CDU-Kandidatin Julia Klöckner Leere Worte in Koblenz

Bei einem Unternehmertreffen bekommt CDU-Vize Julia Klöckner Zuspruch für ihre Vorschläge zur Flüchtlingspolitik. Bei anderen Themen bleibt sie blass. Gut, dass es ihren Freund und Förderer Friedrich Merz noch gibt.

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Julia Klöckner, die CDU-Spitzenkandidatin für die Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz: Der Politikerin könnte schnell die Puste ausgehen, wenn es um Innen- und Wirtschaftspolitik geht. Aber zum Glück ist ja dieser Tage alles Flüchtlingspolitik. (Archivbild) Quelle: dpa

Koblenz Natürlich legt Friedrich Merz einen besonderen Auftritt hin. Schon seine Anreise imponiert den anwesenden Unternehmern. Montagmittag, Koblenz, Rhein-Ufer, Brauereiausschank. Die CDU Rheinland-Pfalz hat zum Wirtschaftsgipfel gebeten, um die einhundert sind gekommen. Um Punkt zwölf wippt Julia Klöckner gut gelaunt in den Saal, flötet ein „Hallo“ zu den vielen Herren und wenigen Damen und verkündet: „Unser Freund Friedrich Merz kommt auch gleich. Er fliegt heute selbst und ist gerade gelandet.“ Ohh, tönt es aus den Reihen. Minuten später steht Merz auch auf der Bühne. Dann kann es ja losgehen.

Eigentlich sollten die Mittelständler hier sein, um mit Klöckner über die wichtigen Themen der kommenden fünf Jahre in Rheinland-Pfalz zu sprechen. Über Bürokratieabbau, Infrastruktur, Industrie 4.0. Doch viele im Saal nennen andere Gründe für ihr Kommen: Friedrich Merz und die Flüchtlinge. „Der Merz ist einfach interessant, den kennt man“, sag etwa Werner Wolff, ehemaliger Werksleiter einer Süßwarenfabrik.

Und Werner Zimmermann, Chef des Beschichtungsspezialisten Rhenocoll, sagt: „Der Friedrich Merz sollte unbedingt zurück in die Politik.“ Bestimmendes Thema heute? „Natürlich die Flüchtlinge. Das ist ja das Thema des ganzen Wahlkampfes.“ So kommt es denn auch. Und es ist der Grund für Klöckners gute Laune.

Am Wochenende hat die CDU-Bundesvize mit ihrem „Plan A2“ für Aufsehen gesorgt und viel Beifall aus den eigenen Reihen bekommen. Ihr Vorschlag sieht vor, an der Grenze zu Österreich „Grenzzentren“ einzurichten , in denen die Flüchtlinge registriert und medizinisch gecheckt werden sollen. Zudem will Klöckner in diesen Erstaufnahmeeinrichtungen bereits die Asylanträge prüfen lassen und diejenigen zurückschicken, die keine Chance auf Anerkennung haben.

Es ist ihr Versuch, den Spagat zu schaffen: Auf der einen Seite muss sie verhindern, bei der anstehenden Landtagswahl in Rheinland-Pfalz allzu viele Wähler an die rechtspopulistische AfD zu verlieren. Auf der anderen Seite muss sie als CDU-Bundesvize und erklärte „Kronprinzessin“ Merkels die Willkommenspolitik der Kanzlerin verteidigen. „Das ist wirklich ein Spagat. Das wird nicht einfach“, sagt Beschichtungsunternehmer Zimmermann. Mit dieser Meinung steht er nicht allein.


Applaus für Klöckners „Plan A2“

Vorne auf der Bühne versucht Klöckner also die verbale Turnübung. Sie spricht über Bildung und Infrastruktur, ein paar Allgemeinplätze, ein paar Seitenhiebe gegen die Rot-Grün-Koalition in Mainz. Dann kommt sie auf die Flüchtlinge zu sprechen: „Ich war erstaunt, wie viele Wirtschaftsverbände sich zu Beginn der Flüchtlingswelle über neue Fachkräfte gefreut haben“, sagt sie. „Zur Wahrheit gehört: Aus Syrien kommen auch viele Analphabeten. Wir müssen das realistisch einschätzen.“ Deshalb habe sie am Wochenende ihren „Plan A2“ vorgelegt: „Merkels Weg ist weiterhin richtig. Aber wir können nicht warten bis sich alle europäischen Länder geeinigt haben. Wir brauchen Zeichen. Die Kommunen brauchen eine Atempause.“ So hört sie sich an, Klöckners „Zwei-in-eins“-Lösung.

