CDU und FDP Friede, Freude, Koalitionsvertrag

In nur drei Wochen haben CDU und FDP in NRW die wichtigsten Punkte für die Zusammenarbeit der nächsten Jahre geklärt. Am Freitag stellten sie ihren Koalitionsvertrag vor. Kritik gibt es nicht nur von der Opposition.

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Am Freitag stellten die beiden NRW-Parteichefs Laschet und Lindner (r.) in Düsseldorf den Koalitionsvertrag vor. Quelle: dpa

Zu Beginn der Koalitionsverhandlungen hatte FDP-Chef Christian Lindner betont, dass es eine schwarz-gelbe Regierung in NRW nur geben würde, wenn es inhaltlich passe. Jetzt, nur drei Wochen später, stellen die Verhandlungsführer Lindner und der CDU-Vorsitzende Armin Laschet gemeinsam ihren Koalitionsvertrag vor. Dafür mussten beide Parteien erhebliche Kompromisse eingehen, zufrieden sei man aber dennoch. Laschet betonte, dass die Gespräche auch aufgrund der Einigkeit bei grundsätzlichen Fragen „vertrauensvoll und freundschaftlich“ gewesen seien.

Die Gewinner der Landtagswahlen in NRW treffen sich zu einem ersten Sondierungsgespräch. Schon am Wochenende könnten die Parteien grünes Licht für Koalitionsverhandlungen geben.

Geeinigt haben sich beide unter anderem auf eine weitgehende Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren am Gymnasium und Studiengebühren für Studenten aus Nicht-EU-Staaten. Zur Verbesserung der inneren Sicherheit will Schwarz-Gelb mehr Polizisten einstellen und die Videoüberwachung ausweiten. Der Bau von Windrädern soll deutlich eingeschränkt und Bürokratie für Unternehmen und Handwerk abgebaut werden. Private Hauskäufer wollen CDU und FDP bei der Grunderwerbsteuer entlasten. Noch nicht bekannt ist der Zuschnitt der künftigen Landesregierung und die Verteilung der Ministerien auf die beiden Parteien. Aber sobald die angekündigte Mitgliederbefragung der FDP und die Bestätigung über den CDU-Landesparteitag kommt, kann das christliberale Bündnis an die Arbeit gehen.

Die wichtigsten Punkte des Koalitionsvertrages, und worauf man achten sollte.

Polizei

Die Polizei wird massiv aufgestockt: 2300 Kommissar-Anwärter (bislang waren es 2000) und 500 Verwaltungsassistenten sollen zusätzlich pro Jahr eingestellt werden. Die von Rot-Grün bereits geschaffenen Stellen von 350 Verwaltungsbeamten werden entfristet. Auch Realschüler sollen künftig die Möglichkeit haben, eine Polizeilaufbahn einzuschlagen. Die umstrittenen Blitzermarathons wird es nicht mehr geben. Diese Kontrollen sollen von Kommunen im Alleingang durchgeführt werden können, außerdem soll die sichtbare Autobahnpolizei verdoppelt werden.

Einig war man sich auch bei der „Null-Toleranz-Strategie“ gegen Kriminelle. Auch kleinere Rechtsverstöße sollen konsequent geahndet werden, damit sogenannte No-go-Areas mit sich wechselseitig aufschaukelnden Rechtsbrüchen gar nicht erst entstehen.

Schleierfahndung und Videoüberwachung

Ein Punkt, an dem die FDP zurückstecken musste: Im Wahlkampf hatte Lindner noch betont, dass es mit ihm weder Schleierfahndung, noch Videoüberwachung geben werde. Jetzt kommt eine Ausweitung der filmischen Beobachtung öffentlicher Plätze, auch an Orten, die nicht als Kriminalitätsschwerpunkte gelten.

Auch die Schleierfahndung wird kommen, nur anders heißen, nämlich verdachtsunabhängige Kontrolle durch Polizeistreifen vor allem in Grenznähe. CDU-Generalsekretär Bodo Löttgen sprach von „strategischer Fahndung“. Der Unterschied ist marginal: Voraussetzung für die „strategische Fahndung“ soll auch nur ein vager Anlassbezug sein. Etwa ein neues Lagebild zur Einbruchskriminalität. Im Zweifel reiche auch „die Erfahrung des kontrollierenden Polizisten“, so Löttgen.

Justiz

Gefängnisse, Gerichte und Staatsanwaltschaften bekommen mehr Personal. Ziel ist, Straftäter schneller mit den Folgen ihres Handelns zu konfrontieren. Die Abschiebehaft-Plätze werden ausgebaut. Gleichzeitig werden die Bürgerrechte gestärkt: Jeder soll künftig individuell Verfassungsbeschwerde einlegen können.

Schule und Bildung

Bildung war das wichtigste Thema im nordrhein-westfälischen Wahlkampf. Deswegen war auch einer der ersten Beschlüsse in den Koalitionsverhandlungen, den sofortigen Stopp der Schließung von Förderschulen zu veranlassen. Der Restbestand soll so lange erhalten bleiben, bis die Regelschulen ausreichend auf die Aufnahme behinderter Kinder vorbereitet sind. Für die Bildungsgewerkschaft (GEW) ist das eindeutig nicht die Lösung. Lehrer in Nordrhein-Westfalen klagen immer wieder über die nicht zu bewältigende Zusatzbelastung von Schülern, die mehr Aufmerksamkeit bräuchten und über den Mangel an Sonderpädagogen an Regelschulen. Die Inklusion war eins der Themen, das der grünen Ex-Bildungsministerin Sylvia Löhrmann zu schaffen machte.

