Das Papier ist schon reichlich vergilbt, die Buchstaben erinnern an Sütterlin. Der Handschrift nach zu urteilen, muss es sich um eine etwas reifere Wählerin handeln. „Herr Spahn!“, hat sie auf einen Briefbogen gekritzelt. Mit Ausrufezeichen, ohne überflüssige Höflichkeiten. „Schicke Ihnen hier meine Rentenerhöhung. Sicher reicht es für eine Tasse Kaffee!“ An das Blatt geheftet ist ein Fünf-Euro-Schein. Der Brief datiert aus dem Jahr vor der letzten Bundestagswahl und hängt noch immer über dem Schreibtisch von Jens Spahn. Spätestens seit dieser Zeit weiß der CDU-Politiker, dass Wut keine freundliche Anrede kennt. Und dass man sich als Anwalt der Jungen sehr schnell sehr viele Feinde machen kann.
Damals hatte die große Koalition eine außerplanmäßige Rentenerhöhung versprochen – und Spahn hatte es gewagt, laut zu protestieren. Die junge Generation wisse nicht mehr, worauf sie sich verlassen könne, hatte er gesagt, und das war noch reichlich vorsichtig formuliert. Gehör fand er nicht, Union und SPD beglückten die Rentner am Ende trotzdem. Doch dem ganz normalen Zeitungsleser wurde Spahn bekannt, weil ihn der Vizechef der Senioren-Union, ein rüstiger Ruheständler namens Leonhard Kuckart, „ungespitzt in den Boden rammen wollte“.
Zuschussrente zu Lasten der Jungen
Nun ist Spahn 32 Jahre alt, die nächste Bundestagswahl steht bevor, und er hat wieder Gelegenheit, sich ein paar graumelierte Feinde zu machen. Dieses Mal will der gelernte Bankkaufmann die Rentenpläne der Sozialministerin (CDU) stoppen. Mit 13 anderen Abgeordneten aus Union und FDP hat er ein Papier verfasst, das Ursula von der Leyens Zuschussrente als ungerecht bezeichnet – weil sie „einseitig die jüngeren Beitragszahler belastet“. Es ist ein zarter Hinweis auf ein Ziel, von dem lange niemand mehr gesprochen hat: die Generationengerechtigkeit. Keiner der Unterzeichner ist älter als 40.
2013 wird gewählt, und wieder gibt es einiges zu verteilen. Ursula von der Leyen hat die Altersarmut zum drängendsten Thema erkoren – dabei ist derzeit keine Gruppe weniger auf Hilfe vom Sozialamt angewiesen als die Senioren. Sie will magere Altersrenten aufstocken, selbst wenn ihr Modell am Ende nicht mehr Zuschussrente heißt. Und dabei allein soll es nicht bleiben: Auch wer Angehörige pflegt, könnte eine höhere Altersversorgung bekommen. Die Frauenunion drängt, außerdem die Renten aller Mütter zu erhöhen, die ihre Kinder vor 1992 geboren haben. Anderenfalls will sie dem Betreuungsgeld nicht zustimmen, das außer der CSU ohnehin niemand in Berlin will. Am 4. November werden CDU, CSU und FDP im Koalitionsausschuss über ihr schwarz-gelbes Wohlfühlpaket beraten.
Nach Schätzungen summieren sich die Kosten auf einen zweistelligen Milliardenbetrag jährlich. Irgendwer wird schon dafür aufkommen. Irgendwann. Ihre Präsente finanziert die Regierung auf Pump. Mögen die Steuerschätzer in dieser Woche auch ein Allzeithoch bei den Haushaltseinnahmen verkünden – neue Schulden plant Schwarz-Gelb auch im Wahljahr.
Störe meine Greise nicht
Dabei liegt die Staatsverschuldung schon jetzt bei über zwei Billionen Euro und wächst pro Sekunde um weitere 1335 Euro. Bereits heute fließt mehr als ein Drittel des Bundeshaushaltes nicht in Zukunftsinvestitionen, sondern geht für Zinsen und Rentenzuschüsse drauf. Dabei haben die Jungen längst das Gefühl, dass sie auf sichere Renten und eine gute Infrastruktur selbst nicht mehr hoffen dürfen. Die Politik wendet sich lieber den Alten zu, auch aus eigenem Interesse: Schon heute ist jeder dritte Wähler älter als 60. Bis 2050 wird sich ihr Anteil noch verdoppeln. Und anders als die Jungen pilgern die Senioren auch treu ins Wahllokal. Das Motto des Wahlkampfes lautet daher: Störe meine Greise nicht. Schon gar nicht mit Debatten über hohe Schulden oder die Finanzierung sozialpolitischer Mildtaten.