Im Saal gibt es dafür Applaus. In Berlin eher Buh-Rufe. Denn was die Unternehmer in Koblenz begrüßen, das geißelt SPD-Vize Ralf Stegner: „Eigentlich ist das ein Anti-Merkel-Plan, der zu Seehofers Obergrenze, zu Schäubles Flüchtlingsmaut oder zu den Briefen passt, die man von der CDU liest“, sagte er am Montag im „Deutschlandfunk“. „Das ist Wahlkampf ohne Verantwortung und hat nichts mit dem zu tun, was zur Lösung beiträgt, und ist auch das Gegenteil dessen, was in der Regierung vereinbart worden ist.“ Die Union mache jeden Tag einen neuen Vorschlag, statt die bestehenden Probleme zu lösen, monierte Stegner.

In Koblenz nehmen sie diese Vorlage genüsslich auf. Der von vielen mit Freude erwartete Friedrich Merz hat die kleine Bühne in der Brauerei betreten. „Wenn Herr Stegner so auf Julia Klöckners Plan reagiert, dann kann er so falsch nicht sein“, lässt er wissen.

Es folgt ein halbstündiges weltpolitisches Grundsatzreferat von Merz. Auch bei ihm sind die Flüchtlinge das bestimmende Thema. „Das mit den Flüchtlingen geht so nicht weiter. Das war eine großartige Geste von Frau Merkel am 4. September. Aber: Das kann kein Dauerzustand sein.“ Merz betont: „Wir können eine Menge schaffen. Aber wir können nicht alles schaffen.“ Die Unternehmer jubeln fast.

Tatsächlich ist die Flüchtlingspolitik das bestimmende Thema im rheinland-pfälzischen Wahlkampf: entweder in Form der Posse um das TV-Duell im SWR oder als Teil der neuen und alten Schul- , Wirtschafts-, Infrastruktur- oder Europapolitik. Alles ist dieser Tage ein Flüchtlingsthema. Alles und nichts. Und genau das ist Klöckners Problem: Sie braucht die AfD im Landtag, um eine Mehrheit für Rot-Grün in Mainz zu verhindern.


Die Worte sollen toll und konkret klingen, sind aber ziemlich luftleer

Gleichzeitig bringt sie damit ihre Wahlkreiskandidaten womöglich um wichtige Stimmen im Kampf um die Direktmandate – ganz abgesehen vom Image. Die Unternehmer in Koblenz jedenfalls sind sich einig, sie wissen, was sie wollen. Eine schärfere Flüchtlingspolitik: ja. Die AfD: lieber nicht. „Die AfD lehne ich ab“, sagt der Firmenchef Zimmermann deutlich. Und Pensionär Wolff meint: „Das sind vor allem Protestwähler, die das anzieht. Davor habe ich keine Angst.“ Was er jedoch überhaupt nicht verstehen könne, das sei die Absage von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) an ein TV-Duell mit der AfD. „Die muss sich mit denen an einen Tisch setzen. Man darf die AfD nicht alleine auf die Bühne lassen. Denen muss man Paroli bieten, die muss man stellen.“

Wohl wegen solcher Stimmen kommt Friedrich Merz im Saal lieber schnell auf andere Themen zu sprechen. „Stellen wir uns für einen kurzen Moment vor, es gäbe das Flüchtlingsthema nicht“, sagt er. „Was stünde dann auf Seite eins der Zeitung?“ Merz redet über den Euro und die Krise, TTIP, die Bildung und die Infrastruktur, er lobt den Atomdeal mit dem Iran und die Agenda 2010 der SPD. Und rechnet dann kurz mit seiner CDU ab: „Ich würde mir wünschen dass das der Geist unserer Partei wird: wir müssen aufhören den Leuten zu versprechen, Politik könne all die Probleme lösen. Wir brauchen Optimismus und Zuversicht. Aber wir müssen immer auch auf die Grenzen des Möglichen hinweisen“, sagt er – und meint damit natürlich Merkels Flüchtlingspolitik. Dann geht er unter großem Applaus und überlässt Michael Watzke die Bühne, dem Geschäftsführer von Borussia Dortmund, der die Gesellschaft mit seiner BVB-Turnaround-Story unterhält und für gute Stimmung sorgt.

Nach zwei Stunden stehen sie dann alle vereint vorne auf der Bühne: Merz, Klöckner und Watzke. Noch einmal darf die CDU-Spitzenkandidatin ihre Bürokratiebremse vorstellen, ein Verfallsdatum für Gesetze fordern und erklären, was die „Vorschriften- und Gesetzes-Bereinigungsgruppe“ tun soll, die sie einsetzen will, sobald sie Ministerpräsidentin ist. Es sind Worte, die toll und konkret klingen sollen – in Wirklichkeit aber noch ziemlich luftleer sind. Vielleicht sind auch deshalb keine Fragen der Unternehmer mehr zugelassen. Frau Klöckner könnte allzu schnell die Puste ausgehen, wenn es um Innen- und Wirtschaftspolitik in Rheinland-Pfalz geht. Aber zum Glück ist ja dieser Tage alles Flüchtlingspolitik. Da kommt sie mit populären Forderungen weiter.

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