CDU Merkels schwierige Suche nach einem Rezept gegen Populisten

Zum vierten Mal will die CDU-Chefin im Herbst Kanzlerin werden. Über den Jahreswechsel wollte sie sich Gedanken machen, wie das klappen kann. Nun steckt sie den Kurs ab - doch viele Fragen bleiben offen.

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Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel Quelle: dpa

Angela Merkel scheint ihr Leitmotiv für das schwierige Wahljahr 2017 gefunden zu haben. Sicherheit. Sicherheit der Wirtschaft, der Arbeit, Sicherheit der Existenz, der Rente. Und gerade nach dem verheerenden islamistischen Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin kurz vor Weihnachten: Sicherheit vor Terror. Das ist die Botschaft, mit der die Kanzlerin hofft, im Bundestagswahljahr die Rechtspopulisten von der AfD möglichst klein halten zu können. Mit dem Thema Sicherheit will Merkel auch die Verunsicherten in die Unionsreihen zurückholen.

Große Terroranschläge in Europa

Am Samstag umschreibt Merkel ihren Kurs für die nächsten Monate bis zur Entscheidung im September. Sie sehe dem Wahlkampf „mit Interesse und innerer Motivation entgegen“, formuliert die Kanzlerin in gewohnt nüchternen Worten ihre Gemütslage. Und wie sie zu einer möglichen Kanzlerkandidatur von Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel stehe? „Wen andere Parteien als Spitzenkandidaten aufstellen, ist Sache jeder Partei“ - sie will sich nicht in die Karten schauen lassen.

Soviel wird an diesem trüben Tag im Mosel-Örtchen Perl jedenfalls klar: Die Kanzlerin will sich trotz der lautstarken Proteste der Populisten gegen ihre Politik in einer „postfaktischen“ Zeit nicht vom Kurs abbringen lassen: „Wir sagen klar, dass wir Fakten auch benennen wollen, dass wir ein Angebot an alle machen. (...) Wir schließen keinen aus.“ Anders als die Rechtspopulisten von der AfD eben, oder jene, die gegen Ausländer Stimmung schüren.

Die AfD wird ...

Merkels Credo für die Verunsicherten: „Je besser wir arbeiten, je weniger die Menschen beunruhigt, je mehr sie den Eindruck haben, es werden Lösungen für ihre Themen angeboten“, umso stärker werde die CDU werden. Der Wahlkampf der CDU werde bestimmt sein von „ruhigen, sachlichen Antworten auf Fragen, die im Raum stehen“. Ob dabei alle in ihrer Partei die Nerven behalten?

Von der Jahresauftakt-Klausur der CDU-Spitze im Saarland sollte vor allem die Botschaft ausgehen: Nach den fast nur vom Thema innere Sicherheit und der Empörung über den Umgang mit dem 24-jährigen Berliner Attentäter Anis Amri bestimmten Wochen des Jahreswechsels kümmert sich die CDU auch um die anderen Sorgen der Menschen. Arbeitslosigkeit, Rente - das seien ebenfalls existenzielle Sicherheits-Sorgen der Menschen, ist der Hintergedanke.

Doch die Folgen des bisher schwersten islamistischen Anschlags in Deutschland bestimmen zumindest am zweiten Tag weite Teile der internen CDU-Diskussionen. Kein Wunder: Der den Behörden als sehr gefährlich bekannte abgelehnte tunesische Asylbewerber Amri hatte 12 Menschen getötet und etwa 50 zum Teil schwer verletzt.

Merkel bemüht Ludwig Erhard

Gleich zu Beginn des Treffens stellt Merkel selbst eine Verbindung zum Anschlag von Berlin her. Die CDU fühle sich im Dreiländereck Deutschland-Luxemburg-Frankreich sehr wohl, sagt sie und fügt an: „Der Ort Schengen, der uns ja so viel beschäftigt, was den Freizügigkeitsraum anbelangt, was die Sicherung seiner Außengrenzen anbelangt, liegt nur unweit von Perl. Und insofern hat diese Klausurtagung auch etwas symbolisches.“ Ob sie dabei auch an jene EU-Staats- und Regierungschefs gedacht hat, die ihr Solidarität in der Flüchtlingskrise weitgehend verweigert hatten?

Wie schafft es Merkel, im aufgeheizten Klima zwischen pöbelnden Rechtspopulisten, verunsicherten Bürgern und einer in Teilen schwer schlingernden Anhängerschaft, im September die Macht zu retten, das fragen sich viele in der Partei.

Wie ernst die Lage eingeschätzt wird, zeigt ein Detail: Merkel bemüht in Perl mit eindringlichen Worten den CDU-Übervater der sozialen Marktwirtschaft, Ludwig Erhard. Der damalige Wirtschaftsminister hatte mit seinem Buch „Wohlstand für alle“ einen Kern für den Erfolg der Partei gelegt. Genau 60 Jahre ist das her - nun muss sein Slogan als Merkels Nothelfer erneut herhalten.

Nicht ganz klar wird bei der Klausur, wie die Kanzlerin mit den Herausforderungen der sozialen Netzwerke und einem völlig veränderten Kommunikationsverhalten vieler umgehen will. Mit alten Rezepten wie dem früher erfolgreichen, auch den Gegner einschläfernden Wahlkampf wird dagegen kaum anzukommen sein. Auch deswegen planen sie im Adenauerhaus eine ganz neue Form von Wahlkampf. Fakten sollen stärker als früher mit Emotionen verbunden werden.

Und dann ist da noch Merkels Kernmotto einer Politik von „Maß und Mitte“. Nicht nur ihr unionsinterner Kontrahent Horst Seehofer dürfte davon nicht sonderlich überzeugt sein - auch in den eigenen Reihen wünschen sich etliche eine stärkere Ausrichtung nach rechts.

Ganz zu schweigen davon, dass der CSU-Chef die Kanzlerin selbst bei eigentlich simplen Fragen zappeln lässt wie dem lange vereinbarten Termin für die für Anfang Februar angesetzte Strategieklausur der Spitzen der Schwesterparteien in München. Noch immer gibt es kein offizielles Okay Seehofers für das Treffen. Merkel hält an dem Termin fest. Es gehe um ein „Zukunftstreffen“, sagt sie vieldeutig.

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