Der künftige Vorsitzende der FDP spricht wie sein Vorvorgänger. Die gleiche Lautstärke. Der gleiche Tonfall. Man muss nur die Augen schließen, dann ist es, als würde man Guido Westerwelle hören. Aber wenn man die Augen wieder öffnet, dann steht da: Christian Lindner.
Ein Brauhaus in München, ein Abend im Wahlkampf: 200 Anhänger der FDP wollen sich an ihrem Hoffnungsträger berauschen, sich von ihm begeistern lassen in diesen Wochen, in denen die FDP inhaltlich so gar keine Rolle spielt. Und Christian Lindner erfüllt die Erwartung, vorne am Rednerpult. "Ich bin in den stolzen Freistaat Bayern gekommen", ruft er, "um endlich wieder die Luft der Freiheit zu atmen!" Das reicht, damit die Leute vor ihm schon fast auf den Stühlen stehen.
Wenige Stunden zuvor, bei einer Diskussion mit Studenten der TU München, hat Lindner noch den Euro-Versteher gegeben, er hat dafür geworben, dass Griechenland und Italien und andere Staaten mehr Zeit brauchten. Jetzt, in der bierseligen Atmosphäre des Braukellers, wettert er gegen "die Berlusconis" und ihre sorglose Schuldenpolitik.
Das Wahlprogramm der FDP
Für die FDP gehört ein stabiler Euro zur deutschen Staatsräson. Der Schutz vor Inflation soll ins Grundgesetz. Die Europäische Zentralbank (EZB) müsse unabhängig bleiben. Eine dauerhafte Staatsfinanzierung von Krisenländern durch die Notenpresse sei grundfalsch, ebenso eine gemeinsame Haftung für Staatsanleihen (Eurobonds). Die Bundesbank soll im EZB-Rat bei wichtigen Beschlüssen ein Vetorecht bekommen.
Die FDP bekennt sich als Europa-Partei zur Europäischen Union (EU), die im Licht der Schuldenkrise weiterentwickelt werden müsse. „Am Ende dieser Entwicklung sollte ein durch eine europaweite Volksabstimmung legitimierter europäischer Bundesstaat stehen.“
Die FDP zieht mit der Forderung nach einer Ausweitung von Lohnuntergrenzen in einzelnen Branchen mit besonders niedriger Bezahlung in den Wahlkampf. Die Delegierten des FDP-Parteitags in Nürnberg votierten am Samstagabend nach hitziger Debatte für einen entsprechenden Antrag der Parteiführung. Auf diesen Antrag entfielen 57,4 Prozent der Stimmen.
Den Liberalen geht es insbesondere um solche Branchen, in denen Arbeitnehmer und Gewerkschaften keinen Mindestlohn vereinbaren können, weil die Tarifbindung zu gering ist. Zur Festsetzung der Lohnuntergrenze will die FDP die bestehenden gesetzlichen Instrumente überarbeiten und besser aufeinander abstimmen, mit denen auch in den vergangenen Jahren schon Mindestlöhne vereinbart worden sind. Die Löhne sollen von den Tarifpartnern etwa in einer Kommission „Branche für Branche“ festgelegt werden. Einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn, wie ihn SPD, Grüne und Linke befürworten, lehnt die FDP strikt ab.
Die Liberalen wollen die schwarze Null beim Staatsdefizit erreichen und so schnell wie möglich mit dem Schuldenabbau starten. „Denn weniger Staatsschulden sind der beste Schutz vor Inflation.“
Die FDP lehnt höhere Steuern ab. Im Grundgesetz soll ein Halbteilungsgrundsatz verankert werden. Mehr als die Hälfte des Einkommens über Ertragsteuern an den Staat abzuführen sei leistungsfeindlich. „Deshalb brauchen wir neben der Schuldenbremse auch eine Steuerbremse.“ Falls es Spielräume im Haushalt gibt, tritt die FDP für Entlastungen von Bürgern und Firmen ein. „Unser Ziel bleibt die Entlastung der arbeitenden Mitte.“ Das Steuerrecht soll grundlegend umgebaut werden, am besten in einem Stufentarif. Die Steuerklasse V soll verschwinden. „Die Haushaltskonsolidierung hat allerdings Vorrang.“
Die Folgen heimlicher Steuererhöhungen (kalte Progression) sollen alle zwei Jahre überprüft und bereinigt werden, „damit der Staat sich nicht auf Kosten der Bürger an der Inflation bereichert“.
