Charlotte Knobloch „Die AfD ist für jüdische Menschen nicht wählbar“

„Dreist“ und „verlogen“: Frauke Petry erntet für ihre Behauptung, die AfD sei ein „Garant jüdischen Lebens“ heftige Kritik. Charlotte Knobloch wirft der Partei vor, selbst antisemitische Thesen zu vertreten.

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Die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch: Empörung über Anbiederungsversuche der AfD. Quelle: dpa

Berlin Die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, hat Anbiederungsversuche der AfD-Chefin Frauke Petry an die jüdische Gemeinde scharf zurückgewiesen. „Es ist an Dreistigkeit und Verlogenheit kaum zu übertreffen, wie die AfD die berechtigten Sorgen jüdischer Menschen vor Antisemitismus unter Muslimen in Deutschland für ihre Zwecke missbraucht“, sagte die heutige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern.

Petry hatte zuvor in einer Replik auf Kritik des Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses, der ihre Partei als „Schande für Deutschland“ bezeichnet hatte, in der „Welt“ erklärt: Die AfD sei „einer der wenigen politischen Garanten jüdischen Lebens, auch in Zeiten illegaler antisemitischer Migration nach Deutschland“. Sie bezog sich dabei auf die Zuwanderung von Muslimen. „Die AfD weist immer wieder auf die Gefahren solcher Entwicklungen hin, die sich durch den massenhaften illegalen Zuzug in den vergangenen Jahren noch verstärkt haben“, so Petry.

Knobloch sagte dazu: „Seit langem warnt die jüdische Gemeinschaft eindringlich vor dem extremen Judenhass, der nicht erst in den letzten Jahren importiert wurde, sondern bereits seit langem in der muslimischen Gemeinschaft hierzulande wuchert und von Hasspredigern aus dem In- und Ausland zusätzlich befeuert wird.“ Genauso „besorgniserregend“ sei jedoch der Antisemitismus, der durch das Erstarken des Rechtspopulismus und -extremismus in ganz Europa eine „neue Dimension der Massivität und Aggressivität angenommen“ habe.

Knobloch, die auch Beauftragte für Holocaust-Gedenken des World Jewish Congress ist, warf der AfD in diesem Zusammenhang eine „ungebremste Entwicklung zur Radikalität“ vor. Die AfD sei die „politische, parlamentarische Manifestation von Pegida und Co.“ und inzwischen als rechtsextrem anzusehen. „Sie steht für eine völkisch-nationalistische Vision, rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Thesen, Holocaustrelativierung oder gar -leugnung sowie offene Nähe zur Neonaziszene“, konstatierte Knobloch.

Mit Blick auf den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke kritisierte Knobloch, dass sich die AfD allenfalls „halbherzig“ distanziere – „ohne nachhaltige Konsequenzen von diesen Phänomenen und den dafür stehenden Personen in ihren Reihen und Spitzenpositionen“. Gezielte Provokation sei Programm, extreme Einzelfälle seien die Regel. „Die AfD ist in dieser Form antimodern, antidemokratisch und freiheitsfeindlich“, unterstrich Knobloch. Und sie fügte hinzu: „Sie ist ein Schande für unser Land und für jüdische Menschen nicht wählbar.“


„AfD ist eine Partei in der sich Antisemiten pudelwohl fühlen können“

Ähnlich hatte sich der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald Lauder geäußert: „Diese Partei hat keinen Platz in Deutschland. Ich hoffe, dass sie bald von der politischen Bühne verschwindet“, sagte er unter anderem in Anspielung auf AfD-Politiker Björn Höcke. Dieser hatte in einem Interview des „Wall Street Journal“ infrage gestellt, Adolf Hitler sei das „absolute Böse“ gewesen. Mit Blick auf das Holocaust-Mahnmal in Berlin hatte Höcke bei einem Auftritt in Dresden von einem „Denkmal der Schande“ gesprochen.

Petry wies darauf hin, dass gegen Höcke ein Parteiausschlussverfahren angestrengt werde. „Es gehört für die AfD zum politischen Selbstverständnis, an die Grauen des Holocaust zu erinnern“, sagte sie. „Dies allein an dem gesellschaftlich umstrittenen Berliner Holocaust-Denkmal festzumachen, greift jedoch zu kurz.“

Die Grünen wandten sich ebenfalls gegen die Petry-Äußerungen. „Wenn Petry die AfD als „Garant jüdischen Lebens“ am Markt positionieren möchte, betreibt sie politische Scharlatanerie und erinnert an den Teufel, den man mit dem Beelzebub austreibt“, sagte der Bundestagsabgeordnete Volker Beck. „Die AfD ist eine Partei in der sich Antisemiten pudelwohl fühlen können und die antisemitische Positionen in ihre Wahlprogramme schreibt.“

So fordere die Partei etwa die Streichung einer Ausnahmeregelung für die jüdische und muslimische Religion im Tierschutzgesetz für das rituelle Schlachten (Schächten). „Wer mit Schächt- oder Beschneidungsverboten die jüdische Religion kriminalisieren will, ist eine Gefahr für das Judentum in Deutschland“, sagte Beck dazu. Wer das Judentum schützen wolle, müsse vielmehr die Religionsfreiheit verteidigen, beim Tierschutzgesetz, bei der Beschneidung oder bei religiösen Kopfbedeckungen wie Kippa oder Kopftuch.

Dazu passe, wenn Höcke die Erinnerung an die Shoa vergessen machen wolle und als Schande denunziere. „An diesem Spiel beteiligt sich auch Frau Petry, wenn sie von einem umstrittenen Holocaust-Denkmal spricht.“ Mit dieser Aussage, so Beck, „streichelt sie die Seele des sekundären Antisemitismus, der gegen einen vermeintlichen Schuldkult wettert“.

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