Demografie Die Jungen halten still

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Die Lobby der Alten

Der Vordenker - Wolfgang Gründinger, 28, ist Sprecher der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen. Sein Lieblingscafé ist auch sein Büro. Quelle: Werner Schüring für WirtschaftsWoche, dpa

„Das Verhältnis zwischen den Generationen war noch nie so gut wie heute“, meint Spahn. „Alle Großeltern würden sofort zustimmen, wenn man sie bitten würde, zugunsten ihres Enkelkindes auf etwas zu verzichten.“ Wenn es indes darum gehe, konkret bei der Rente für die junge Generation insgesamt zurückzustecken, sänken die Zustimmungswerte rasant.

Die Lobby der Alten ist ein monolithischer Block, auch außerhalb des Parlaments. Allein der Sozialverband VdK organisiert über 1,6 Millionen Mitglieder. Das sind mehr Unterstützer, als CDU und SPD zusammen in ihren Listen führen. In Berlin wird der VdK als „Opa-Apo“ gefürchtet. Die Rentengarantie hätte es ohne die Angst vor dem VdK nie gegeben, die Debatte um die Zuschussrente vermutlich auch nicht.

Was reifere Aggressivität bedeutet, das hat auch Wolfgang Gründinger erlebt. Wenn er in Talkshows für die Rechte der Jungen wirbt, überschütten ihn aufgebrachte Senioren mit Mails, er unterstelle dem eigenen Opa, auf Kosten der Enkel zu leben. Und wenn er sagt, die Rente mit 67 sei gar nicht so schlecht, dann schimpfen graumelierte Gewerkschafter, er solle „erst einmal lernen, was Arbeit ist“. Gründinger nimmt es gelassen: „Die älteren Leute werden von der Angst getrieben, die Jüngeren wollten ihnen die Rente wegnehmen“, sagt er. Dabei gehe es nur um Fairness für alle Generationen.