Auch die umstrittene Verkürzung der Schulzeit für Gymnasien von neun, auf acht Jahre wurde viel diskutiert. Die FDP versprach im Wahlkampf zwar Wahlfreiheit für alle Schulen, knickte in den Gesprächen nun aber doch ein. CDU und FDP planen die weitgehende Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren als Regelfall. Unter bestimmten Voraussetzungen dürfen Gymnasien allerdings auch künftig das Abitur nach acht Jahren anbieten.

Hohe Freibeträge bei Grunderwerbsteuer für Familien


Finanzen

Der von Rot-Grün eingeführte Kommunal-Soli wird abgeschafft. Für die bisherigen Empfängerkommunen ist eine Kompensation aus dem Landeshaushalt geplant. Die Umlage war zuletzt 91 Millionen Euro schwer. Mehr Gestaltungsspielraum bekommen die Kommunen bei den Ladenöffnungszeiten. Statt bislang vier sollen sie künftig acht verkaufsoffene Sonntage im Jahr genehmigen dürfen.

Einschränkungen haben CDU und FDP hingegen bei der Gewerbesteuer angekündigt: Die seit Jahren anhaltende Steigerung soll gestoppt werden. Bei der Grunderwerbsteuer sollen Familien für selbst genutzte Immobilien hohe Freibeträge erhalten. Dies ist aber nur über eine erfolgreiche Bundesratsinitiative möglich.

FDP-Chef Lindner nach sind sie keine „Wunsch-Koalitionspartner“: Dennoch steht nun ein Koalitionsvertrag in NRW fest. Die Spitzen von CDU und FDP haben sich auf die Bildung einer schwarz-gelben Regierung geeinigt.

Flüchtlinge und Integration

Entlastet werden sollen die Kommunen beim Umgang mit Flüchtlingen ohne Bleibeperspektive. Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern etwa sollen gar nicht erst an die Kommunen weitergeleitet werden, sondern möglichst in den Aufnahmeeinrichtungen des Landes bleiben. Damit junge Flüchtlinge ihre Ausbildung abschließen können, wird deren Schulpflicht auf 25 Jahre erhöht. Außerdem wird ein stärkerer Einfluss auf Bundesebene bei Einwanderungs- und Flüchtlingsfragen angepeilt. CDU und FDP wollen ein Einwanderungsgesetz, das Talente ohne große Hürden nach NRW bringt, um auch damit den Fachkräftemangel zu lindern.

Energie und Umwelt

Schon jetzt umstritten ist die Entscheidung, den Bau von Windkraftanlagen deutlich einzuschränken. Windräder sollen einen Mindestabstand von 1500 Metern zu Wohngebieten einhalten. Außerdem sollen die potenziellen Flächen um 80 Prozent reduziert werden. Man wolle den unkontrollierten und bisweilen ideologisch geprägten Zubau von Windenergie in vernünftige Bahnen führen, so Lindner. Das besorgt wiederum den Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE). Vorsitzender Reiner Priggen sieht unter den angedachten Maßstäben große Investitionen schwinden. „In den vergangenen Jahren wurde jährlich eine Milliarde Euro in NRW in die Windenergie investiert“, so Priggen. Unter dem sich abzeichnenden Reglement würden diese Investitionen wegfallen, warnte er. Beide Parteien bekennen sich zum Pariser Klimaabkommen.

CDU, FDP und Grüne haben sich in Schleswig-Holstein auf einen Koalitionsvertrag verständigt, in NRW kommt es zu Schwarz-Gelb. Die Bündnisse erweitern für die CDU auch die Optionen bei der Bundestagswahl.

Kritik gibt es auch von anderer Stelle. Denn ein Kernthema scheint die schwarz-gelbe Koalition bislang ausgeblendet zu haben: wie der teilweise Wegfall von Steuereinnahmen, beispielsweise bei der Grunderwerbsteuer einerseits und Mehrausgaben für Polizei, Justiz, Kitas und Hochschulen andererseits gegenfinanziert werden sollen, ließen CDU und FDP noch offen. Heinz Wirz, NRW-Chef des Bundes der Steuerzahler (BdST), warnt: „Hier erwarten wir, dass die Koalition ihre Hausaufgaben noch macht. Da müssen schon noch ein paar verbindlichere Aussagen her.“ Bei den Rekordsteuereinnahmen in NRW müsste die Koalition eigentlich ohne Neuverschuldung auskommen und anfangen, den Milliarden-Schuldenberg des bevölkerungsreichsten Bundeslandes abzubauen. „Bei den Vorhaben muss auf jeden Fall woanders noch der Rotstift angesetzt werden“, sagte Wirz dem Handelsblatt.

So einfach wie die Koalitionsverhandlungen dürfte es also in den nächsten Wochen für die zukünftige Landesregierung nicht werden.

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