Die Schuldenkrise trifft vor allem die Jungen
Clemens Fuest gehört mit 44 Jahren zur jüngeren Generation der Ökonomen. Er ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesfinanzministerium, bis 2010 war er auch der Vorsitzende. „Das Verteilen von Geschenken zulasten künftiger Generationen war politisch schon immer attraktiv“, sagt er. Vor vier Jahren zog er nach Großbritannien, um in Oxford zu lehren. Wenn er nun mit Distanz auf sein Heimatland blickt, überkommt ihn eine Sorge: „Das Thema Generationengerechtigkeit war vor wenigen Jahren noch sehr präsent. Inzwischen ist es von anderen Themen wie der Finanzkrise überlagert worden.“
In der vergangenen Legislaturperiode starteten junge Abgeordneten aus allen Fraktionen eine Initiative, um die Generationengerechtigkeit im Grundgesetz zu verankern. Wer heute fragt, was daraus geworden ist, erntet Schweigen. Nur ein Treffen hat es gegeben, Spahn hatte dazu eingeladen. „Die Euro-Krise hat vieles verändert. Vor allem lässt sie uns allen weniger Zeit für andere wichtige Themen“, sagt er. Es ist kein Aufstand zu sehen, nirgends.
Dabei kommt es zu einem paradoxen Effekt. Längst ist die überbordende Staatsverschuldung als ein Auslöser der Euro-Krise enttarnt. So verordneten sich mit dem Fiskalpakt alle Euro-Länder eine Schuldenbremse – ein solider Beitrag zur Generationengerechtigkeit. Die Jungen von 2012 haben trotzdem wenig davon. In Deutschland gilt das Verbot erst ab 2016, im Wahlkampf darf noch geprasst werden.
Die Lasten der alternden Gesellschaft
20 Prozent aller Deutschen sind älter als 65 Jahre - Im Jahr 2060 werden es 34 Prozent sein.
27.600 Euro betragen derzeit die Staatsschulden pro Kopf - die größte Hypothek für die Jungen.
51 Prozent beträgt das Nettorentenniveau heute. Wer 2030 in Rente geht, erhält 43 Prozent.
Rund zwei Erwerbstätige kommen heute auf einen Rentner. 2060 stehen ihnen zwei Rentner gegenüber.
83 Jahre ist die Lebenserwartung eines heute geborenen Mädchens. Bis 2060 steigt sie auf rund 90 Jahre.
14,2 Prozent der Senioren gelten statistisch als armutsgefährdet. Bei Alleinerziehenden und ihren Kindern sind es 37,1 Prozent.
61 Prozent aller Deutschen sind im erwerbsfähigen Alter zwischen 20 und 65. Bis 2060 werden es nur noch 50 Prozent sein.
Für die Jungen wird die Finanzkrise aus ganz anderen Gründen zum Problem. „Wenn die Europäische Zentralbank ihre Geldschleusen öffnet, betreibt sie eine Niedrigzinspolitik mit einer starken Umverteilungswirkung: Sie trifft damit vor allem junge Menschen, die sparen wollen und noch kein Vermögen aufgebaut oder geerbt haben“, erklärt Ökonom Fuest. „Alle, die nicht über Kapital verfügen, haben es umso schwerer.“
Die Rente ist noch weit weg
Komisch ist nur, dass dies bei den Jungen noch nicht ganz angekommen ist. An einem Dienstag im Oktober hat sich bei Jens Spahn eine Besuchergruppe angemeldet. Der CDU-Politiker hat einen Raum im Reichstag reserviert. 40 Stühle reihen sich dort auf, in der Mitte verlieren sich acht schüchterne Mitglieder der Jungen Union. Ausnahmsweise ist Spahn hier der Älteste.