Hier muss der Parteitag zwischen zwei Varianten entscheiden. In Vorschlag A soll das Splitting beibehalten werden, Kinder sollen schrittweise den gleichen steuerlichen Freibetrag wie Erwachsene bekommen. In Variante B soll das Verfahren zu einem Realsplitting weiterentwickelt werden. Dabei werden Ehegatten und eingetragene Lebenspartner individuell besteuert, können aber jeweils einen Teil ihres Einkommens auf den Partner übertragen, um die Progression abzumildern.
Auch hier konkurrieren zwei Modelle. In Variante A wird eine einheitliche Bemessungsgrundlage nach dem Verkehrswert zusammen mit moderaten Steuersätzen und Freibeträgen vorgeschlagen. „Bei jeder Unternehmensnachfolge muss die Erbschaftsteuer aus den Erträgen erwirtschaftet werden können.“ In Variante B wird gefordert, dass die Länder jeweils allein über die Vorgaben der Steuer entscheiden und Einnahmen nicht beim Länderfinanzausgleich herangezogen werden.
Der 2019 auslaufende „Soli“ soll bereits ab 2014 schrittweise reduziert werden.
Große Finanzkonzerne sollen durch eine gemeinsame europäische Aufsicht kontrolliert werden. Abgelehnt wird aber ein Zugriff auf die deutschen Einlagensicherungs- und Restrukturierungsfonds. „Die deutschen Sparer sollen nicht mit ihrem Geld für das finanzielle Risiko anderer Bankensysteme geradestehen.“ Die FDP ist gegen neue Steuern für die Finanzwelt. Die Anteilseigner von Börsen-Unternehmen sollen mehr Rechte in der Hauptversammlung erhalten, um die Bezahlung der Topmanager zu kontrollieren.
Bei der Energiewende dürfe sich der Staat nicht an steigenden Strompreisen bereichern. Die FDP will deshalb eine Absenkung der Stromsteuer. „Sie soll in dem Umfang gesenkt werden, wie der Bund Umsatzsteuer-Mehreinnahmen durch die steigende EEG-Umlage erzielt.“ Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zur Ökostromförderung soll für neue Anlagen grundlegend und kostensenkend reformiert werden. Für Altanlagen mit 20-jähriger Fördergarantie gelte aber Bestandsschutz. Rabatte für die Industrie bei EEG-Umlage und Stromsteuer verteidigt die FDP: „Anderenfalls drohen Arbeitsplatzverluste durch Abwanderung der Industrie.“
Die FDP will Sozialleistungen für Bedürftige und Arbeitslose in einem liberalen Bürgergeld zusammenfassen. „Wer sich anstrengt und eine Arbeit annimmt, der soll im Bürgergeldmodell mehr von seinem Einkommen haben.“
Die FDP ist gegen starre Altersgrenzen wie bei der Rente mit 67. Arbeitnehmer sollen ab dem 60. Lebensjahr frei über den Renteneintritt entscheiden, wenn ihre gesamten Ansprüche über der Grundsicherung liegen. Entscheiden muss sich die Partei, ob sie die Einführung einer Rentenversicherungspflicht für Selbstständige will.
Die FDP ist für die volle rechtliche Gleichstellung von Homo-Ehen mit der normalen Ehe. „Wer gleiche Pflichten hat, verdient auch gleiche Rechte.“ Beim Elterngeld soll es mehr Teilzeit-Modelle und Stärkung der Partnermonate geben. Das von der FDP gerade mit eingeführte Betreuungsgeld soll in der nächsten Wahlperiode wieder überprüft werden.
