Das deutsche Straßendilemma Wir fahren auf einem Haufen Schrott

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Nachwuchs ist schwierig zu finden

Auch „Straßen.NRW“ wirbt hier um Studenten, doch für mehr als einen Tag und drei Meter Standfläche reicht das Budget offenbar nicht. Auch mit guten Argumenten tun sich die beiden Personaler am Stand schwer: Im Vergleich zur freien Wirtschaft ist das Gehalt ohnehin mickrig, sicher ist hingegen die Abwicklung in drei Jahren. Was bleibt, ist der Vorzug des Beamtenverhältnisses. Doch eine Jobgarantie haben die Aachener Ingenieure mit dem Abschluss ohnehin quasi in der Tasche. Da es bei Straßen.NRW noch nicht mal Bonbons gibt, bleibt der Stand fast unbesucht.

Seit Jahren tun sich die Landesverwaltungen schwer dabei, guten Nachwuchs für ihre Baubetriebe zu finden. Dass jetzt mitten im großen Sanierungsprogramm auch noch die Organisation neu aufgestellt werden soll, verschärft die missliche Lage. Im Falle von Leverkusen steht dieser Wandel gar mitten im Projekt an. „Wenn ich Glück habe, dann kann ich 2020 noch den ersten Brückenteil eröffnen“, sagt Landesminister Groschek. Heißt auch: Wenn er kein Glück hat, dann kommt zum generellen Zeitdruck auch noch das akute Organisationschaos hinzu. Denn weder die Frage, was ab 2020 mit den Mitarbeitern der Landesbetriebe geschehen soll, noch woher die Beschäftigten der neuen Bundesbehörde kommen sollen, ist bisher klar.

Uwe Richrath übt sich dennoch in Gelassenheit. Im Büro des Oberbürgermeisters mitten in der Leverkusener Innenstadt ist das Rauschen der Autobahn stete Geräuschkulisse, falls es nicht gerade von den ein paar Dezibel lauteren Güterzügen durchbrochen wird. Ob ihn der Lärm nicht beim Arbeiten stört? „Welcher Lärm?“, antwortet Richrath, und es ist nicht klar, ob das noch rheinische Ironie oder schon die ebenso typisch kölsche Problemignoranz ist.

Richrath sieht den Brückenbau als eine Wahl zwischen mehreren hässlichen Szenarien. „Wenn die Brücke vollständig gesperrt wird, dann wäre das für Leverkusen ein Desaster. Denn der Verkehr würde sich komplett in die Stadt hinein verlagern.“ Deshalb sieht er es als seine oberste Pflicht an, den Bau zu beschleunigen. „Ob es zumindest hinter der Brücke noch einen kleinen Tunnel gibt, haben wir nicht selbst in der Hand“, sagt Richrath und beschwört die Kräfte der rationalen Politik. „Ich vertraue darauf, dass der Bundestag die Gesundheit der Menschen hier ernst nimmt.“

Diese zehn Brücken hat Mutter Natur erbaut
Mesa Arch, USADer Mesa Arch schwingt sich in 304 Metern Höhe über die Schlucht des Canyonlands-Nationalparks im US-Bundesstaat Utah. Durch den Bogen lässt sich außer der Canyonlandschaft mit dem Colorado-River auch allmorgendlich der Sonnenaufgang bestaunen. Quelle: Snowpeak, Wikimedia Commons, CC BY 2.0
Delicate Arch, USAIn Utah ragen besonders viele steinerne Bögen in die Höhe. Allein 2000 sind es im Arches Nationalpark, die dem Park seinen Namen gaben. Der Delicate Arch reckt sich 20 Meter hoch. Quelle: REUTERS
Double-O-Arch, USABesonders beeindruckend wirkt auch der Double-O-Arch, ebenfalls im Arches Nationalpark gelegen. Der Clou: Hier spannt sich ein großer Bogen über einen kleinen. Quelle: Flicka, Wikimedia Commons, CC BA-SY 3.0
Etretat, FrankreichAuch in Europa gibt es zahlreiche natürliche Brücken. Bekannt dafür ist das französische Seebad Etretat an dessen 140 Kilometer langer Kreidefelsküste auch mehrere Felsbögen ins Meer ragen. Quelle: Jean-Luc Faisans, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0
Durdle Door, GroßbritannienDie Durdle Door erhebt sich an der von der Unesco zum Weltnaturerbe erklärten, englischen "Jurassic Coast". Quelle: Saffron Blaze, Wikimedia Commons, CC BA-SY 3.0
Mondberg, China800 Stufen führen zum 380 Meter hohen Tor im sogenannten Mondberg. Der Berg in der Provinz Guangxi erhielt seinen Namen, da er an einen aufgehenden Mond erinnert. Quelle: Maria Ly, Wikimedia Commons, CC BY 2.0
Landscape Arch, USADeutlich filigraner ist der Landscape Arch. Er spannt sich im in 88 Metern Höhe knapp 80 Meter weit über die Landschaft des Arches Nationalpark. Quelle: Cacophony, Wikimedia Commons, CC BA-SY 3.0

Für Richrath wie für die pragmatischeren unter den Leverkusener Bewohnern ist vor allem wichtig, dass irgendwann mal Schluss ist mit all den Baustellen auf den Trassen in ihrer Stadt. Seit den Achtzigerjahren wird eigentlich durchgehend am Kölner Ring herumgebastelt. Derzeit läuft der Ausbau auf acht Spuren, die Brücke ist da nur ein Lückenschluss. Bloß, war es das dann auch?

„Wir wissen natürlich auch nicht, wie sich der Verkehr in der Zukunft tatsächlich entwickelt“, sagt Planungschef Raithel. „Aber wir vertrauen auf unsere Prognosen.“ Die besagen: Der Autoverkehr wird nicht mehr deutlich zunehmen, dafür wächst der Lkw-Verkehr weiter kräftig. Entsprechend bauen sie die neue Brücke: Bis zu fünf Streifen pro Fahrtrichtung kann sie aufnehmen, die Träger liegen dabei anders als bei älteren Bauwerken außen, wo die Lastwagen die größte Belastung verursachen. Klingt opulent, und das ist wohl auch eine der Lehren aus der bitteren Vergangenheit. Als die Brücke Mitte der Sechzigerjahre gebaut wurde, passierten sie pro Tag gut 10 000 Fahrzeuge. Also baute man die Brücke für höchstens 40 000 auf zwei Spuren je Richtung, Lastwagen wurden gar nicht als gesonderte Belastung bedacht. Schon zehn Jahre später war die vermeintliche Obergrenze erreicht. Doch solange das Bauwerk hielt, vertraute man darauf, dass es sich nicht beschwerte.

Der Preis: Selbst wenn in nächsten Jahren nun alles hält, wie es soll, wird die Brücke am Ende kaum die Hälfte ihrer geplanten Lebensdauer erreicht haben. In verschwendete Millionen umrechnen sollte man das besser nicht.

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