Er hat viel zu berichten, nicht nur, dass er in dieser Woche seit zehn Jahren im Parlament sitzt. Die Union streitet um die Rente, das Parlament debattiert über Hilfen für Griechenland und irgendwer wird das alles bezahlen müssen. Spahn trägt keine Krawatte, „wir sind hier per Du“, und schließlich will er wissen, ob es Fragen gibt. Die jungen Gäste interessieren sich vor allem für die neuen Wahlplakate, und Spahn fragt, ob denn niemand etwas zur Rente sagen möchte. „ Das ist für mich noch viel zu weit weg“, antwortet Jan Alexander Debowski. Er ist 19 Jahre alt.
Dabei lastet auf der jungen Generation eine große Hypothek. Der Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen, Chef des Forschungszentrums Generationenverträge an der Universität Freiburg, hat nachgerechnet. Die offizielle Verschuldung des Staates beträgt 83 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Addiert man aber alle Lasten, die sich in Sozialversicherungen und den Pensionsverpflichtungen des Staates verstecken, summiert sich die Last auf 230 Prozent. Und würde Schwarz-Gelb tatsächlich alle Ankündigungen wahr machen, ohne im Gegenzug zu sparen, stiege die Belastung auf über 250 Prozent. „Wer dafür später zahlen muss, geht ja heute noch nicht zur Wahl“, sagt Raffelhüschen.
Das alternde Parlament
Auch das Parlament wandelt sich in eine Opakratie. Lag das Durchschnittsalter der Abgeordneten 1990 noch bei 48,7 Jahren, so ist es inzwischen auf 49,3 geklettert. Vor allem die Sozialdemokraten sehen alt aus. In der Fraktion stieg das Durchschnittsalter von 48,8 auf inzwischen 51,7 Jahre.
Im Bundestag sind die Jungen eine Randgruppe. Die unter 30-Jährigen besetzen nur 1,9 Prozent aller Sitze unter der Reichstagskuppel, die unter 40-Jährigen nur 19,5 Prozent. Auf den Wahllisten stehen sie weit unten. Ein Leben zwischen Praktika und befristeten Jobs, zwischen Umzügen und Auslandsaufenthalten lässt es nicht zu, an jedem zweiten Dienstag bei der Sitzung des heimischen Ortsvereines zu präsidieren. Der Erfolg der Piraten lässt sich auch damit erklären, dass ihr Liquid Feedback die einzige Partizipationsform für den modernen Jobnomaden ist.
Zu Union, SPD, Grünen oder FDP verirrt sich diese Spezies nur selten, die klassische Ochsentour ist mit dem Leben der Jungen nur schwer zu vereinen. „Die typische Parteikarriere beruht noch immer auf dem Wohnortprinzip“, sagt Johannes Vogel. Seit 2009 sitzt der 30-Jährige für die FDP im Bundestag, er pendelt zwischen seinem Wahlkreis Olpe-Märkischer Kreis I und der Hauptstadt. Am vergangenen Dienstag erst haben ihn seine Kreisverbände wieder als Bundestagskandidat aufgestellt.
Ein Erfolg der Jungen
In Berlin ist Vogel Vorsitzender der Jungen Gruppe seiner Fraktion. Alle Liberalen unter 40 treffen sich dienstagmittags im Reichstag. „Die Perspektive der jungen Generation darf in der alternden Demokratie nicht unter die Räder geraten“, sagt Vogel. Dass seine Fraktion sich für einen schon 2014 ausgeglichenen Bundeshaushalt einsetze, sei ein Erfolg der Jungen. Dumm nur, dass der Finanzminister die schwarze Null erst 2016 in den Haushalt schreiben will.
Die Konkurrenz von der Jungen Gruppe der Union tafelt donnerstags in der Parlamentarischen Gesellschaft. So entstanden Konzepte für eine Kapitalrücklage in der Pflegeversicherung oder für eine Demografieabgabe für Kinderlose – und die Initiative zum gemeinsamen Anti-Zuschussrenten-Papier mit der FDP: „Wir haben es im Interesse der jungen Generation geschafft, dieses prominente Projekt zu stoppen und zu überarbeiten“, sagt Spahn.