Die FDP will mehr Frauen in Führungsverantwortung, lehnt feste Quoten jedoch ab. „Wir setzen auf Anreize für Unternehmen, verbindliche Berichtspflichten und transparente Selbstverpflichtungen.“
Die FDP betont, Deutschland sei ein Einwanderungsland und brauche Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte. Vorbild soll das Punktesystem in Kanada sein. Eine Einbürgerung soll schon nach vier Jahren möglich sein sowie grundsätzlich auch die doppelte Staatsbürgerschaft. Asylbewerber sollen vom ersten Tag an arbeiten dürfen.
Die FDP lehnt die anlasslose Vorratsdatenspeicherung ab. „Die Menschen in Deutschland dürfen nicht pauschal unter Verdacht gestellt werden.“ Auch die heimliche Online-Durchsuchung sei überflüssig.
Die wertneutrale Datenübertragung soll geschützt bleiben (Netzneutralität). Quelle: dpa
Christian Lindner kann reden wie Westerwelle in alten Zeiten, wie ein harter, giftiger Neoliberaler. Er kann aber auch den Anti-Westerwelle geben, den sanftmütigen Sozialliberalen. In jedem Fall kann er gut reden, und weil er das so gut kann, ist er zu einer Projektionsfläche für all jene geworden, die eine andere, irgendwie interessantere FDP wollen.
Auch wenn niemand so richtig weiß, wofür Christian Lindner denn nun wirklich steht.
Selbst jene, die viel mit ihm zu tun haben, sagen, er lasse keine Nähe zu.
Es sind seltsame Monate für ihn. Lindner ist das Talkshowgesicht der Partei, er erreicht im Fernsehen auf einen Schlag Millionen Menschen – während Parteichef Philipp Rösler oder der Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle auf den Marktplätzen vor wenigen Hundert sprechen. Er ist auch das Werbegesicht der FDP: In Nordrhein-Westfalen haben sie eigene Plakate fertigen lassen, Lindner zusammen mit Westerwelle und dem Ehrenvorsitzenden Hans-Dietrich Genscher – eine Ansage an die eigenen Leute: Seht her, wir gehören zusammen, an uns kommt keiner vorbei. Aber Lindner steht in diesem Wahlkampf gar nicht zur Wahl, er darf als Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag den Regionalfürsten geben, während ihm alle unentwegt einflüstern, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis er die Bundes-FDP führen werde.
Er muss jetzt warten, das erste Mal in seiner Karriere.
Christian Lindner, 34 Jahre, aufgewachsen in Wermelskirchen im Bergischen Land: ein Scheidungskind, der Vater ist Mathematiklehrer in der Parallelklasse am Gymnasium, den Mittag verbringt er bei den Großeltern, am Abend kocht die Mutter für ihn. Zweimal am Tag warm zu essen bekommt ihm nicht gut, mit 14 Jahren ist er ein dicker, unsportlicher Junge – aber einer, der klug reden kann. Er beschließt, abzunehmen. Er isst Knäckebrot, beginnt zu joggen, anfangs geht er mehr, als dass er rennt. Als er 20 Kilo verloren hat, ist er ein schlanker, gut aussehender Junge, der klug reden kann.
Lindner verkörpert den Liberalen, den viele gerne hätten. Gut erzogen. Höflich. Mit Manieren. Viele Journalisten mögen ihn, weil er ein spannender Gesprächspartner ist: Er kennt immer einen aktuellen Zeitungsartikel, den sein Gegenüber noch nicht gelesen hat; er hat zu allem eine Meinung, das ist selten genug in der Politik. So ist er über die Jahre von ganz vielen quasi adoptiert worden – auch von Verlegern und Chefredakteuren, die es gut mit ihm meinen. Lindner hatte die Chance, dass über ihn freundlicher und reflektierter geschrieben wurde als über Rösler. Aber er ist damit auch viel abhängiger geworden von der Meinung anderer Leute.
Um welche Sache geht es ihm?
