CSU-Chef Seehofer Werden uns von der Türkei nicht erpressen lassen

Waren die Drohungen des türkischen Präsidenten Erdogan, den Flüchtlingspakt aufzukündigen, an die EU gerichtet oder doch eher innenpolitisch motiviert. In ihren Reaktionen sind sich führende deutsche Politiker einig.

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Führende Europapolitiker und CSU-Chef Horst Seehofer haben in der Türkei-Politik eine harte Linie gegen Ankara angemahnt. Zu den Drohungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, den Flüchtlingspakt mit der Europäischen Union aufzukündigen, sagte der bayerische Ministerpräsident der „Passauer Neuen Presse“ (Samstagsausgabe): „Wir werden uns nicht erpressen lassen.“ Europa müsse „Menschenrechte, Freiheit und Demokratie verteidigen“.

Nach der Empfehlung des EU-Parlaments, die Beitrittsgespräche mit der Türkei einzufrieren, hatte Erdogan am Freitag damit gedroht, die Grenzübergänge für Flüchtlinge, die nach Europa wollen, zu öffnen. Seehofer betonte, Deutschland würde in diesem Fall schon wissen, was zu tun wäre. „Wir würden unsere Grenzen dann noch besser sichern.“ Zudem müsste in diesem Fall Griechenland und Italien geholfen werden, die Herausforderung zu bewältigen.

Der FDP-Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff forderte einen besseren Grenzschutz für Europas Küsten. „Dem Versuch Erdogans, eine Erpressungskulisse aufzubauen, begegnet man am besten mit echten Reformen und nicht mit Symbolpolitik, bei der (die EU-Grenzschutzagentur) Frontex ein zahnloser Tiger bleibt“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Samstagsausgabe).

Probleme im deutsch-türkischen Verhältnis

Die grüne Europaparlamentarierin Barbara Lochbihler forderte, gegenüber der Türkei weiter auf die Einhaltung der Menschenrechte zu dringen. Erdogan sei ernst zu nehmen, allerdings seien seine Äußerungen vor allem auch innenpolitisch motiviert, sagte Lochbihler im Deutschlandradio Kultur. Ein tatsächlicher Bruch sei nicht sehr wahrscheinlich. Erdogan sei auch auf die mit dem EU-Türkei-Pakt verbundenen 6 Milliarden Euro angewiesen, sagte die Vizepräsidentin des Menschenrechtsausschusses im Europaparlament.

Der Fraktionsvorsitzende der Christdemokraten im EU-Parlament, Manfred Weber, hofft, dass die EU-Staaten der Resolution des Europaparlaments folgen, die Beitrittsgespräche mit der Türkei vorerst auf Eis zu legen. Der CSU-Abgeordnete sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag).: „Wir können nicht weiter so tun, als sei nichts passiert.“ Von Wirtschaftssanktionen gegen die Türkei hält Weber indes nichts: „Ich warne vor Aktionismus. Ich bin im Moment dagegen, EU-Hilfsgelder auszusetzen oder Wirtschaftssanktionen zu verhängen. Die Gesprächsfäden dürfen nicht abreißen.“

Weber glaubt nicht mehr an einen EU-Beitritt der Türkei. „Die EU-Mitgliedschaft wird für die Türkei nicht kommen“, sagte der CSU-Abgeordnete. Wichtiger seien Einzelabkommen mit Ankara für praktische Fortschritte etwa in der Wirtschaft, in der Kultur und beim Studentenaustausch. „Das wäre aus unserer Sicht viel sinnvoller als die EU-Mitgliedschaft“, sagte Weber.

In der Türkei passiert ungeheuerliches: Ein NATO-Mitgliedsland wird zur islamistischen Diktatur und rüstet sich für den Bürgerkrieg. Die Reaktion des Westens dagegen ist jämmerlich.
von Ferdinand Knauß


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