Die Alternative, die die Jungen vorschlagen: Kleinverdiener, die geriestert und gespart haben, sollen ihre Privatrente bis zu einer Höhe von 100 Euro nicht auf die Grundsicherung im Alter anrechnen müssen. Bei SPD und Grünen haben die Koalitionäre indes gar nicht erst angeklopft, um Unterstützer einzuwerben. Sie hätten eine Abfuhr kassiert. Oft liegen die Jungen im Parlament parteiübergreifend über Kreuz.
Daniela Kolbe ist mit 32 Jahren die jüngste Abgeordnete der SPD. „Erschütternd, oder?“, sagt sie und kann sich ein Grinsen kaum verkneifen. Die Vorschläge der schwarz-gelben Jungen hält sie für unsinnig. „Man kann Geringverdienern doch nicht im Ernst vorschlagen, dass sie riestern sollen, wenn die private Vorsorge derart schlechte Renditen abwirft“, sagt sie. „Ich halte es für sinnvoller, das Rentenniveau nicht so weit abzusenken wie bislang geplant“ – jedenfalls nicht auf 43 Prozent im Jahr 2030. „Wir brauchen ein ambitionierteres Ziel von um die 50 Prozent.“
Im Bundestagswahlkampf verspricht die SPD Linderung für das Alter: Arbeitnehmer sollen nach 45 Versicherungsjahren abschlagsfrei in Rente gehen können, Geringverdiener von 850 Euro Solidarrente profitieren. Was Parteichef Sigmar Gabriel bislang versprochen hat, könnte nach Berechnungen des Sozialministeriums 2030 mehr als 35 Milliarden Euro kosten. Jährlich. Dennoch stützt auch die Parteijugend die Pläne. „Die Jusos agieren da einseitig wie eine Rentnerorganisation“, frotzelt FDP-Politiker Vogel.
Reserven für die Rentenversicherung
Als Anwalt der Jugend jedenfalls tritt in der SPD derzeit nur der 65-jährige Kanzlerkandidat auf. Peer Steinbrück sagt, es sei „nicht so vernünftig“, den Rentenbeitragssatz von 19,6 im nächsten Jahr auf 18,9 Prozent zu senken. Bis 2025 werde die demografische Entwicklung die Zahl der Erwerbstätigen um mehr als sechs Millionen schrumpfen lassen. Irgendwann brauche die Rentenversicherung wieder Reserven. Doch nutzen die wenig, wenn sie im Wahlkampf gleich wieder verteilt werden.
Furor? Welcher Furor?
Auch die Jungen klagen über die Kurzsichtigkeit der Politik. „Abgeordnete sind für vier Jahre gewählt“ sagt Daniela Kolbe. „Nachhaltigkeit bedeutet aber, sich jetzt anzustrengen, um erst in Jahrzehnten zu ernten.“ Um mehr Langfristigkeit will sich die SPD-Politikerin jetzt kümmern. Sie ist Vorsitzende einer Enquetekommission, in der Politiker und Wissenschaftler nach einem nachhaltigen Wohlstandsindikator fahnden: „Wenn wir über einen neuen Wachstumsbegriff reden, geht es immer auch um Generationengerechtigkeit.“
Es geht darum, wie sich Ressourcen bewahren lassen, und darum, wie man Staat und Sozialsysteme organisiert, ohne den Jungen einen Lastenberg zu hinterlassen. Die Kommission will nichts weniger, als die Defizite parlamentarischer Entscheidungen zu verringern. Neulich traf Kolbe CDU-Urgestein Kurt Biedenkopf, der die Generationengerechtigkeit zum Lebensthema gemacht hat: „Ich setze auf die Jungen, damit neues Denken einsetzt“, sagte er.
"Die Ausbeutung der Enkel"
Doch Biedenkopf bringt mit seinen 82 Jahren mehr Furor mit als die meisten 28-Jährigen. In seinem Buch „Die Ausbeutung der Enkel“ warnt er vor der „Greisenrepublik“. Doch von „Ausbeutung“ würde kein junger Politiker sprechen. Zu Hause arbeitet man sich nicht an den Eltern ab, sondern nistet sich mit ihnen in Mehrgenerationen-Häusern ein. Auf den Zusammenhalt lässt kein Junior etwas kommen.