Selbst jene, die schon sehr lange und sehr viel mit ihm zu tun haben, sagen, er lasse keine Nähe zu. Und dass sie ihn auch deswegen nicht richtig kennen würden. So bringt dieser Christian Lindner zwar alles mit, um eines Tages die FDP zu führen. Aber die Frage ist: Wohin?
Ein fensterloser Raum in den Katakomben des WDR-Funkhauses in Köln, an einem Montagabend im Mai. Bis zur Live-Sendung von Hart aber fair sind es noch gut 30 Minuten. Christian Lindner war schon in der Maske, jetzt wartet er in seiner Garderobe. Die Tür geht auf, und Frank Plasberg kommt herein, er erkundigt sich nach Lindner, sie reden kurz, dann verschwindet der Moderator wieder. Auf einmal steht Michel Friedman im Raum; kurz darauf kommt Wolfgang Bosbach dazu. Wie Lindner sind sie Gäste der Sendung, aber er ist es, um dessen Aufmerksamkeit alle buhlen. Sie kommen zu ihm, sie sind an seiner Meinung interessiert, sie wollen ihm gefallen.
Lindner hat sich auf seinen Auftritt vorbereitet. Er ist Perfektionist, er überlässt da nichts dem Zufall. Er arbeitet lange an Formulierungen, man merkt das, wenn er in einer Diskussion oder bei einer Rede etwas sagt, worauf er sich vorbereitet hat: Kurz davor drückt er jedes Mal das Kreuz durch, wird ein kleines Stückchen größer. Lindner mag Sprache, er liest viel, und er liefert andere Antworten, als man erwartet. Die meisten Politiker bimsen den Leuten die immergleiche Botschaft ein, zehnmal, zwanzigmal – bis sie die Leute langweilen. Lindner ist cleverer, er nimmt das Bekannte auf, schiebt es mit großer Geste von sich und präsentiert dann das Neue – selbst wenn er nur eine andere Formulierung für das Alte gefunden hat. Es ist ein simpler rhetorischer Kniff. Aber er wirkt.
In der Sendung dominiert er. Es geht um den Euro. Lindner ist ein guter Beobachter, und sehr schnell merkt er an diesem Abend, dass ihm die Rolle des heimlichen Moderators zufällt. Plasberg fragt ziellos, die anderen Gäste verzetteln sich – also ist es Lindner, der die Diskussion lenkt, mit seinen Beiträgen strukturiert und auch die überraschendsten Fragen stellt. Er wirkt konsequent und kompetent – ohne sich inhaltlich festlegen zu müssen.
In einer kleinen Partei wie der FDP sticht einer wie Lindner heraus, und so hat ihn die Partei auch noch einmal zurückgenommen, 2012, als er Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen wurde, nachdem er zuvor als Generalsekretär aus Berlin geflohen war. Die FDP lag am Boden, sie brauchte jemanden, der ihr wieder aufhalf, und Lindner war der Einzige, der das noch konnte. Er hievte die Liberalen auf damals sensationelle 8,2 Prozent. Aber jetzt sitzt er in NRW im Landtag, wieder dort, wo seine Karriere vor 13 Jahren begann. Und ein wenig hat man den Eindruck, als ob er jetzt das erste Mal in seinem Leben am Scheideweg steht: Geht es ihm wie bisher nur um sich – oder auch um eine Sache? Und um welche Sache geht es ihm dann?
Genscher hat mit Lindner ein Buch herausgebracht, es war Teil eines Plans.
Er ist innerlich unabhängig
Auf dem Tisch liegt eine rote Mappe mit der Aufschrift "Weisung erbeten". Daneben ein Stapel Papiere. Den Tisch hat der Hausherr nach draußen getragen, auf die kleine Dachterrasse seines Einfamilienhauses; genauso wie das Telefon, dessen langes Kabel ins Innere des Hauses führt. Hans-Dietrich Genscher arbeitet im Sommer gerne draußen, hier liegt seine kleine Kommandozentrale, hier vernimmt er per Telefon, was im Innersten der FDP geschieht. Von hier aus schickt der 86-Jährige seine Botschaften in die Partei. Und hier empfängt er zum Gespräch.
