Chronologie Der lange Streit um die Atompolitik

Die Atomunfälle nach dem verheerenden Erdbeben in Japan haben der Debatte um die Laufzeiten der 17 deutschen Kernkraftwerke eine neue Wendung gegeben. Erst im Herbst 2010 hatte Schwarz-Gelb eine Verlängerung um durchschnittlich zwölf Jahre beschlossen. Ein Rückblick.

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Lage in den deutschen Atomkraftwerken Quelle: dapd

13. Januar 1999: Die rot-grüne Koalition verständigt sich auf Eckpunkte eines Atomgesetzentwurfs. Die Nutzung der Atomenergie soll „geordnet und sicher beendet“, die Wiederaufarbeitung ab 2000 verboten werden.

26. Januar 1999: In Bonn findet die erste Konsensrunde zwischen Regierung und Industrie statt. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) verhindert ein frühzeitiges Scheitern, indem er nicht länger am Termin 1. Januar 2000 für das Ende der Wiederaufarbeitung festhält. Es beginnen schwierige Verhandlungen.

14./15. Juni 2000: Schröder lädt die führenden Strommanager ins Kanzleramt. Beide Seiten verständigen sich auf die Atomkonsensvereinbarung.

11. Juni 2001: Die Konsensvereinbarung wird unterzeichnet.

Brückentechnologie

27. April 2002: Das Gesetz tritt in Kraft, nachdem der Bundesrat den Entwurf am 1. Februar 2002 mangels Zustimmungspflicht passieren lassen musste.

2005 bis 2009: In der großen Koalition ist durch die Beteiligung der SPD eine Rücknahme des Atomausstiegs kein Thema. Die Konzerne setzen auf einen Wahlsieg von Schwarz-Gelb.

26. Oktober 2009: Union und FDP unterzeichnen ihren Koalitionsvertrag. Darin heißt es: „Die Kernenergie ist eine Brückentechnologie, bis sie durch erneuerbare Energien verlässlich ersetzt werden kann. (...) Dazu sind wir bereit, die Laufzeiten deutscher Kernkraftwerke unter Einhaltung der strengen deutschen und internationalen Sicherheitsstandards zu verlängern.“ Die Zusatzgewinne sollen zu einem großen Teil in den Ausbau der Öko-Energien fließen.

7. Juni 2010: Die Regierung beschließt das größte Sparpaket in der bundesdeutschen Geschichte. Die Atomkonzerne sollen eine Steuer auf Brennelemente zahlen - unabhängig von Laufzeitverlängerungen. Die Steuer soll dem Bund ab 2011 jährlich 2,3 Milliarden Euro bringen.

23. Juni 2010: Bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gehen die Spitzen der Energiekonzerne auf Konfrontationskurs und schließen eine Klage nicht aus.

13. August 2010: Der Streit spitzt sich auch innerhalb der Koalition zu: Während Wirtschaftsexperten von Union und FDP die AKW 15 Jahre länger am Netz lassen wollen, tritt Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) für deutlich kürzere Fristen ein.

5. September 2010: Bei einem Gipfel einigt sich die Koalition auf im Schnitt 12 Jahre längere Laufzeiten - im Gegenzug sollen die Konzerne rund 30 Milliarden Euro zahlen.

9. September 2010: Ein Vertrag zwischen Regierung und den Atomkonzernen wird öffentlich. Die Konzerne haben sich weitreichende Schutzklauseln zusichern lassen. Die Kosten für die mögliche Nachrüstung werden auf 500 Millionen Euro je Kernkraftwerk begrenzt. Sind die Kosten höher, reduzieren sich die Zahlungen für den Ökoenergie-Fonds. Gleiches gilt, wenn die Laufzeiten verkürzt werden.

Demonstrationen

18. September 2010: 100 000 Menschen demonstrieren nach Angaben der Veranstalter in Berlin gegen die schwarz-gelbe Atompolitik. 28. Oktober 2010: Der Bundestag verabschiedet die Laufzeitverlängerung für AKW bei 289 Gegenstimmen. Das Energiepaket sieht auch eine Atomsteuer und einen Fonds für den Ausbau erneuerbarer Energien vor.

28. Februar 2011: Die SPD-regierten Länder Rheinland-Pfalz, Berlin, Brandenburg, Bremen und Nordrhein-Westfalen klagen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Laufzeitverlängerung.

4. März: 214 Bundestagsabgeordnete von SPD und Grünen reichen ebenfalls Klage in Karlsruhe ein.

12. März: Nach einem schweren Erdbeben mit einer Flutwelle und dem darauffolgenden Atomunfall in Japan kündigt Merkel Sicherheitschecks für die 17 deutschen AKW an. Umweltminister Röttgen räumt ein, dass sich auch für Deutschland die Frage nach der Beherrschbarkeit der Atomrisiken stelle. In Baden-Württemberg demonstrieren 60 000 Menschen gegen Atomkraftwerke.

14. März: Merkel will die längeren Laufzeiten für die deutschen AKW für drei Monate aussetzen. Sie kündigt die Abschaltung alter Meiler an, die nur wegen der Laufzeitverlängerung noch in Betrieb sind. Merkel schwenkt damit kurz vor wichtigen Landtagswahlen von ihrem bisherigen atompolitischen Kurs ab.

15. März: Nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten der Länder mit Atomstandorten kündigt Merkel an, dass die sieben vor 1980 gebauten Atomkraftwerke vorübergehend abgeschaltet werden.

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