CDU FDP und Grüne können bei Jamaika nicht die Bestimmer sein

Union, FDP und Grüne pokern bereits vor den avisierten Jamaika-Gesprächen. Und in den neuen Fraktionen stehen erste Personalentscheidungen an.

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Eine Packung mit Müsliriegeln in den Farben der Flagge von Jamaika Quelle: dpa

Bereits vor Beginn der avisierten Gespräche über die Bildung einer Jamaika-Koalition bemüht sich neben der FDP und den Grünen nun auch die Union, inhaltliche Pflöcke einzuschlagen. Der CDU-Vizevorsitzende Volker Bouffier wies den potenziellen Partnern dieses Dreierbündnisses Nebenrollen zu: „Jamaika funktioniert nur, wenn die mit Abstand stärkste Kraft, die Union, das bestimmende Element ist und wenn die anderen Partner wissen, dass sie nicht die Bestimmer sein können“, sagte der Ministerpräsident, der in Hessen zusammen mit den Grünen regiert, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.

Grüne und FDP bekräftigten ihre Gesprächsbereitschaft und pochten zugleich auf ihre inhaltlichen Linien. Schleswig-Holsteins grüner Umweltminister Robert Habeck, der das Jamaika-Modell aus Kiel kennt, nannte Sondierungsgespräche im Radiosender HR-Info „logisch, notwendig und irgendwie zwingend“. Auch der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Sven-Christian Kindler vom linken Parteiflügel, begrüßte mögliche Gespräche. Union und FDP müssten aber ihre Gegenwehr beim Klimaschutz, bei der Bekämpfung sozialer Ungleichheit und bei einer menschenrechtsorientierten Flüchtlingspolitik aufgeben, sagte er der „Heilbronner Stimme“.

FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki zeigte sich realistisch. „Die programmatischen Unterschiede sind groß“, sagte er der Oldenburger „Nordwest-Zeitung“. „Alle werden Kompromisse machen müssen.“ Als Kernpunkte nannte er ein Zuwanderungsgesetz und eine beschleunigte Digitalisierung.

Was prominente Deutsche sich wünschen
Es war keine leichte Frage: Welche Idee würde ich in Deutschland umsetzen, wenn ich die Wahl hätte? Damit zog der Fotograf Stefan-Thomas Kröger durch Deutschland, um 40 Prominente aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft nach ihren Vorschlägen für ein zukunftsfähiges Deutschland zu fragen. Dann bat er sie, an einem Tisch, wie er hier im Festsaal von Schloss Heiligenberg in Schwaben steht (Foto), Platz zu nehmen für ein Porträt. Herausgekommen sind die Bilder und Wünsche, die Sie auf den folgenden Seiten sehen und nachlesen können. Das komplette Heft mit Stimmen und Fotos aller Promis können Sie hier herunterladen. Quelle: Stefan Thomas Kröger für WirtschaftsWoche
„Ich würde vor allem in die Bildung junger Menschen investieren. Durchlässige und damit stabile Gesellschaften zeichnen sich dadurch aus, dass sie jedem – unabhängig von Herkunft und sozialem Hintergrund – die Chance auf Bildung geben.“Ann-Kristin Achleitner , Professorin an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der TU München Quelle: Stefan Thomas Kröger für WirtschaftsWoche
„Ich würde unsere kleineren und mittelständischen Unternehmen mit der besten digitalen Infrastruktur ausstatten und ihnen alle nötigen Investitionen ermöglichen, die nötig sind.“Dorothee Bär , Staatssekretärin, Verkehrsministerium Quelle: Stefan Thomas Kröger für WirtschaftsWoche
„Ich würde die junge Generation wieder für Europa begeistern und ein obligatorisches Schuljahr in einem anderen EU-Land einführen.“Oliver Bäte , Vorstandschef, Allianz Quelle: Stefan Thomas Kröger für WirtschaftsWoche
„Wenn ich die Wahl hätte, dann würde ich mir mehr Handlungswillen in einigen europäischen Mitgliedstaaten zur Lösung eigener Finanz- und Wirtschaftsprobleme wünschen. Noch so ausgeklügelte Wunschkataloge für ein optimiertes Europa bieten dafür keinen Ersatz. Ob es um mehr Wettbewerbsfähigkeit, mehr Beschäftigung, weniger Schulden oder mehr Stabilität der Banken geht – ohne entschlossenes Handeln vor Ort kommen wir nicht zum gemeinsamen Ziel. Es liegt in der Verantwortung der Mitgliedstaaten, ihre Reformversprechen umzusetzen. Jeder muss seine Aufgaben erledigen – für sich selbst und für Europa.“Dr. Wolfgang Schäuble , MdB, Bundesminister der Finanzen Quelle: Dominik Butzmann für WirtschaftsWoche
„Ich würde den Solidaritätszuschlag in bisheriger Form abschaffen und das Geld für den Ausbau eines bundesweiten 5G-Mobilfunknetzes nutzen. Sobald das erreicht ist, gehört der Soli weg.“Cornelius Baur , Deutschlandchef, McKinsey Quelle: Stefan Thomas Kröger für WirtschaftsWoche
„Ich würde zur Unterstützung der lebendigen deutschen Filmkultur und -wirtschaft aufrufen: Das beginnt damit, dass von einem zentralen und attraktiven Film-Haus als Ort der Kreativität und Kommunikation nicht nur geredet wird. Und es hört noch lange nicht auf, wenn man auf europäischer Ebene nicht vergisst, dass es nur etwas zu vermarkten gibt, wenn die einfachsten Rechte der Urheber und Produzenten nicht ignoriert werden.“Iris Berben , Schauspielerin und Präsidentin der Deutschen Filmakademie Quelle: Stefan Thomas Kröger für WirtschaftsWoche

