CSU-Klausurtagung Hasselfeldts Erbe, Seehofers Herausforderung

Zum letzten Mal leitet Gerda Hasselfeldt die CSU-Traditionsklausur der Bundestagsgruppe. Parteichef Seehofer kommt auch – und wird ihr wohl die Show stehlen. Über eine ungewöhnliche Frau und die Frage der Nachfolge.

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Von Mittwoch bis Freitag leitet die Landesgruppenvorsitzende im Bundestag zum letzten Mal die traditionsreiche Winterklausur der CSU-Bundestagsabgeordneten. Quelle: dpa

Berlin/Seeon Der Vorfall liegt zwar schon rund 50 Jahre zurück, aber Gerda Hasselfeldt erinnert sich lebhaft an ihn. Als Jugendliche und eines von sechs Kindern half sie im elterlichen Wirtshaus in Haibach im Bayrischen Wald und hörte so manchen derben Spruch. Als ein Gast auch noch anzüglich wurde, scheuerte sie ihm eine. Geschlagen hat sie später noch viele Männer – aber nicht mehr physisch, sondern im Sinne von Siegen und Durchsetzen. Doch bald ist Schluss. Im Juli wird sie 67 Jahre alt. Zur Bundestagswahl tritt sie nicht mehr an. 30 Jahre gehörte Hasselfeldt dann dem Parlament an und machte eine für Frauen in der CSU beispiellose Karriere.

Von Mittwoch bis Freitag leitet Hasselfeldt zum letzten Mal die traditionsreiche Winterklausur der CSU-Bundestagsabgeordneten, diesmal nicht im legendären Wildbad Kreuth in Bayern (dort wird renoviert), sondern erstmals in Kloster Seeon am Chiemsee. CSU-Chef Horst Seehofer kommt natürlich auch - und wird Hasselfeldt vermutlich wie so oft die Show stehlen. Das macht ihr aber nichts aus. Hasselfeldt war immer leise, bedächtig, höflich, zurückhaltend – manche sagen langweilig. Und eben so ganz anders als Polterer und große Redner der CSU. Das hinderte sie aber nicht am Erfolg.

Sie war Bauministerin und Gesundheitsministerin unter Helmut Kohl, später Bundestagsvizepräsidentin. Seit 2011 führt sie die CSU-Landesgruppe im Bundestag. Als erste Frau auf dem wohl wichtigsten CSU-Posten nach dem Parteivorsitz. Sie geht nach einem Politikerinnenleben ohne Skandal und mit Stil. Ihre Akkuratesse, was Kleidung und öffentlich wahrnehmbaren Umgang betrifft, sind legendär.

„Ich möchte nicht mit 70 noch im Bundestag sitzen, sondern dann Platz für Jüngere machen“, sagte sie im vorigen Jahr. Zu den jüngeren, erfolgreichen, zielstrebigen Parteisoldaten gehört etwa Alexander Dobrindt (45), der Bundesverkehrsminister. Seit er die Einführung der Pkw-Maut, die außer der CSU in Deutschland kaum jemand haben wollte, wieder in greifbare Nähe gerückt hat, gilt er bei Seehofer endgültig als gesetzt für hohe Aufgaben. Selbst ein Bundesminister wirkt in der CSU nicht mehr so mächtig wie der Landesgruppenchef. Schon 2011 war Dobrindt, damals noch CSU-Generalsekretär, dafür im Gespräch.

Für Seehofer könnte Dobrindt, der Mann mit gestreiften und karierten Anzügen, einem eisernen Schlankheitswillen nach einem Gewichtsverlust von 20 Kilo und einer extrem starken Verbundenheit zum Parteichef auf dem Posten ein Gewinn sein. Seehofer wünscht sich wieder eine lautere CSU-Stimme in Berlin, die sich stärker von Kanzlerin Angela Merkel abhebt – wenn diese denn auch nach der Wahl Regierungschefin bleibt.


„Zu viel Berlin und zu wenig Bayern“

Dobrindt hat einige Male gegen Merkel aufbegehrt – und es überstanden. Hasselfeldt und Merkel haben über die Jahre hingegen ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Oft vermittelt Hasselfeldt zwischen Merkel und Seehofer, wenn der Haussegen in der Union mal wieder schief hängt. Hasselfeldt machte sich auch nicht in der Flüchtlingskrise die massiven CSU-Attacken aus München gegen Merkel zu eigen. Das missfällt so manchem in der Partei.

Von Entfremdung ist die Rede, von „zu viel Berlin und zu wenig Bayern“, von einem verstellten Blick auf die Stärke und das Selbstverständnis der CSU infolge zahlloser Kompromissverhandlungen mit der CDU in Berlin. Wie weit sich Hasselfeldt von der selbst ernannten Herzkammer der CSU, der Landtagsfraktion, entfernt hat, zeigte sich im Herbst, als sie kurzfristig ihre Teilnahme an der Klausur im Kloster Banz in Bayern absagte, um in Berlin am Vermittlungsausschuss zur Erbschaftsteuer teilzunehmen.

CSU-Landtagsabgeordnete vermuteten sofort, dass Hasselfeldt keine große Lust auf ein neuerliches Scherbengericht in Banz hatte. 2015 - kurz nach Merkels großzügiger Aufnahme von Flüchtlingen - war sie hinter den Klostermauern von ihren eigenen Parteifreunden heftig in die Mangel genommen worden. Welten prallten aufeinander zwischen bajuwarischem Verdruss und Berliner Pragmatismus. Sämtlicher aufgestauter Frust über Merkel und die Politik der Bundesregierung wurde ungefiltert und teils aggressiv auf Hasselfeldt abgeladen.

Teilnehmer sprechen bis heute von einem „Tiefpunkt in der Beziehung zu Hasselfeldt“, den diese gar nicht verdient habe. Von Hasselfeldts Nachfolger erwarteten viele CSUler in Bayern aber in jedem Fall wieder mehr Prioritäten für den Freistaat und weniger Merkelianertum, heißt es im Landtag. „Eben mehr Lederhose und weniger Kostümchen mit Designer-Handtasche“, wie ein Abgeordneter es bitterböse in Anspielung auf Hasselfeldts Kleidungsstil formuliert.

Hasselfeldt kann sich bald denen widmen, die sie für ihre politische Karriere im Dienste der CSU oft vernachlässigt hat: Ehemann, Kinder, Enkelkinder. Gemeinheiten von Männern kann sie dann hinter sich lassen. Viele wird sie wohl vergessen. Nur nicht den Gast im Wirtshaus ihrer Eltern. Die Ohrfeige damals war ein richtiger Knaller. So weit musste Hasselfeldt danach nie mehr gehen.

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