CSU zur Alternative für Deutschland „Die AfD nicht stärker reden, als sie ist“

SPD-Chef Gabriel führt das AfD-Umfragehoch auf die Panikmache der CSU zurück. Die Christsozialen wollen über künftige Wahlerfolge der Populisten nicht spekulieren. Wichtiger sei, die Flüchtlingskrise zu bewältigen.

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Die Stärke der AfD in Umfragen entzweit die etablierten Parteien. Quelle: dpa

Berlin Die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) hält sich in Umfragen konstant über der magischen Fünf-Prozent-Hürde und setzt damit die etablierten Parteien unter Druck. Die Sorge ist groß, dass aus den komfortablen Umfragewerten Wahlergebnisse werden. In diesem Jahr werden in fünf Bundesländern die Landtage neu gewählt, ein Jahr später ist die Bundestagswahl. Und die Chancen für die AfD stehen nicht schlecht, dass sie in weitere Parlamente einzieht.

Die AfD profitiert vor allem vom Umstand, dass immer weniger Bürger von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. „Viele von denen, die sich als Wähler auf Urlaub sehen, würden gern wieder wählen - keine radikale, sondern eine der demokratischen Parteien“, sagte der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, dem „Stern“. Die müssten dann allerdings endlich die Sorgen und Ängste der vielen Nichtwähler ernst nehmen. Darüber herrscht jedoch große Uneinigkeit, wie das Flüchtlingsthema zeigt.

Die SPD glaubt, dass der Kurs der CSU in der Flüchtlingspolitik der AfD in die Hände spielt. „Diese ständige Panikmache der CSU und ihr Überbietungswettbewerb bei unsinnigen und unwirksamen Vorschlägen zur Flüchtlingspolitik ist Wasser auf die Mühlen der AfD“, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

CSU-Chef Horst Seehofer lassen solche Vorwürfe kalt. Bei der CSU-Winterklausur in Wildbad Kreuth gab er die Marschrichtung vor. „Wir müssen 2016 liefern“, sagte Seehofer nach Teilnehmerangaben zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen. „Wenn es so bleibt, haben wir als Union unsere besten Zeiten hinter uns.“ Rechts von der Union sei eine „neue Gruppierung“ entstanden, meinte Seehofer zur AfD - „deshalb kommt es existenziell auf richtige Entscheidungen an“.

Der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer (CSU), betonte ebenfalls die Notwendigkeit, in der Flüchtlingsfrage zu Ergebnissen zu kommen. Zugleich warnte er vor verfrühten Prognosen zu möglichen neuen Wahlerfolgen für AfD. „Über einen Wahlausgang der Bundestagswahl 2017 und einen möglichen Einzug der AfD in den Bundestag jetzt schon zu spekulieren, halte ich für nicht zielführend. Wir sollten beileibe nicht den Fehler machen und die AfD stärker reden als sie ist“, sagte Mayer dem Handelsblatt. „Für uns geht es jetzt darum, die epochale Herausforderung der Flüchtlingskrise zu bewältigen.“


„CDU hat ihren konservativen Flügel demonstrativ vernachlässigt“

Einfache Antworten auf solche „komplexen Fragen“ gebe es nicht, betonte der CSU-Politiker. Mayer reklamierte jedoch für seine Partei, in den vergangenen Monaten Maßnahmen zur Begrenzung und Steuerung des Flüchtlingszustroms durchgesetzt zu haben, die bereits ihre Wirkung zeigten. „Dennoch liegt es in der Verantwortung aller etablierten Parteien, die Sorgen und Ängste der Bürger nicht nur ernst zu nehmen, sondern die Probleme auch zu lösen“, sagte er und fügte hinzu: „Das tut die Union erfolgreich seit mehr als 70 Jahren.“

Der sozialdemokratische Koalitionspartner sieht das allerdings anders. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs machte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für das Erstarken der AfD verantwortlich. „Je weiter die CDU unter der Führung Merkels nach links rückt, umso mehr Platz gibt es für die AfD am rechten Rand. Je weniger Merkel Antworten in der Flüchtlingsfrage geben kann und will, umso stärker werden die Zweifel in Teilen der Bevölkerung“, sagte der Sprecher des Seeheimer Kreises in der SPD dem Handelsblatt. Kahrs fügte hinzu: „Wenn es der CDU nicht gelingt den rechten Rand wieder zu gewinnen, wird es ihr so gehen wie der SPD mit der Linken.“

