Datenschutzgrundverordnung Massive Vorbehalte gegen neues Datenschutzgesetz

Neue EU-Vorgaben in Sachen Datenschutz zwingen die Bundesregierung zu gesetzlichen Änderungen. Doch was jetzt geplant ist, könnte gegen europäisches Recht verstoßen, warnt die Bundesdatenschützin Voßhoff.

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Die Bundesbeauftragte für Datenschutz, Andrea Voßhoff. Quelle: dpa

Berlin Eigentlich ist die Datenschutzgrundverordnung eine gute Sache. Denn sie sorgt für eine weitgehende Vereinheitlichung des europäischen Datenschutzrechts. Während bislang durch nationale Regelungen erhebliche Unterschiede bestanden, wird die Datenschutz-Grundverordnung künftig direkt geltendes Recht in allen Mitgliedsstaaten sein.

Dass dies von großer Bedeutung ist, betonte kürzlich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Als sie über den Umgang mit digitalen Daten sprach, gab sie unmissverständlich zu verstehen, dass einheitliche Regelungen in der EU für das Eigentum an solchen Daten notwendig seien für die Schaffung eines digitalen europäischen Binnenmarktes: „Das heißt, wir müssen möglichst vergleichbare Rechtslagen in allen europäischen Ländern haben“, sagte Merkel. Dazu sei unter anderem die Datenschutzgrundverordnung wichtig.

Die EU-Richtlinie lässt den Mitgliedstaaten allerdings Raum bei der Umsetzung der Vorgaben. Sogenannte „Öffnungsklauseln“ bieten den nationalen Gesetzgebern die Möglichkeit, eigene nationale Regelungen zu erlassen. Davon hat auch Deutschland Gebrauch gemacht.

Kernstück des Gesetzentwurfs, der unter Federführung des Bundesinnenministeriums erarbeitet wurde, ist die Neukonzeption des Bundesdatenschutzgesetzes. Es ergänzt künftig die unmittelbar geltende Datenschutz-Grundverordnung um die Bereiche, in denen den Mitgliedstaaten Gestaltungsspielräume verbleiben. Doch was das Bundeskabinett Anfang Februar beschlossen hat, trifft auf erhebliche Vorbehalte.

Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff etwa bezweifelt, dass das geplante Gesetz mit europäischem Recht vereinbar ist. Das geht aus einer Stellungnahme Voßhoffs zu dem Gesetzentwurf für eine Anhörung am Montag im Bundestag hervor.

In der Stellungnahme, die dem Handelsblatt vorliegt, bemängelt die Behördenchefin, dass die Befugnisse ihrer Behörde durch die neuen Regelungen beschränkt würden. So gebe es bei „Verstößen gegen die Vorschriften des Gesetzes oder gegen andere Vorschriften über den Datenschutz oder sonstige Mängel bei der Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten“ keinerlei Durchsetzungsbefugnisse. Ihre Zuständigkeit „bliebe beschränkt auf Beanstandungen“, konstatiert sie und fügt hinzu: „Für den Geltungsbereich der DS-RL (Datenschutz-Richtlinie) ist das europarechtswidrig.“

Denn laut Voßhoff besteht nach den EU-Vorgaben „die Verpflichtung zu wirksamen Abhilfebefugnissen und (…) die Verpflichtung, Möglichkeiten einer gerichtlichen Klärung zu regeln“. Beides enthalte die vom Bundesinnenministerium vorgeschlagene Regelung aber nicht. Das im Gesetz vorgesehene Instrument der Beanstandung sei vielmehr „nicht verbindlich und nicht durchsetzbar“.

Das heißt, so Voßhoff: „Vertritt der Verantwortliche beziehungsweise dessen Aufsichtsbehörde eine andere Rechtsauffassung als die Datenschutzaufsicht, besteht keine Möglichkeit der Durchsetzung oder Einleitung einer gerichtlichen Klärung der Frage, ob die betreffende Verarbeitung rechtswidrig ist“. Ihre Behörde könne in dieser Konstellation keine „wirksame Abhilfe“ herbeiführen, warnt die Datenschützerin. Um den Befugnissen Wirksamkeit zu verleihen, bedürfe es daher, wie von der Datenschutz-Grundverordnung vorgegeben, der Möglichkeit, „verbindliche Anordnungen“ zu treffen.


„Großer Schritt zur Angleichung der Datenschutzregelungen in Europa“

Anpassungsbedarf sieht Voßhoff zudem bei der geplanten Beschneidung der Rechte von Betroffenen auf Auskunft und Widerspruch. Zwar lasse die Datenschutz-Grundverordnung Beschränkungen grundsätzlich zu, allerdings nur unter „strengen Voraussetzungen“, die im vorliegenden Gesetzentwurf „nicht immer eingehalten werden“, heißt es in ihrer Stellungnahme. Zum Teil würden etwa die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit nicht erfüllt.

Auch bei der Nutzung von Daten in der Forschung sieht Voßhoff die Rechte der Betroffenen nicht ausreichend gewahrt. „Das Recht auf Auskunft bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu Forschungszwecken sollte nicht schon dann entfallen, wenn die Auskunftserteilung einen unverhältnismäßigen Aufwand darstellt“, betont sie, „da das Auskunftsrecht häufig die einzige Möglichkeit für den Betroffenen darstellt, Transparenz herzustellen.“

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zeigt sich indes überzeugt von den Anpassungen des Bundesdatenschutzgesetzes an die Datenschutz-Grundverordnung. Er sprach seinerzeit von einem „großen Schritt zur Angleichung der Datenschutzregelungen in Europa und damit zu einem harmonisierten digitalen Binnenmarkt“. Frühzeitig und als erstes Land in Europa schaffe Deutschland damit Rechtsklarheit.

Jan Philipp Albrecht von den Grünen im Europaparlament fürchtet indes, dass die Bundesregierung mit ihrem Gesetzesvorhaben hinter die Intentionen zurückfallen werde. Durch abweichende Bestimmungen drohe erneut Rechtsunsicherheit. „Der Entwurf ist schön für Anwälte, aber schlecht für Anwender“, kommentierte auch Tim Wybitul von der Wirtschaftskanzlei Hogan Lovells. Selbst Experten verstünden die geplanten Regeln kaum.

Angesichts des engen Zeitplans und dem anstehenden Bundestagswahlkampf ist es fraglich, ob der Entwurf noch in dieser Wahlperiode beschlossen wird. Gelingt dies nicht, müsste das Gesetzgebungsvorhaben nach der Wahl erneut beraten werden. Dann käme die Regierung aber wieder unter Zeitdruck. Denn die Datenschutz-Grundverordnung ist ab dem 25. Mai 2018 in allen EU-Staaten unmittelbar geltendes Recht.

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