Einer rechnerisch ebenfalls denkbaren Fortsetzung der großen Koalition hat die SPD eine Absage erteilt. Ein Jamaika-Bündnis aus Union, FDP und Grünen ist deshalb derzeit die einzige plausible Regierungskonstellation.

Differenzen gibt es dabei auch zwischen den Unionsparteien, die bei der Bundestagswahl beide massiv verloren haben, die CSU noch stärker als die CDU. „Dieses Wahlergebnis kann uns nicht kalt lassen“, sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer der „Passauer Neuen Presse“. „Die CSU hat den Wählerinnen und Wählern Garantien gegeben, und dazu gehört auch eine Obergrenze für Flüchtlinge.“ Die CDU-Vorsitzende, Kanzlerin Angela Merkel, hat diese bisher stets abgelehnt, am Montag aber nur noch gesagt, es werde eine Lösung geben.

Über das Wahlergebnis und die Neuaufstellung werden an diesem Dienstag auch die neuen Bundestagsfraktionen in Berlin beraten, mit Ausnahme der FDP, die bereits am Montag getagt hat.

Bei der Union wollen CDU und CSU die Fortsetzung ihrer Fraktionsgemeinschaft beschließen. Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer wollen den Abgeordneten dann die Wiederwahl von Fraktionschef Volker Kauder vorschlagen. Die CSU-Landesgruppe will zuvor bereits den Nachfolger ihrer bisherigen Vorsitzenden Gerda Hasselfeldt wählen. Seehofer will dafür den bisherigen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt vorschlagen.

Für die Wirtschaft ist entscheidend, dass die Regierungsbildung nicht zu lange dauert. „Angesichts der weltpolitischen Lage und der wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten braucht Deutschland möglichst schnell eine stabile und handlungsfähige Regierung“, schrieb Arbeitgeber-Präsident Ingo Kramer in einem Beitrag für die „Passauer Neue Presse“.

Mit einer Jamaika-Koalition würde die Wirtschaft nach Einschätzung des Bundesverbands Groß- und Außenhandel gut zurechtkommen. Die Koalition könne sehr stabil sein, sagte Verbandspräsident Anton Börner der „Südwest Presse“ (Dienstag). „Denn die großen Themen kommen nicht aus dem Inland, sondern sie werden uns von der Welt vorgegeben.“

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