So viel Rente bekommen Sie
DurchschnittsrentenLaut den aktuellen Zahlen der Deutschen Rentenversicherung bezogen Männer Ende 2014 eine Durchschnittsrente von 1013 Euro. Frauen müssen inklusive Hinterbliebenenrente mit durchschnittlich 762 Euro pro Monat auskommen. Quellen: Deutsche Rentenversicherung; dbb, Stand: April 2016 Quelle: dpa
Ost-Berlin mit den höchsten, West-Berlin mit den niedrigsten RentenDie Höhe der Rente schwankt zwischen den Bundesländern. Männer in Ostberlin können sich mit 1147 Euro Euro über die höchste Durchschnittsrente freuen. In Westberlin liegt sie dagegen mit 980 Euro am niedrigsten. Aktuell bekommen männliche Rentner: in Baden-Württemberg durchschnittlich 1107 Euro pro Monat in Bayern durchschnittlich 1031 Euro pro Monat in Berlin (West) durchschnittlich 980 Euro pro Monat in Berlin (Ost) durchschnittlich 1147 Euro pro Monat in Brandenburg durchschnittlich 1078 Euro pro Monat in Bremen durchschnittlich 1040 Euro pro Monat in Hamburg durchschnittlich 1071 Euro pro Monat in Hessen durchschnittlich 1084 Euro pro Monat in Mecklenburg-Vorpommern durchschnittlich 1027 Euro pro Monat in Niedersachsen durchschnittlich 1051 Euro pro Monat in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich 1127 Euro pro Monat im Saarland durchschnittlich 1115 Euro pro Monat in Sachsen-Anhalt durchschnittlich 1069 Euro pro Monat in Sachsen durchschnittlich 1098 Euro pro Monat in Schleswig-Holstein durchschnittlich 1061 Euro pro Monat in Thüringen durchschnittlich 1064 Euro pro Monat Quelle: AP
Frauen mit deutlich weniger RenteFrauen im Ruhestand bekommen gut ein Drittel weniger als Männer. Auch sie bekommen in Ostberlin mit durchschnittlich 1051 Euro die höchsten Bezüge. Am wenigsten bekommen sie mit 696 Euro in Rheinland-Pfalz. Laut Deutscher Rentenversicherungen beziehen Frauen inklusive Hinterbliebenenrente: in Baden-Württemberg durchschnittlich 772 Euro pro Monat in Bayern durchschnittlich 736 Euro pro Monat in Berlin (West) durchschnittlich 861 Euro pro Monat in Berlin (Ost) durchschnittlich 1051 Euro pro Monat in Brandenburg durchschnittlich 975 Euro pro Monat in Bremen durchschnittlich 771 Euro pro Monat in Hamburg durchschnittlich 848 Euro pro Monat in Hessen durchschnittlich 760 Euro pro Monat in Mecklenburg-Vorpommern durchschnittlich 950 Euro pro Monat in Niedersachsen durchschnittlich 727 Euro pro Monat in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich 749 Euro pro Monat im Saarland durchschnittlich 699 Euro pro Monat in Sachsen-Anhalt durchschnittlich 964 Euro pro Monat in Sachsen durchschnittlich 983 Euro pro Monat in Schleswig-Holstein durchschnittlich 744 Euro pro Monat in Thüringen durchschnittlich 968 Euro pro Monat Quelle: dpa
Beamtenpensionen deutlich höherStaatsdienern geht es im Alter deutlich besser. Sie erhalten in Deutschland aktuell eine Pension von durchschnittlich 2730 Euro brutto. Im Vergleich zum Jahr 2000 ist das ein Zuwachs von knapp 27 Prozent. Zwischen den Bundesländern schwankt die Pensionshöhe allerdings. Während 2015 ein hessischer Staatsdiener im Ruhestand im Durchschnitt 3150 Euro ausgezahlt bekam, waren es in Sachsen-Anhalt lediglich 1940 Euro. Im Vergleich zu Bundesbeamten geht es den Landesdienern dennoch gut. Im Durchschnitt kommen sie aktuell auf eine Pension von 2970 Euro. Im Bund sind es nur 2340 Euro. Quelle: dpa
RentenerhöhungIm Vergleich zu den Pensionen stiegen die normalen Renten zwischen 2000 und 2014 deutlich geringer an. Sie wuchsen lediglich um 15,3 Prozent. Quelle: dpa
Reserven der RentenkasseDabei verfügt die deutsche Rentenversicherung über ein sattes Finanzpolster. Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung betrug die sogenannte Nachhaltigkeitsrücklage Ende 2014 genau 35 Milliarden Euro. Das sind rund drei Milliarden Euro mehr als ein Jahr zuvor. Rechnerisch reicht das Finanzpolster aus, um fast zwei Monatsausgaben zu bezahlen. Nachfolgend ein Überblick, mit welcher Rente die Deutschen im aktuell im Durchschnitt rechnen können: Quelle: dpa
Abweichungen vom StandardrentnerWer 45 Jahre in den alten Bundesländern gearbeitet hat und dabei den Durchschnittslohn verdiente, bekommt pro Monat 1314 Euro ausgezahlt. Bei 40 Arbeitsjahren verringert sich die monatliche Auszahlung auf 1168 Euro. Wer nur 35 Jahre im Job war, bekommt 1022 Euro. Quelle: Fotolia

Aufstand verschoben

Der 28-Jährige ist Sprecher der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen. Dies ist der bekannteste außerparlamentarischen Thinktank in Sachen Generationengerechtigkeit – und doch dürfte auch er vor allem Eingeweihten ein Begriff sein. Die Arbeit ist zäh. Nur eine Halbtagskraft und ein kleines Büro in Stuttgart kann sich die Organisation leisten. In Berlin arbeitet Gründinger meist im Café Kaffe um die Ecke. WLAN gibt es hier umsonst.

Gründinger hat jetzt ein neues Buch geschrieben, ein kluges dazu. Es heißt „Wir Zukunftssucher – wie Deutschland enkeltauglich wird“, und es geht darin auch um die Frage, ob die Jungen überhaupt noch politisch ticken. „Der Geist der Veränderung liegt in der Luft. Die Bereitschaft zum Widerstand wächst“, notiert Gründinger. Die Jugendbewegung sei existent, sie habe sich nur verschoben. Weg von Parteien, hin zu Sozialunternehmern, Protestcamps oder Hip-Hop-Bands. „Der Aufstand der Jungen hat gerade erst begonnen“, lautet Gründingers Fazit.

Erst im September hat er sein Buch in der Hauptstadt präsentiert. Der Veranstalter hatte dazu einen kleinen Saal am Brandenburger Tor bereitgestellt und Dutzende Einladungen verschickt.

Am Ende erschienen genau vier Journalisten. An den Aufstand der Jungen wollte sonst niemand glauben.

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