Auch die Grünen und die FDP nehmen die Union wegen der AfD in die Zange. „Die Umfragewerte der AfD sind vor allem ein Abfallprodukt der rechtspopulistischen CSU-Performance“, sagte der Grünen-Innenpolitiker Volker Beck dem Handelsblatt. „Solange sich die CSU einen Unterbietungswettbewerb mit der AfD liefert, wer rechter und billiger ist, wird die AfD mit ihrem rechtspopulistischen Kurs weiter an Zulauf gewinnen. Denn so wird nicht hinreichend deutlich, dass man als Demokrat nicht sagt, was die AfDler so von sich geben. Hier fehlt es bei der CSU am Mut zur Klarheit.“

Der Spitzenkandidat der FDP für die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz, Volker Wissing, sieht die CDU in der Verantwortung. „Die CDU hat ihren konservativen Flügel demonstrativ vernachlässigt“, sagte Wissing dem Handelsblatt. Die AfD stehe für die von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) „heimatlos gemachten Konservativen“. Die CDU müsse daher die Frage beantworten, „ob sie in Zukunft damit zufrieden sein will, eine SPD light zu sein“, fügte Wissing, der auch dem FDP-Präsidium angehört, hinzu. „Die weitgehende Inhaltsgleichheit zwischen CDU und SPD hat der AfD den politischen Lebensraum erst geschaffen.“


„Der CSU-Generalsekretär überholt AfD & Co rechts“

Zusätzlich angeheizt wird die AfD-Debatte von den Silvester-Übergriffen auf Frauen in einigen deutschen Städten. In Köln wurden nach den gewaltsamen Angriffen inzwischen erste Verdächtige ermittelt.

Wie ein Sprecher der Polizei mitteilte, wurden in den vergangenen Tagen mehrere Männer wegen Diebstahls festgenommen. Es gebe Hinweise, dass sie auch an den Übergriffen beteiligt gewesen seien. Die Ermittlungsgruppe in Köln wurde aufgestockt, Medienberichten zufolge arbeiten jetzt 80 Polizisten an der Aufklärung der Angriffe.

Inzwischen haben in Köln und Hamburg Behördenangaben zufolge fast 160 Frauen Anzeige erstattet. In Köln stieg die Zahl der Anzeigen auf 106, in Hamburg auf 53. In drei Viertel der Fälle gaben die Betroffenen an, sexuell belästigt worden zu sein. Nach Informationen des WDR liegen wegen ähnlicher Übergriffe in der Silvesternacht auch aus Düsseldorf elf Anzeigen vor.

Im Zusammenhang mit den Vorfällen in Köln warf der stellvertretende SPD-Chef Ralf Stegner CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer Stimmungsmache gegen Flüchtlinge vor. „Der CSU-Generalsekretär überholt AfD & Co rechts“, sagte Stegner dem „Tagesspiegel“. Scheuer überschreite die Grenze der Seriosität, „wenn er ohne jede Kenntnis der Ermittlungen die abscheulichen Kölner Gewalttaten instrumentalisiert, um Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen“. Zudem setze er „Unwahrheiten für populistische Stimmungsmache ein“.

Mit Blick auf die Fälle von sexueller Belästigung vor dem Kölner Hauptbahnhof in der Silvesternacht hatte Scheuer im Deutschlandfunk erklärt, Flüchtlinge, die Frauen sexuell belästigten und das Gastrecht missbrauchten, müssten „schnellsten abgeschoben werden“.

Stegner erklärte, die Bundeskanzlerin dürfe nicht länger hinnehmen, dass „der Orban-Flügel in der CSU“ explizite Kampfansagen an den Kurs Angela Merkels und der Großen Koalition formuliere. „Die CDU-Vorsitzende muss klarstellen, welchen Kurs die Union verfolgt“, forderte der SPD-Politiker. Der „Rechtsruck der Klöckners und Scheuers in der Union" drohe die Arbeit der gesamten Bundesregierung zu belasten.

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