Herr Genscher, welche Rolle spielt Christian Lindner in der FDP im Augenblick?
"Mit seinem Wahlergebnis hat er der FDP wieder Selbstvertrauen gegeben. Es ist eine sehr wichtige Funktion, die er jetzt und zukünftig hat."
Gleichzeitig ist er an NRW gebunden und damit sehr limitiert, oder?
"Ja und nein. Der NRW-Landesvorsitzende hatte immer ein großes Gewicht, er war immer derjenige, ohne den in der Partei nichts ging. Diese Rolle hat Linder heute schon."
Was gefällt Ihnen an Christian Lindner?
"Er ist offen für neue Ideen, nicht festgelegt. Das ist das Entscheidende, das braucht die FDP. An der Spitze der Liberalen muss man innerlich unabhängig sein."
Die Leute sagen, er werde der nächste Vorsitzende sein – wenn er keinen Fehler macht. Was könnte ein Fehler sein?
"Darüber denke ich nicht nach."
Genscher hat zusammen mit Lindner ein Gesprächsbuch herausgebracht, in diesem Frühjahr war das, und das Buch war Teil eines Plans. Es entstand über den Winter, als beide davon ausgehen mussten, dass Rösler nach einer Wahlniederlage in Niedersachsen im Januar stürzen würde. Dann hätte Brüderle die Partei vorübergehend geführt, und Lindner wäre der Mann gewesen, der die FDP inhaltlich neu ausgerichtet hätte. Beide, Genscher wie Lindner, bestreiten den Plan.
Es kam ohnehin anders. Die FDP holte in Niedersachsen überragende 9,9 Prozent, Rösler blieb. Während die Endfassung des Buches entstand, entfiel sozusagen seine Geschäftsgrundlage. Und ein wenig liest es sich jetzt auch so. Genscher redet viel von der "Öffnung" der FDP, er will die FDP thematisch verbreitern. Im Buch ist er es, der drängt und fordert. Und Lindner ist es, der ganz vorsichtig agiert und nur nichts Falsches gegen Schwarz-Gelb sagen will. Und es bleibt offen, ob es wirklich nur an der Situation liegt – oder er sich vielleicht gar nicht positionieren mag.
"Ich will jetzt erst einmal meine Aufgaben möglichst gut machen."
Vielleicht ist das ja Lindners große Chance, auch wenn er für die nächsten Jahre in NRW festzusitzen scheint: Dass er seinen Fleiß nicht nur dafür einsetzt, in Talkshows bella figura zu machen. Dass er Begeisterung für eine Sache entwickeln könnte und nicht nur dafür, sie schön zu beschreiben. Dass er sich ein Fundament bauen könnte für die Fassade, die bereits steht. Das wäre wirklich etwas Neues.
Am Abend nach der Sendung von Hart aber fair hat Christian Lindner noch Zeit für ein letztes Getränk. Er empfiehlt eine nahe gelegene Bar, sie ist um diese späte Zeit fast leer, nur der Mann am Piano klimpert noch herum. Lindner lässt sich in einen Sessel fallen, zieht die Krawatte aus, lockert den steifen Tab-Kragen seines Hemds.
Wollen Sie der nächste Vorsitzende der FDP werden, Herr Lindner?
"Ich hatte einmal die Chance, mich um dieses Amt zu bewerben. Ich war aber nicht der richtige Mann zur richtigen Zeit."
Weil sie zu jung waren?
"Ja. Und damals noch zu frisch im politischen Berlin. Diese Personaldebatten sind aber beendet. Ich brauche die nicht zurück."
Was brauchen Sie?
"Ich bin Perfektionist. Ich will jetzt erst einmal meine Aufgaben möglichst gut machen."
Er nimmt einen letzten Schluck aus dem Bierglas, dann ist es nach Mitternacht. Zeit zu gehen. Draußen wartet sein Fahrer. Christian Lindner steigt in seinen 6er BMW, auf dem Nummernschild steht CL 2017. In jenem Jahr ist wieder Bundestagswahl.
Der Text ist zuerst auf Zeit Online erschienen.