CSR-Richtlinie Mittelständler in der Nachhaltigkeitsfalle

Große Unternehmen müssen künftig über die Folgen ihres wirtschaftlichen Handelns Rechenschaft ablegen. Die Wirtschaft kritisiert das neue Gesetz, weil – anders als geplant – auch kleine Firmen betroffen sein können.

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CSR steht für verantwortliches unternehmerisches Handeln. Quelle: Pascal Behning

Berlin Treibhausgase, Wasserschutz, Luftreinhaltung oder ethische Verantwortung - die Nachhaltigkeitsberichte mancher Konzerne lesen sich teilweise wie Dokumente von Umweltorganisationen. Doch feste Vorgaben fehlten bisher, sodass die Firmen selbst entscheiden konnten, ob sie über die Folgen ihres wirtschaftlichen Handelns Rechenschaft ablegen und was sie mitteilen. Nun soll alles anders werden.

Große, börsennotierte Unternehmen müssen künftig nicht nur über ihre finanzielle Lage Auskunft geben, sondern auch über ihren Einsatz für Umweltschutz, Menschenrechte und Korruptionsbekämpfung. Das hat der Bundestag in der Nacht zum Freitag beschlossen. Damit setzt Deutschland die CSR-Richtlinie der Europäischen Union um. Die Abkürzung CSR steht für „Corporate Social Responsibility“, quasi die gesellschaftliche Verantwortung der Wirtschaft.

Einige hundert Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten sind damit in Zukunft verpflichtet, Lageberichte zu „nichtfinanziellen“ Themen vorzulegen. Zur Begründung der Neuregelung weist die Bundesregierung darauf hin, dass Unternehmen heute zunehmend nicht mehr nur nach ihren Finanzdaten bewertet und befragt würden, sondern auch nach Nachhaltigkeitskriterien beurteilt werden.

Bei der Wirtschaft stoßen die neuen Vorschriften auf deutliche Kritik, weil der der neue gesetzliche Rahmen nicht nur große Konzerne trifft, sondern auch Auswirkungen auf kleinere und mittlere Unternehmen haben kann. Die vom neuen Gesetz direkt erfassten Unternehmen müssen nämlich auch darüber berichten, wie es um die Nachhaltigkeit bei ihren Zulieferern steht. In der Praxis könnte das dazu führen, dass auch kleinere Unternehmen, die in Lieferketten von großen Unternehmen eingebunden sind, künftig zunehmend mit CSR-Anforderungen durch ihre Kunden belangt werden, ohne dass sie jedoch selbst einer gesetzlichen CSR-Berichtspflicht unterliegen. Darauf weisen der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Familien-Unternehmerverband hin.

„Im Moment sieht es so aus, als würde auf vermeidbare bürokratische Lasten bei der Umsetzung der Richtlinie nicht durchgängig verzichtet. Gerade für kleine und mittelgroße Zuliefererbetriebe, die mittelbar über ihre Geschäftsbeziehungen in die Berichtspflicht einbezogen sind, wäre eine Begrenzung der Berichtspflicht wichtig gewesen“, sagte der stellvertretende Hautgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Achim Dercks, dem Handelsblatt.

Der Präsident des Verbands „Die Familienunternehmer“, Lutz Goebel, nennt es gar eine „Fehlannahme“ der Politik, dass nur große Unternehmen von der CSR-Richtlinie betroffen wären. „Auch kleine und mittlere Betriebe werden über ihre Geschäftsbeziehungen zu den großen mittelbar verpflichtet, Nachhaltigkeitsaussagen zu tätigen“, sagte Goebel dem Handelsblatt.

