auch in der Fläche, bei künftigen Landtagswahlen?