Debatte um Erbschaftsteuer Seehofer will Spielräume ausschöpfen

Ein komplett neues Konstrukt der Erbschaftsteuer wird es nach dem Urteil der Karlsruher Verfassungsrichter wohl nicht geben. Finanzminister Schäuble plant rasche Reformen. Viele Firmen können weiter auf Privilegien hoffen.

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Bei der Debatte um die Erbschaftssteuer hofft Ministerpräsident Seehofer auf eine unternehmensfreundliche Neuregelung. Quelle: dpa

Passau/Berlin Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Erbschaftsteuer setzt Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer auf eine unternehmensfreundliche Neuregelung. „Unsere Marschrichtung ist, dass wir die Spielräume, die uns das Bundesverfassungsgericht lässt, soweit wie möglich ausschöpfen“, sagte der CSU-Chef der „Passauer Neuen Presse“ (Donnerstag) nach einem Telefonat mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU). „Es geht um den Bestand von Unternehmen, vor allem Familienunternehmen, und es geht um die Sicherheit der Arbeitsplätze.“

Die Karlsruher Richter hatten die seit 2009 geltende großzügige Verschonung von Betriebsvermögen bei der Erbschaftsteuer gekippt (Aktenzeichen: 1 BvL 21/12). Sie hatten aber betont, dass kleinere und mittlere Betriebe auch in Zukunft zum Teil oder vollständig von der Erbschaftsteuer befreit werden dürfen. Der Schutz von Familienunternehmen und die Sicherung von Arbeitsplätzen sei ein legitimer Grund für Steuerprivilegien. Für große Vermögen könne es aber nur noch Ausnahmen geben, wenn diese zur Jobsicherung nötig seien. Der Gesetzgeber hat bis Mitte 2016 für eine Neuregelung Zeit.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) geht nicht davon aus, dass die Koalition so lange braucht. „Ich nehme nicht an, dass wir diese Frist ausschöpfen werden“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Donnerstag). Man werde rasch gesetzgeberische Schritte einleiten. „Im Übrigen gilt der Koalitionsvertrag“, fügte Schäuble hinzu. „Das heißt, wir werden die Erbschaftsteuer nur soweit ändern, wie uns das Bundesverfassungsgericht das aufgibt.“

Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) will keine Mindereinnahmen durch eine Reform hinnehmen. „Auch in Zukunft bleibt das bisherige Aufkommen aus der Erbschaftsteuer ein unverzichtbarer Beitrag zur Finanzierung unseres Gemeinwesens“, sagte er den „Ruhr Nachrichten“ (Donnerstag). Die Einnahmen aus der Steuer von rund fünf Milliarden Euro im Jahr stehen allein den Ländern zu.


„Ein gutes Gesetz, das eine gerechtere Besteuerung möglich macht“

Das Bundesverfassungsgericht hatte am Mittwoch die massiven Steuerprivilegien von Unternehmenserben gekippt. Die großzügige Verschonung von der Erbschaftsteuer verstoße gegen das Grundgesetz, urteilte das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe. Grundsätzlich sei es zwar legitim, gerade Familienunternehmen ganz oder zum Teil von der Steuer zu befreien, um Arbeitsplätze zu sichern. Die jetzige Regelung sei aber nicht zielgenau genug.

Für die Neuregelung räumten die Richter der Politik einen breiten Ermessensspielraum ein. Gerichtsvizepräsident Ferdinand Kirchhof sagte, möglich sei es, alleine die beanstandeten Punkte zu korrigieren oder die Erbschaftsteuer völlig neu zu strukturieren.

Der Mittelstandsexperte der Unions-Fraktion im Bundestag, Christian von Stetten (CDU), verwies im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur darauf, dass die Abgabe komplett wegfallen könnte, wenn die Neuregelung bis 30. Juni 2016 nicht gelingt. Sollten sich Bundestag und Bundesrat bis dahin nicht verständigen, könnte die Erbschaft- und Schenkungsteuer auch nicht mehr erhoben werden - sowohl für Betriebs- als auch Privatvermögen.

„Insofern ist eine zügige mittelstandsfreundliche Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts auch im Interesse der Länder“, sagte der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand in Richtung auch der rot-grün regierten Bundesländer. SPD-Finanzexperte Carsten Sieling betonte: „Wir wollen bis zum Ende der Frist ein gutes Gesetz auf den Weg bringen, das eine gerechtere Besteuerung in Deutschland möglich macht.“ Jede Verzögerungstaktik sei allzu durchsichtig.

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