Demografie Die Jungen halten still

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Reserven für die Rentenversicherung

Als Anwalt der Jugend jedenfalls tritt in der SPD derzeit nur der 65-jährige Kanzlerkandidat auf. Peer Steinbrück sagt, es sei „nicht so vernünftig“, den Rentenbeitragssatz von 19,6 im nächsten Jahr auf 18,9 Prozent zu senken. Bis 2025 werde die demografische Entwicklung die Zahl der Erwerbstätigen um mehr als sechs Millionen schrumpfen lassen. Irgendwann brauche die Rentenversicherung wieder Reserven. Doch nutzen die wenig, wenn sie im Wahlkampf gleich wieder verteilt werden.

Furor? Welcher Furor?

Auch die Jungen klagen über die Kurzsichtigkeit der Politik. „Abgeordnete sind für vier Jahre gewählt“ sagt Daniela Kolbe. „Nachhaltigkeit bedeutet aber, sich jetzt anzustrengen, um erst in Jahrzehnten zu ernten.“ Um mehr Langfristigkeit will sich die SPD-Politikerin jetzt kümmern. Sie ist Vorsitzende einer Enquetekommission, in der Politiker und Wissenschaftler nach einem nachhaltigen Wohlstandsindikator fahnden: „Wenn wir über einen neuen Wachstumsbegriff reden, geht es immer auch um Generationengerechtigkeit.“

Es geht darum, wie sich Ressourcen bewahren lassen, und darum, wie man Staat und Sozialsysteme organisiert, ohne den Jungen einen Lastenberg zu hinterlassen. Die Kommission will nichts weniger, als die Defizite parlamentarischer Entscheidungen zu verringern. Neulich traf Kolbe CDU-Urgestein Kurt Biedenkopf, der die Generationengerechtigkeit zum Lebensthema gemacht hat: „Ich setze auf die Jungen, damit neues Denken einsetzt“, sagte er.

Gründe für die Frührente
An letzter Stelle stehen die Krankheiten des Kreislaufsystems, also zum Beispiel Herzinfarkte, Schlaganfälle und Durchblutungsstörungen. An ihnen erkrankten im Jahr 2010 18.068 Personen (10,0 Prozent). Interessant: mehr als die Hälfte der Erkrankten sind männlichen Geschlecht - gleich 13.023 Männer. Quelle: dpa
Die Anzahl der Personen, die an früheren Krankheiten wiedererkrankten, liegt dagegen bei 24.036 Personen (13,3 Prozent), die fast gleichmäßig auf Männer und Frauen verteilt sind. Die Veränderung zu 2007 ist marginal - die Zahl stieg um 3,5 Prozent im Vergleich zu 2007. Quelle: Fotolia
Dagegen mussten 26.494 Personen (14,7 Prozent) wegen Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes ihre Arbeit ruhen lassen. Das waren 2,1 Prozent mehr als im Jahr 2007, die an Arthritis, Rückenschmerzen oder Bandscheibenvorfällen leiden mussten. Quelle: Fotolia
Die übrigen Diagnosen, also andere Krankheiten, haben 41.206 Personen (22,8 Prozent) aus dem Beruf geworfen. Auch hier ist die Veränderung zum Jahr 2007 minimal - ein Plus von 2,8 Prozent. Quelle: dpa
Der Hauptgrund für die frühzeitige Pensionierung: Psychische Krankheiten und Verhaltensstörungen. Darunter fallen Erkrankungen wie Depression und Burn-Out. Gleich 70.946 Menschen (39,3 Prozent) mussten deswegen 2010 die Arbeit ruhen lassen. Gegenüber 2007 ist die Zahl dramatisch gestiegen - um satte 31,7 Prozent. Quelle: Fotolia

"Die Ausbeutung der Enkel"

Doch Biedenkopf bringt mit seinen 82 Jahren mehr Furor mit als die meisten 28-Jährigen. In seinem Buch „Die Ausbeutung der Enkel“ warnt er vor der „Greisenrepublik“. Doch von „Ausbeutung“ würde kein junger Politiker sprechen. Zu Hause arbeitet man sich nicht an den Eltern ab, sondern nistet sich mit ihnen in Mehrgenerationen-Häusern ein. Auf den Zusammenhalt lässt kein Junior etwas kommen.

Übersicht zum Anteil der über 60-Jährigen an der Gesamtbevölkerung (zum Vergrößern bitte Bild anklicken)

„Natürlich kenne ich 30-Jährige, die in Panik ausbrechen, weil sie nicht wissen, wie sie für ihr Alter vorsorgen können“, sagt Kolbe. „Das hat aber nichts mit einem Krieg der Generationen zu tun, sondern mit der Finanzkrise.“ Und FDP-Politiker Vogel mahnt: „Wir dürfen uns nicht auf eine Debatte Jung gegen Alt einlassen.“

CDU-Politiker Spahn schätzt den Kontakt zu den Älteren. Im vergangenen Jahr hat er zwei Tage lang inkognito im Pflegeheim Senioren-Domizil am Prenzlauer Berg gearbeitet. Um zu ergründen, wie das in der Praxis ist mit dem bürokratischen Aufwand in der Pflegeversicherung. Und um den Draht zum echten Leben zu halten. „Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben einen völlig fremden Menschen rasiert“, sagt Spahn. „Davor habe ich großen Respekt.“ Normalerweise üben Pflegekräfte so etwas erst mit Luftballons.

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