CSU-Chef Horst Seehofer "Die NPD gehört definitiv verboten"

Bund und Länder beraten auf einem Krisentreffen über die Bekämpfung rechtsradikaler Gewalt. Sollte die Politik ein neues NPD-Verbotsverfahren anstreben? Ein Interview mit dem CSU-Chef und bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer.

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Horst Seehofer Quelle: Armin Brosch für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche Online: Die Serienmorde der Nazi-Terrorzelle haben Deutschland erschüttert. Wie müssen Staat und Gesellschaft darauf reagieren?

Horst Seehofer: Zunächst einmal: Was hier öffentlich wurde, ist schändlich für unser Land und die Sicherheitslage in unserem Land. Mindestens zehn Morde, über eine Dekade hinweg. Wichtig ist nicht nur die Prävention, also die Aufklärung in Schulen, damit Kinder und Jugendlichen solchen Verführern nicht auf den Leim gehen. Jetzt ist die Repression gefragt, also die konsequente Strafverfolgung und Bestrafung. Zu meinen ehernen Grundsätzen gehört die Bekämpfung von politischem Extremismus links und rechts mit allen rechtsstaatlichen Mitteln.

 

Wollen Sie die NPD verbieten?

An die zehn rechtsextreme Organisationen sind über die Jahre verboten worden, da bin ich froh. Die jetzige juristische Diskussion über die NPD ist für mich abenteuerlich. Was muss denn sicherheitspolitisch noch passieren, damit beim NPD-Verbot etwas vorangeht? Der Rechtsstaat muss jetzt alles einsetzen, was er zur Verfügung hat, um auch die ideologische Basis, den Nährboden für solche Verbrechen zu entziehen. Die NPD gehört definitiv verboten. Es müssen jetzt die Voraussetzungen geschaffen werden, damit ein neues Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich sein kann. Ich erwarte jetzt von allen Beteiligten, dass  ein verfassungsfestes NPD-Verbot vorbereitet wird. Bayern wird alles Erfolg Versprechende unterstützen.

 

Die Rechtslage hat sich doch nicht geändert.

Das Bundesverfassungsgericht hat aus verfahrensrechtlichen Gründen im Jahr 2003 den NPD-Verbotsantrag aufgrund einer Sperrminorität von drei Richtern zurückgewiesen. Wir müssen nunmehr alles daran setzen, dass das Gericht im Lichte der aktuellen Ereignisse seine Rechtsmeinung überdenken kann. Mich empört zudem besonders, dass wir die Gegner unseres freiheitlichen Staates noch über die Parteienfinanzierung unterstützen. Das ist doch abenteuerlich. Die Einstellung der Parteienfinanzierung geht aber nur über ein Parteienverbot.

 

Beim letzten Mal ist das Verbotsverfahren daran gescheitert, dass zu viele V-Leute des Verfassungsschutzes Führungsfunktionen in der NPD innehatten. V-Leute spielen auch im aktuellen Fall eine Rolle. Müssen wir den Einsatz verdeckter Ermittler überdenken?

Das was jetzt an die Oberfläche kam, macht deutlich, dass eine Gefahr für unsere freiheitliche Grundordnung gegeben ist. Auch wenn hier vielleicht manche Erkenntnisse nicht richtig erbracht und falsch bewertet wurden, würde ich jetzt nicht alle V-Leute in dem Bereich abziehen. Dann würde sich der Rechtsstaat nur wieder schwächen. Aber die Erkenntnisse jetzt neu zu gewichten und dies mit einer besseren Kontrolle der V-Leute zu verbinden und ihren Einsatz neu zu überdenken, halte ich juristisch für möglich. Der Rechtsstaat muss jetzt alle Register ziehen.

Sicherheitslage relevant für Standortentscheidung

Kritiker fürchten, der Rechtsstaat mache sich gerade dann angreifbar.

Das unterscheidet uns doch von der Nazi-Zeit, in der ein Diktator unter Missachtung aller rechtstaatlichen Regeln unliebsame Parteien eliminiert hat. Wenn wir jetzt einen großen Konsens hätten bei der Bundesregierung, bei den Bundesländern, bei den Kirchen, bei den gesellschaftlichen Kräften, bei den Bundestagsfraktionen – dann ist das ein völlig anderer Sachverhalt. Da geht es nicht darum, unliebsame Wettbewerber aus dem Feld zu schlagen, sondern eine Gefahr für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zu bannen.

Ist es denn juristisch so schwierig, dem Problem beizukommen?

Das kann man nicht pauschal beantworten, aber ich kann auf einen Fall in der Vergangenheit verweisen. Wir hatten in Bayern lange Probleme, den Aufmarsch dieser Horden in Wunsiedel zu unterbinden, am Grab des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß. Da ist keinem im Bundesinnen- und Bundesjustizministerium etwas dagegen eingefallen. Da kam ein  örtlicher Landrat und hat eine Gesetzesformulierung vorgeschlagen, die der Bundestag dann auch beschlossen hat. Und seitdem ist Ruhe. Das war kein Ruhmesblatt für die Elite in Berlin.

 

Haben Sie Sorge, dass die Mordserie der Terrorzelle auch dem internationalen Ansehen Deutschlands schadet, auch als Investitionsstandort?

Aus meiner Arbeit als Ministerpräsident weiß ich, dass für Unternehmer bei Standortentscheidungen viele Fragen eine Rolle spielen. Die Sicherheitslage spielt für eine Standortentscheidung eine große Rolle. Auch deshalb brauchen wir ein klares juristisches Signal.

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