De Maizière in der Kritik „Zwischen Alarmmeldungen und Beschwichtigungen“

Mit missverständlichen Äußerungen hat der Bundes-Innenminister scharfe Kritik auf sich gezogen. Bei den Grünen wird de Maizière inzwischen als „Sicherheitsrisiko“ gesehen. Auch die Polizeigewerkschaft geht auf Distanz.

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Innenminister Thomas de Maizière: Kritik an Amtsführung. Quelle: Reuters

Berlin Die Kritik am Krisenmanagement von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) wird schärfer. „Man hat das Gefühl Herr de Maizière wird zunehmend zu einem Sicherheitsrisiko für unser Land. Ist er nur ungeschickt, tritt er gerne ins Fettnäpfchen oder ist gar Taktik dahinter?“, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu dem Handelsblatt.

In der Burka-Debatte, beim Zivilschutzkonzept, aber auch bei der Einstufung der Türkei als „zentrale Aktionsplattform“ für Islamisten im Nahen Osten habe der Minister jedes Mal „mit unbedachten Äußerungen die Gegner unserer Demokratie gestärkt und dem friedlichen Zusammenleben einen Bärendienst erwiesen“, kritisierte Mutlu, der auch Mitglied im Bundestags-Innenausschuss ist. An de Maizière gewandt fügte er hinzu: „Herr Minister, Sie verunsichern die deutsche Bevölkerung! Spielen Sie nicht mit dem Feuer!“

Zuvor hatten schon Vertreter von SPD, FDP und Linken heftige Kritik am Krisenmanagement de Maizière geäußert. „Kommunikationsprobleme, mangelnde Organisation und Stockfehler im Ministeriumsapparat: Der Bundesinnenminister war schon mal trittsicherer“, sagte SPD-Bundesvize Ralf Stegner dem Handelsblatt. „Wenn De Maizière jetzt auch noch seinen Ruf als penibler Beamter aufs Spiel setzt, droht er zum Mann ohne Eigenschaften zu werden.“

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs meinte, innere Sicherheit sei einmal mal der Markenkern der CDU gewesen. Doch schon alleine der Umstand, dass Unions-Innenminister und -senatoren aus den Ländern ein Konzept zur inneren Sicherheit ohne den Bundesinnenminister erarbeiten und dieser anschließend drei Viertel davon einsammeln müsse, sei „kein Zeichen für gutes Regieren“, sagte Kahrs dem Handelsblatt.

Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz sieht den Minister inzwischen „mit den zahlreichen Herausforderungen, die sein Haus zweifellos zu meistern hat, ganz offensichtlich überfordert“. Und auch der FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki meinte: „Es sieht vielmehr so aus, als schwanke de Maizière ständig zwischen inhaltlicher Überforderung einerseits und dem krampfhaften Bemühen um öffentlich präsentierte Seriosität anderseits.“ Von der Union kam Rückendeckung für den Minister.


„Bürger machen sich nur noch lustig über das Regierungshandeln“

Auch Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, äußerte Kritik. „Der Minister schwankt ständig zwischen Alarmmeldungen und Beschwichtigungen und riskiert dabei, dass die Menschen im Land das Vertrauen in das Krisenmanagement der Regierung insgesamt verlieren, dafür gibt es bereits deutliche Anzeichen“, sagte Wendt dem Handelsblatt.

„Anfangs habe ich die Story von der Informationspanne bei der Bewertung der Türkei nicht geglaubt und den Vorgang für ein gezieltes Manöver gehalten, um den Außenminister schlecht aussehen zu lassen und in Schwierigkeiten zu bringen.“ Mittlerweile aber glaube auch er, dass es ein „Büroversehen“ in einer Angelegenheit von „höchster diplomatischer Brisanz“ gewesen sei. „Mein Vertrauen in die Professionalität des Ministeriums hat das nicht gestärkt“, betonte Wendt.

Hart ging Wendt auch mit der Pressearbeit des Innenministeriums ins Gericht. Die „Abteilung Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit“ gehe scheinbar noch von einer Zeit aus, in der es morgens die Tageszeitung und abends die Tagesschau gegeben habe und dies noch immer die einzigen Informationsquellen der Bevölkerung seien. „Auch nachdem das inhaltlich gute und sinnvolle Zivilschutzkonzept längst bekannt und tagelang in den Medien und sozialen Netzwerken diskutiert wurde, hielt das Ministerium am Zeitplan für die Pressekonferenz fest, als sei nichts geschehen“, so Wendt.

Dabei sei längst über den Ausfall der Versorgungs-Infrastrukturen, Terroranschläge und unmittelbar bevorstehende militärische Auseinandersetzungen „schwadroniert und Teile der Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt“ worden. „Der andere Teil der Bevölkerung machte sich nur noch lustig über das Regierungshandeln, was fast genauso schlimm ist“, kritisierte der Polizeigewerkschafter.


Großangriff auf Stromversorgung befürchtet

Die vom Kabinett verabschiedete neue Strategie zur „zivilen Verteidigung“, in der es unter anderem um den Schutz wichtiger Infrastrukturen wie der Versorgung mit Wasser, Strom, und Gas geht, löst ein Konzept aus dem Jahr 1995 ab. Auf Basis des „völlig veralteten“ Konzepts aus den neunziger Jahren seien Vorbereitungen auf mögliche Katastrophen unmöglich gewesen, hatte de Maizière bei der Vorstellung in Berlin gesagt. Es sei verantwortungsvoll, sich angemessen und mit kühlem Kopf auf Katastrophenszenarien vorzubereiten, auch wenn sie unwahrscheinlich seien.

Für Aufsehen gesorgt hatte in den vergangenen Tagen die Aufforderung an die Bevölkerung, Lebensmittel- und Wasservorräte anzulegen. Die Opposition hatte der Regierung deswegen Panikmache vorgeworfen. De Maizière wies dies zurück. Entsprechende Hinweise seien nicht neu.

Allerdings erklärte der Minister auch, dass er einen großangelegten Angriff auf die Stromversorgung in Deutschland als eine reale Gefahr ansehe. Er könne sich vorstellen, dass es Gruppen, Staaten oder beides zusammen gebe, die angesichts der enormen Abhängigkeit von der Energieversorgung testen wollten, wie anpassungsfähig die deutsche Gesellschaft sei, sagte der CDU-Politiker.

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