CSU Galgenfrist für Seehofer

Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Parteichef hat sich ein paar Tage erkauft, um seinen politischen Rückzug zu organisieren.

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Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer. Quelle: dpa

Horst Seehofer hat seinen Kopf noch einmal aus der Schlinge gezogen. Der CSU-Parteichef, der seit dem schlechten Abschneiden seiner Partei im September schwer angeschlagen ist, bleibt vorerst in seinen Ämtern. Das verkündete Seehofer nach einem Gesprächsmarathon mit der Landtagsfraktion und im Landesvorstand der CSU Donnerstagabend. Es wird eine Kommission einberufen, der neben Seehofer seine Vorgänger Edmund Stoiber und Theo Waigel sowie die Landtagspräsidentin Barbara Stamm angehören. Damit erkauft sich Seehofer nicht nur ein wenig Zeit, sondern er hält sich seinen schärfsten Parteifreund, Markus Söder, vorerst vom Leib - und verschafft sich selbst die Chance, im Würde abzutreten.

 Seehofer hat von seiner Partei ein Zeitfenster geschenkt bekommen, um seinen Hof zu bestellen und die Nachfolge gesichtswahrend zu ordnen. Zu groß war der Druck geworden, als die CSU bei der Bundestagswahl am 24. September mit 38,8 ein historisch schlechtes Wahlergebnis einfuhr. Das bedeutet in der bayerischen Volkspartei, die Ergebnisse von 50 Prozent plus X gewöhnt war und wo alle Abgeordnete per Direktmandat in Bundes- oder Landtag einziehen und nicht über eine Landesliste abgesichert werden, Aufruhr und Revolution gegenüber dem Parteiführer. Glück hatte Seehofer allerdings in den vergangenen Wochen, da er in Berlin an den Jamaika-Gesprächen teilnehmen musste (durfte?) und deshalb die innerparteiliche Jagd ruhte. Die Zeit spielte dabei Seehofer zu, aber sie heilt nicht die geschlagenen Wunden.

 Frei ist Seehofer bei der Organisation seines politischen Rückzugs nicht. Seinen Widersacher und Feind Markus Söder wird er kaum noch verhindern können. Der Finanzminister ist der mächtigste unter den möglichen Diadochen, zu denen noch die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, der CSU-Landesgruppenchef in Berlin Alexander Dobrindt, Bayerns Innenminister Joachim Hermann und der Europaabgeordnete Manfred Weber gehören. Aber immerhin sind zwei Posten von Seehofer zu verteilen, der des CSU-Vorsitzenden und des Ministerpräsidenten.

 Bis zuletzt hat Seehofer laviert und seine Karten (und die der anderen) geprüft. „Das ist ein offener Prozess, der erst heute zu Ende geht“, sagte Seehofer im Vorfeld der Vorstandssitzung an diesem Donnerstag. Mit anderen Worten, er räumt nicht freiwillig das Feld, er ist ein Getriebener, einer von den vielen Politikern, die nicht von der Droge Macht lassen können und am Ende von Stuhl geschubst oder darauf aus der Amtsstube herausgetragen werden müssen. Letzteres möchte sich der 68-jährige dann doch noch ersparen. Der unwürdige Abgang von Edmund Stoiber, der lange unangefochten Bayern und die CSU regierte und dann im Handumdrehen politisch gemeuchelt wurde, dürfte Seehofer eine Warnung sein. Zumal, und auch das ist eine Lehre aus der Personalie Stoiber, dieser später wieder innig in die Mitte der CSU aufgenommen wurde, als Ehrenvorsitzender.

 Schließlich hat auch Seehofer über viele Jahre die CSU geprägt und siegen lassen. Vor 37 Jahren zog er das erste Mal in den Bundestag ein, er war ein profilierter Bundesminister, erst für Gesundheit zuständig, später für Landwirtschaft, bis er dann 2008 nur ein Jahr nach dem Sturz von Stoiber sowohl den CSU-Parteivorsitz als auch das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten vom glücklosen Duo Huber/Beckstein übernahm.  Sein Stern sank mit der Flüchtlingskrise, die er Bundeskanzlerin Angela Merkel anlastete. Zwar stemmte  sich Seehofer gegen die Öffnung der Grenzen, aber vergeblich. Selbst zu verantworten hat dagegen Seehofer seinen Umgang mit den Parteifreunden nach Gutsherrenart. Er verteilte Noten an die Partei- und Ministerkollegen, rüffelte öffentlich und spielte sie nach Kräften gegeneinander aus. Da wirkt es für viele wie Hohn, als er nach seiner Rückkehr von den langen Berliner Jamaika-Gesprächen nach München vor den gestrigen Gremiensitzungen erklärte, sein Hauptziel sei es, wieder zu Kameradschaft und Kollegialität zurückkehren. So oder so, Seehofer ist bereits eine Person der Vergangenheit.

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