„Natürlich kenne ich 30-Jährige, die in Panik ausbrechen, weil sie nicht wissen, wie sie für ihr Alter vorsorgen können“, sagt Kolbe. „Das hat aber nichts mit einem Krieg der Generationen zu tun, sondern mit der Finanzkrise.“ Und FDP-Politiker Vogel mahnt: „Wir dürfen uns nicht auf eine Debatte Jung gegen Alt einlassen.“
CDU-Politiker Spahn schätzt den Kontakt zu den Älteren. Im vergangenen Jahr hat er zwei Tage lang inkognito im Pflegeheim Senioren-Domizil am Prenzlauer Berg gearbeitet. Um zu ergründen, wie das in der Praxis ist mit dem bürokratischen Aufwand in der Pflegeversicherung. Und um den Draht zum echten Leben zu halten. „Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben einen völlig fremden Menschen rasiert“, sagt Spahn. „Davor habe ich großen Respekt.“ Normalerweise üben Pflegekräfte so etwas erst mit Luftballons.
Die Lobby der Alten
„Das Verhältnis zwischen den Generationen war noch nie so gut wie heute“, meint Spahn. „Alle Großeltern würden sofort zustimmen, wenn man sie bitten würde, zugunsten ihres Enkelkindes auf etwas zu verzichten.“ Wenn es indes darum gehe, konkret bei der Rente für die junge Generation insgesamt zurückzustecken, sänken die Zustimmungswerte rasant.
Die Lobby der Alten ist ein monolithischer Block, auch außerhalb des Parlaments. Allein der Sozialverband VdK organisiert über 1,6 Millionen Mitglieder. Das sind mehr Unterstützer, als CDU und SPD zusammen in ihren Listen führen. In Berlin wird der VdK als „Opa-Apo“ gefürchtet. Die Rentengarantie hätte es ohne die Angst vor dem VdK nie gegeben, die Debatte um die Zuschussrente vermutlich auch nicht.
Was reifere Aggressivität bedeutet, das hat auch Wolfgang Gründinger erlebt. Wenn er in Talkshows für die Rechte der Jungen wirbt, überschütten ihn aufgebrachte Senioren mit Mails, er unterstelle dem eigenen Opa, auf Kosten der Enkel zu leben. Und wenn er sagt, die Rente mit 67 sei gar nicht so schlecht, dann schimpfen graumelierte Gewerkschafter, er solle „erst einmal lernen, was Arbeit ist“. Gründinger nimmt es gelassen: „Die älteren Leute werden von der Angst getrieben, die Jüngeren wollten ihnen die Rente wegnehmen“, sagt er. Dabei gehe es nur um Fairness für alle Generationen.
Aufstand verschoben
Der 28-Jährige ist Sprecher der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen. Dies ist der bekannteste außerparlamentarischen Thinktank in Sachen Generationengerechtigkeit – und doch dürfte auch er vor allem Eingeweihten ein Begriff sein. Die Arbeit ist zäh. Nur eine Halbtagskraft und ein kleines Büro in Stuttgart kann sich die Organisation leisten. In Berlin arbeitet Gründinger meist im Café Kaffe um die Ecke. WLAN gibt es hier umsonst.
Gründinger hat jetzt ein neues Buch geschrieben, ein kluges dazu. Es heißt „Wir Zukunftssucher – wie Deutschland enkeltauglich wird“, und es geht darin auch um die Frage, ob die Jungen überhaupt noch politisch ticken. „Der Geist der Veränderung liegt in der Luft. Die Bereitschaft zum Widerstand wächst“, notiert Gründinger. Die Jugendbewegung sei existent, sie habe sich nur verschoben. Weg von Parteien, hin zu Sozialunternehmern, Protestcamps oder Hip-Hop-Bands. „Der Aufstand der Jungen hat gerade erst begonnen“, lautet Gründingers Fazit.
Erst im September hat er sein Buch in der Hauptstadt präsentiert. Der Veranstalter hatte dazu einen kleinen Saal am Brandenburger Tor bereitgestellt und Dutzende Einladungen verschickt.
Am Ende erschienen genau vier Journalisten. An den Aufstand der Jungen wollte sonst niemand glauben.