Den Sinn dahinter, kann der Verbandschef nicht so recht nachvollziehen. „Die CSR-Richtlinie ist nichts anderes als ein Förderprogramm für Berater“, sagte Goebel. Und er findet es „unglaublich, dass die Politik die Richtlinie ersichtlich unter der Annahme konzipiert hat, dass Unternehmer nicht anders zur Wahrung von Menschenrechten, sozialen Standards, Nachhaltigkeit und gegen Korruption zu bewegen sind“. Dabei lebten viele Familienunternehmen aktiv das, was CSR jetzt vorschreibe – „ohne viel Trara darum zu machen“. Goebel ist daher sicher: „Die CSR-Richtlinie macht die Welt nicht besser, nur bürokratischer.“

Und für manche Unternehmen könnte es sogar eine teure Angelegenheit werden. DIHK-Hauptgeschäftsführer Dercks kritisiert die Sanktionen, die das Gesetz bei Nichteinhaltung der Regeln vorsieht. Die im Gesetzentwurf enthaltenen Geldbußen gingen über die versprochene 1:1-Umsetzung der Richtlinie „weit hinaus“ und seien „unverhältnismäßig hoch“, sagte er. Zugleich appellierte er an die Politik, den Unternehmen ausreichend Zeit zu geben, um die Vorgaben erfüllen zu können. „Da die gesetzlichen Vorgaben nun voraussichtlich erst im 2. Quartal in Kraft treten,  wäre eine Übergangsfrist für die Erstanwendung besonders wichtig.“


„Regelungen verbessern Transparenz und Vergleichbarkeit“

Die Bundesregierung betont indes die Vorteile der CSR-Vorgaben. Sogenannte nichtfinanzielle Informationen zu Themen wie der Achtung der Menschenrechte, Umweltbelange oder soziale Belange bildeten einen immer wichtigeren Bereich der Unternehmenskommunikation. Investoren, Unternehmen sowie Verbraucher verlangten insoweit vor allem mehr und bessere Informationen über die Geschäftstätigkeit von Unternehmen, um zu entscheiden, ob sie investieren, Lieferbeziehungen eingehen oder Produkte erwerben und nutzen, schreibt die Regierung in ihrem Gesetzentwurf.

Dies sei auch auf die zunehmende Medienberichterstattung über Arbeits- und Lebensbedingungen in Drittstaaten zurückzuführen, die zu einer Sensibilisierung von Investoren, Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie Unternehmen im Hinblick auf nichtfinanzielle Belange geführt hat. Gleichzeitig seien nichtfinanzielle Faktoren schon heute wichtige unternehmensinterne Entscheidungsfaktoren, etwa wenn es um die Risikobetrachtung geht, schreibt die Regierung.

Bei Handelsunternehmen haben CSR-Berichte mittlerweile ein hohen Stellenwert. Gerade Discounter, die wegen ihrer niedrigen Preise schnell in den Verdacht geraten, bei den sozialen Standards zu geizen, wollen auf diese Weise demonstrieren, was sie für Umwelt und Menschenrechte tun. So hat der Textildiscounter Kik, der nicht zuletzt durch die Brandkatastrophe in einer Fabrik in Pakistan massiv in die Kritik geraten ist, kürzlich schon seinen dritten Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt.

Wegen fehlender Regelungen waren Berichte bisher kaum vergleichbar. Im Gegensatz zu den Finanzberichten, die nach den Vorgaben des Handelsgesetzbuchs oder den internationalen Berichtspflichten verfasst werden, gibt es für Nachhaltigkeitsberichte unzählige verschiedene Initiativen und Richtlinien, auf die sich Unternehmen stützen können. Die Vereinten Nationen geben mit ihrer Global-Compact-Plattform Rahmenbedingungen vor, genau wie die Global Reporting Initiative (GRI) oder das Carbon Disclosure Project. Doch die sind freiwillig.

In der Unions-Bundestagfraktion ist man deshalb auch zufrieden, dass künftig mehr Klarheit herrscht. Praktisch alle großen deutschen Unternehmen erstellten schon heute regelmäßige Nachhaltigkeitsberichte. „Mit den gesetzlichen Regelungen verbessern wir nun Transparenz und Vergleichbarkeit“, sagte die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker. „Damit wird das Gesetz zu mehr Nachhaltigkeit im Unternehmenshandeln beitragen.“

Der CDU-Abgeordnete Heribert Hirte ist überzeugt, dass die Unternehmen durch die neuen Berichtspflichten „nicht mit unnötiger Bürokratie überfrachtet“ würden. „Zudem konnten wir durchsetzen, dass das Ergebnis einer freiwilligen externen Prüfung des CSR-Berichts erst ab 2019 veröffentlicht wird.“ Das gebe den betroffenen Unternehmen die Möglichkeit, sich auf die neuen Regelungen einzustellen.

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